So ein Zirkus

Zugegeben: Ich empfinde als einen kleinen Verrat, dass Alfred Weidinger so schnell das MdbK wieder verlassen hat. In diesen knapp drei Jahren hat er aber vieles erreicht oder zumindest angeschoben, das hoffentlich Bestand haben wird.

In dieser Zeit habe ich vom Kunsthistoriker Frank Zöllner keine Kritik an der Museumsleitung gehört. Im Gegenteil. Vor einem Jahr durfte der Leonardo-Spezialist in dem Haus eine Schau mit dem vielsagenden Titel „Leonardo war nie in Leipzig“ zeigen, auf die man hier hätte verzichten können. Nun aber teilt er im Nachgang kräftig aus, gerade passend in der offenbar noch laufende Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Was ihn dazu bewegt, verstehe ich nicht.

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Der Abend des Architekten

alle schönen Häuser sind schon gebaut

alle zweckmäßigen Häuser sind schon gebaut

manche zweckmäßigen Häuser sind schön

was sollen Architekten noch machen?

Häuser von 1000 Metern Höhe bauen

die weder schön noch zweckmäßig sind

Außenhülle verdrehen, verformen, zurechtkneten

die Funktionen dann reinstopfen

Zwecke verändern sich

Schönheit verändert sich

auf die Veränderung der Zwecke kann der Architekt horchen

die Veränderung der Schönheit ist seine eigene Aufgabe

auf schnellen Applaus darf er nicht hoffen

also erstmal sein zweckmäßiges Haus verlassen

eine Runde mit der Dogge um´s hässliche Karree

dann ein Glas Chianti am schönen Couchtisch

und etwas Houellebecq lesen

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Obduktion einer Radikalisierung

Hajo Funke untersucht in einem brandneuen Buch, wo die AfD heute steht, und wie es weitergehen könnte

War die AfD irgendwann nicht radikal? Bernd Lucke und Hans Olaf Henkel waren zwar gegen den Euro und gegen die EU, aber nicht gegen einen demokratisch strukturierten Nationalstaat. Frauke Petrys Erfolg war, diese Gründer herauszudrängen, um den völkischen Nationalismus in der Partei zu stärken. Sie scheiterte dann am Ausschluss Höckes, musste selbst gehen. Sie als gemäßigt zu bezeichnen, fällt aber auch im Nachgang schwer.

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke hat bereits vor zwei Jahren ein Buch über die AfD verfasst, dessen Titel „Gäriger Haufen“ sich auf ein Zitat von Alexander Gauland bezieht, den Zustand der Partei charakterisierend. Dieser Begriff taucht im Untertitel der aktuellen Publikation wieder auf: „Vom gärigen Haufen zur rechtsextremen `Flügel´-Partei.“ Da hat sich also in der Zeit seit der Bundestagswahl einiges sortiert.

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Heimat?

Im Mai habe ich mein Elternhaus in der Oberlausitz verkauft, wo ich die ersten 16 Jahre des Lebens zugebracht habe. Das tat weh, muss ich zugeben. Aber sinnvolle Alternativen waren nicht in Sicht. Irgendwie bin ich aber auch froh, mit dieser Gegend nichts mehr zu tun zu haben. Es ist ein netter Ort im Bergland nahe der tschechischen Grenze, auch das Fachwerkhaus mit Umgebinde ist schön. Doch es gibt mehrere, nicht nur berufliche, Gründe, da nicht leben zu wollen. Zum Beispiel mehr als 30 Prozent Wählerstimmen für die AfD. Sicher gehören auch einige meiner früheren Mitschüler dazu.
Dabei muss ich mal wieder über den Begriff Heimat nachdenken. Habe ich die nun verloren? Solange meine Eltern noch lebten und sich die Familie zumindest zu Weihnachten mal traf, war schon noch etwas emotionale Verbundenheit da. Aber heute habe ich nicht das Gefühl, die Heimat verloren zu haben.
Nach dem Studium in Leipzig wurde ich 1988 nach Karl-Marx-Stadt „vermittelt“. Frei bewerben konnte man sich nicht. Und bei der Wahl zwischen Merseburg, Magdeburg und KMSt erschien mir das dritte als das kleinste Übel. Von dort war es immerhin noch am einfachsten, mal zu den Eltern zu fahren. Häufiger war ich dennoch an den Wochenenden in Leipzig.
Trotzdem habe ich 18 Jahre in Chemnitz, wie es bald wieder hieß, gelebt. Zu lange. Heimisch bin ich da nie so richtig geworden, obwohl ich die Stadt besser kenne als viele der Eingeborenen. Seit der Arbeit an der Dissertation über die Architektur und Stadtentwicklung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts habe ich mich intensiv mit der gesamten Stadtgeschichte beschäftigt. Nur die Illusion, das ich mit diesem Fachwissen eine brauchbaren Job bekommen könnte, hat mich solange da gehalten. Zu lange. 2005 war es dann Zeit, die Reißleine zu ziehen. Da ich noch eine Teilzeitbeschäftigung da hatte, kamen all zu weite Ziele nicht in Frage, eigentlich standen nur Dresden und Leipzig zur Wahl.
Dann also Umzug nach Leipzig. Die richtige Wahl. Ist das meine Heimat? Ich fühle mich wohl hier, was mir sicherlich im heutigen Dresden schwer fallen würde. Dennoch kann ich mir vorstellen, nochmal weiterzuziehen. Und dass muss nicht unbedingt im deutschsprachigen Raum sein. In der Toskana würde ich sogar akzeptieren, in der Provinz zu leben, was hier für mich nicht mehr infrage kommt.
Das Wort Heimat hängt mit dem Heim zusammen, dem Zuhause. Im englischen home ist die Verbindung noch direkter. Im Russischen aber ist rodina der Ort der Geburt. So gibt es in den Sprachen schon mal fundamentale Unterschiede der Bedeutung. Meinen Kindheitsort habe ich unwiederbringlich verloren. Mein Heim ist im Moment Leipzig, und ich bin gern hier. Doch dazu Heimat zu sagen, fällt mit trotzdem schwer.

Nachtrag 03.07.2020

Für eine Buchrezension habe ich gerade zur Biografie von Erika Steinbach nachgeschlagen, der Obervertriebenen. Ihre Eltern kamen aus Hessen und Bremen. Sie wurde im durch die faschistische Wehrmacht eroberten Ostpreußen geboren, musste mit anderthalb Jahren aus ihrer „Heimat“ fliehen. Das sagt alles über den Heimatbegriff der Rechtsextremen.

Mein Vater und seine Familie kamen aus Schlesien. Es waren arme Landarbeiter. 1946 wurden sie ausgesiedelt. In der Oberlausitz fanden sie ein Heim. Mein Vater, der wegen des verbrecherischen Eroberungskrieges nicht einmal die zehnte Klasse abschließen konnte, machte da seine Berufsausbildung, holte das Abitur nach, wurde Lehrer. Inbrünstig sang er gern „Oberlausitz, geliebtes Heimatland …“ – er, der Vertriebene. Zwischen Herkunft und Heimatgefühl kann es gravierende Unterschiede geben.

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Du sollst dir kein Bildnis machen

Die Kunst bleibt ausdruckslos in der gegenwärtigen Krise

Dürers Holzschnitt der vier apokalyptischen Reiter kennt jeder, die noch eindringlicheren dystopischen Fantasien von Hieronymus Bosch ebenso. Vor allem mittelalterliche Künstler fanden immer wieder verstörende Ausdrucksmittel für das Grauen, das in Korrelation zum theologischen Begriff der Hölle stand. Krieg, Pogrome, Missernten, Erdbeben und auch Epidemien, allen voran die ab 1348 in Europa immer wieder wütende Pest, konnten auf einen Nenner gebracht werden. Doch bezüglich der bildlichen Mittel der Darstellung bot die Religion keine verbindlichen Vorgaben, da konnten sich die Künstler gegenseitig überbieten.

Auch später fanden Kreative aller Sparten eindringliche Bilder für das Schlimme, Böse, Katastrophale, ob nun Goya, Böcklin oder auch Otto Dix mit seinem bewegenden Schützengraben-Tryptichon, das man in Dresden sehen kann.

Für die weltweite Corona-Krise wurden noch keine adäquaten Mittel der Darstellung gefunden. Zwar kann man einwenden, dass frühere Schreckensdarstellungen zumeist auch erst im Nachhinein entstanden, doch haben sich die Mittel der Verbildlichung im digitalen Zeitalter so beschleunigt, dass dies kein Argument sein kann. Für andere Themen gibt es ja neue Symbolbilder, ob nun der Mann vor dem Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens oder der ertrunkene Flüchtlingssohn Alan Kurdi. Oder – etwas älter – das Foto von Nick Út eines fliehenden vietnamesischen Mädchens, welches bei einem Napalm-Angriff schwer verletzt wurde.

Egal, welches Massenmedium man heute nutzt, es gibt kaum ein anders Thema als diese Pandemie. Und was sieht man in Zeiten des „iconic turn“? Natürlich das Virus oder wie man es sich vorstellt. Manchmal in Schwarzweiß einer Pusteblume ähnelnd, häufiger in starken Farben. Eine Kugel, aus der Saugnäpfe oder Blütenstände hervorbrechen. Jedenfalls wirkt es grundsätzlich eher schön als bedrohlich. Die Erreger der Pocken und anderer Epidemien sahen auch nicht viel anders aus, doch man hatte nicht die technischen Mittel, sie sichtbar zu machen. Also mussten die Künstler die Fantasie bemühen. Realistische Darstellungen der Ärzte mit Vogelschnabel-Masken oder Karren mit gestapelten Leichen waren da eher ein Notbehelf. Die apokalyptischen Konstrukte wirkten eindringlicher.

Die heutigen Künstler konnten wohl noch nicht auf die neue Situation reagieren, die Massenmedien müssen die Sichtbarmachung von Covid 19 übernehmen. Die Vogelschnabel-Masken sind Hightech-Verhüllungen gewichen, soweit verfügbar. Doch Ärzte und Helfer in solcher Ausrüstung wirken eher beruhigend, sind sie ja nicht Teil des Problems, sondern Bekämpfer. Das machen sich dann Autokraten wie Putin zunutze, der in qietschgelbem Vollschutz durch eine Klinik stapft, um seine Entschlossenheit zu demonstrieren. Und zu Stars gewordene Virologen wie der telegene Christian Drosten sind noch mehr Heilsbringer, egal was sie verkünden.

Was sieht man noch? Zeitraffer-Videos von einer Baustelle in Wuhan, wo in wenigen Tagen ein riesiges Krankenhaus entsteht. Gleichfalls ein positives Symbol: Man tut doch alles, was menschenmöglich ist! Der Mundschutz als das überragende, wenn auch nicht unumstrittene Bild für die Vorsicht taugt kaum als Ikone, wird er doch gerade in asiatischen Ländern seit langem getragen, vor allem wegen des Smogs.

Leere Regale in Supermärkten, wo Klopapier liegen sollte, sind eher ein spezifisch deutsches Meme, so wie ausverkaufte Waffenläden in den USA. Das lässt sich nicht übergreifend verwenden. Dann gibt es aber noch die Bilder italienischer Armee-LKWs, die Särge abtransportieren, weil die lokalen Krematorien überlastet sind. Doch auch das hat noch keine Allgemeingültigkeit. Dann schon eher die Aufnahmen von verwaisten Straßen und Plätzen in Metropolen, die ansonsten voller Menschen sind. Doch die Ursache wird dabei nicht sichtbar.

Das ikonografische Problem bei Covid 19 ist, dass Genesende keine Spuren zeigen wie auf George Grosz` Bildern von Kriegskrüppeln oder Bilder von Lepra-Überlebenden. Entweder oder. Sterben oder gesunden. Der Tod ist kaum sichtbar. Das Ersticken eines schwer Erkrankten kann man nicht in ein Bild fassen, höchstens in ein Video. Doch wer ist so skrupellos, das zu machen? Es bleibt ein bildloser Tod.

Seit reichlich hundert Jahren gibt es abstrakte Kunst. Im Moment muss wohl auch eine Abstraktion jede Gegenständlichkeit ersetzen. Jeden Morgen starren wir auf die Kurve der Neuinfektionen im Staat, im Bundesland, in der Stadt oder der Welt. Und wie viele sind genesen, wie viele gestorben? Diese Kurven, ob vom RKI oder der Johns Hopkins University, sind aussagekräftiger als jedes figürliche Bild. Hofft man zumindest. Mögen sie flacher werden! Wer wünscht sich das schon von Kunstwerken?

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Vielleicht böser als ihr glaubt

In Uwe Tellkamps von Susanne Dagen herausgegebenem neuen Buch ist Neo Rauch einer der Hauptakteure

Welche Textsorte das Büchlein Uwe Tellkamps mit reichlich hundert Seiten sein soll, steht nicht dabei. Erst im Klappentext ist von einem Essay die Rede. Das Thema hingegen ist klar. Es geht um Kunst, heutige und vergangene.

Auch wenn die ersten beiden Protagonisten im Reportagestil als Nina Schmücke und Martin Rahe vorgestellt werden, erkennt man darin schnell Rosa Loy und Neo Rauch. Nina ist die ruhige Gärtnerin mit dem grünen Daumen und Kräuterkenntnissen, Rahe der „Getriebene“, der dennoch bodenständig bleibt. Er fährt mit dem Rad von Markkleeberg in die Spinnerei, möchte keine Assistenten, isst Nudeln zu Mittag.

Schwieriger wird es, andere Personen eindeutig zuzuordnen. So den Maler Vogelstrom, ein wortgewaltiger und unheimlich belesener Dresdener, den der Erzähler aus der Studienzeit in Leipzig kennt und der manche Eigenschaften Johannes Heisigs besitzt. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich meint hingegen, dass damit Hubertus Giebe gemeint sei. Eine Melange realer Vorbilder offenbar, da kann niemand Tellkamp verklagen. Der Erzähler selbst nennt sich Fabian. Dass er auch Künstler ist, vor allem Bildhauer, erfährt man aber erst zum Ende des Buches. Und dann gibt es noch einen Carl Bunke, Galerist Rahes mit maßgeschneiderten Dreireihern als Markenzeichen, den man aber auch nicht eins zu eins mit Judy Lybke in Deckung bringen kann. Schon die Angabe, er vertrete sowohl „Rahe“, „Schmücke“ wie auch „Vogelstrom“ passt nicht dazu. Dennoch ist Lybke als Schablone der Figur erkennbar. Andere Künstler, Galeristen, Autoren hingegen werden beim richtigen Namen genannt, darunter auch solche, die noch leben.

Unterhaltung über Politisches, in dem er [Rahe] gut bewandert ist, kennt sowohl die trevische als auch die Leipziger Politik. Trevisch? Ja, die Hauptstadt des Landes heißt Treva und hat den spärlichen geografischen Angaben nach, so etwa Speicherstadt, wo Bunke seine Hauptgalerie hat, oder Elballee, mehr mit Hamburg als Berlin zu tun. Spätestens dann merkt man, dass trotz etlicher Realitätsbezüge der Text kein Essay ist, sondern ein Auszug aus oder eine Ergänzung zu Tellkamps neuem Roman, dessen Erscheinen Suhrkamp um etliche Monate verschoben hat.

Dass dieser Roman so heiß erwartet wird, liegt nur zweitrangig an der Frage, ob er an den Erfolg von „Der Turm“ anknüpfen kann. Vielmehr geht es darum, wie politisch er sein wird. Uwe Tellkamp hat seine Nähe zu Pegida und AfD deutlich gemacht, woraufhin ihn Rauch als „Wiedergänger Stauffenbergs“ bezeichnete. Das hat er später widerrufen, aber nicht wegen nachlassender Wertschätzung des Autors. Der Vergleich der Bundesrepublik mit dem Hitlerregime war all zu dick aufgetragen.

Über Kunst erfährt man wenig in dem Buch, es ist ein Namedropping ohne Tiefgang, „Vogelstrom“ weist den Erzähler auf diesen und jenen vor allem Dresdener Künstler der Vergangenheit hin, was er mit kurzen Beschreibungen beantwortet, ohne auf die Unterschiede zum Beispiel der Dresdener und Leipziger Kunstentwicklung einzugehen. Sogar das Detail, dass Rauch in der Mittagspause mit einer Luftpistole auf Porträts seiner „Lieblingsfeinde“ schießt, ist nicht neu. Wenn „Vogelstrom“ einen ausufernden Pasquill auf Kunstmarkt und Kunstmessen als mahlstrom-wahnsinnige Veranstaltungen ablässt, mag das berechtigt sein. Doch das haben Markus Metz und Georg Seeßlen mit „Geld frisst Kunst – Kunst frisst Geld“ schon vor Jahren viel kenntnisreicher, dazu noch stilistisch besser dargestellt. Und auch das Gejammer über die Versorgungsmentalität mancher Kunstprofessoren ist abgestandene Brühe und in dieser Pauschalisierung einfach Quark.

Tellkamp legt diesem Vogelstrom die Worte in den Mund: Die Dekadenz, Fabian, die Knabenliebe, alles wie heute, du kannst darin alles finden, eines der größten Reiche der Weltgeschichte, das Römische Reich, ist an der Dekadenz zugrunde gegangen, so ist es auch heute, auch wir werden so zugrunde gehen. Was für ein Schnulli. Wenn das gegenwärtige System zugrunde geht, dann nicht an dekadenter Knabenliebe, sondern am Turbokapitalismus, zu dem auch der Kunstmarkt gehört.

Das Buch ist in der Edition Buchhaus Loschwitz erschienen, dem Kleinverlag der Buchhändlerin Susanne Dagen, die enge Kontakte nicht nur zu Pegida sondern auch den Neuen Rechten um Götz Kubitschek und Ellen Kositza pflegt. Im vermutlich von ihr verfassten Klappentext heißt es, Tellkamp führe auch die Bedrohung der Kunst vor Augen, wenn sie und der Künstler in die Mühlen der Politik und Ideologien geraten. Eine Falschaussage. In dem für viele rechte Autoren typischen Geraune wird mal am Rande – im Kontext der Dresdener Romantik – erwähnt, dass im Jahre 15 in Dresden ein Vulkan ausgebrochen sei mit Folgen für die ganze Republik. Was dann im kommenden Roman namens „Lava“ zu erwarten ist, kann man erahnen. In welche Mühlen der Politik und Ideologien ist den Rahe aka Rauch geraten? Was veranlasst den wohlhabenden Weltstar zu einer Sympathiebekundung für Rechtsradikale? Das zu untersuchen wäre ein lohnendes Thema für einen Essay. Natürlich nicht für Tellkamp, der ist genau so ein Fall.

Nach einigen Tagen habe ich auf meine Nachfrage Antworten von Susanne Dagen erhalten. Nicht nur weil es eine private Nachricht ist, möchte ich daraus nicht zitieren. Es lohnt auch nicht. Wirklichen Aufschluss ergeben ihre Aussagen nicht.

Aufschlussreicher als die Vulkan-Metapher ist eine andere Nebenbemerkung. Auf dem Bücherbord in Rahes Atelier gebe es viel Ernst Jünger. Mit dem Titel seiner gemalten Karikatur „Der Anbräuner“ hat sich Rauch im Vorjahr im Schlagabtausch mit dem Leipziger Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich direkt auf Jünger bezogen. Dieser hatte sich trotz seiner antidemokratischen, antiliberalen und nationalistischen Einstellung vom NS-Regime distanziert, aber fortan die Haltung des „Anarchen“ eingenommen, der von der Seite beobachtet, auch sympathisiert, aber nicht verantwortlich ist. Das passt sowohl zu Tellkamp als auch Rauch. Das Klischee von der Kunst und das von den Künstlern, die etwas zu rasch und zu fraglos für gute Menschen gehalten werden. Was aber, wenn sie böser sind, als ihr glaubt? fragt Rahe im Buch.

Nun könnte man zwar fragen, ob solch ein Verhalten tatsächlich Schaden anrichten kann. Wer liest Tellkamp? Wer kauft Rauch-Bilder oder geht auch nur in seine Ausstellungen? Sicherlich nicht das Pegida-Fußvolk. Das Gefährliche ist aber die Strategie der Normalisierung rechtsradikaler Ansichten, die das Gefühl des Angekommenseins in der Mitte vermittelt, eben auch unter angesehenen Intellektuellen. Dagegen zu argumentieren ist genau so nötig wie Bachmann, Höcke oder Kubitschek als Rechtsextreme zu bezeichnen.

Uwe Tellkamp: Das Atelier

Edition Buchhaus Loschwitz, Dresden 2020

ISBN 9783982013183

17,00 Euro

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Bräunlich schimmernder Rauch

Es scheint schon etwas spät, sich mit dem Thema zu beschäftigen, doch durch eine aktuelle Buchveröffentlichung wieder aktuell (hab gerade Tellkamps „Atelier“ bestellt). Mehr als ein halbes Jahr ist es her, als Neo Rauch in „Die Zeit“ seine in Öl gemalte Karikatur Der Anbräuner veröffentlichen ließ als eine Replik auf den ebenda erschienenen Artikel des Leipziger Kunstwissenschaftlers Wolfgang Ullrich, in dem er auf die aktuelle Umformulierung des Autonomiebegriffs der Kunst durch rechtsgerichtete Künstler eingeht, dabei Rauch einbezieht.


Interessant ist zunächst, dass Ullrich nichts von Nazis, Faschisten oder Rechtsradikalen sagt, sondern einfach nur „rechts“. Für Rauch heißt das „braun“. Er, der sich in Farbenlehre auskennende Ästhet setzt bemerkenswerterweise rechts mit braun gleich, obwohl doch die AfD so gern blau sein möchte und so ungern hört, sie wäre faschistisch. Seltsamerweise haben viele AfD-Anhänger immer noch eine Scheu davor, auch nur als rechts zu gelten. Dabei steht doch als Motto auf Götz Kubitscheks Website der Sezession Den wahren, guten und schönen Rechten ein Tagebuch. Und auch Leute, die sich noch etwas intellektueller verorten als dieser immer wieder so genannte „Vordenker“, von dem man keinen einzigen eigenständigen Gedanken findet, könnten sich doch auf Botho Strauß´ Essay Anschwellender Bocksgesang von 1993 berufen, in welchem er die Selbstbezeichnung als Rechter rehabilitiert, was von dutzenden Kollegen von Michael Wolffsohn bis Eduard Beaucamp dankbar aufgenommen wurde. Warum schwafeln dann heute immer noch so viele Rechte von „konservativ“ und „patriotisch“, wollen aber keinesfalls als rechts bezeichnet werden? Strauß hat es doch nicht geschadet, er gehört immer noch zu den meistgespielten Bühnenautoren im Lande, was schon mal die Behauptung des „Meinungskorridores“ widerlegt.

Mit dem Bildtitel „Der Anbräuner“ bezieht sich Rauch ganz direkt auf Ernst Jünger, der diese Bezeichnung für seine Kritiker nach der Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt a.M. 1982 prägte. In seiner Dankesrede sagte er: Auch die Inquisition ist säkularisiert. Wie einst der konfessionellen, spürt sie heute der politischen Abweichung nach. Dem Zeitalter des Anstreichers ist das Zeitalter der Anbräuner gefolgt.

Jünger ist eine ambivalente Gestalt, nicht klar einzuordnen. Gerade das mag Rauch, den großen Andeuter, der nichts klar ausspricht, an ihm faszinieren. Dass Jünger aber kein Antifaschist war, ist klar. Sonst könnte er auch nicht ein Liebling der Neuen Rechten (sic!) sein. Mehr noch als sein kriegsverherrlichendes Stahlgewitter ist es Der Waldgang von 1951, der diese sich intellektuell gebenden Rechten fasziniert. Der Pegida-Pöbel ist vorläufig nützlich, der wahre, gute und schöne Rechte aber ist der einsame Elitäre, der bei seinen Waldgängen über den Dingen steht und das Fußvolk heimlich verachtet. Das muss ganz nach dem Geschmack Rauchs sein. Und dem Tellkamps.

Den hat Rauch in einem Interview als Wiedergänger Stauffenbergs bezeichnet. Mal davon abgesehen, dass Stauffenberg selbst ein Nazi war, der Schadensbegrenzung betreiben wollte, vergleicht Rauch also die heutige Bundesrepublik mit dem Naziregime. Bei aller Kritik an den nicht zu übersehenden Demokratiedefiziten hierzulande ist das voll daneben. Doch es gehört zu den Standardfloskeln heutiger Rechtsradikaler, die sich konservativ und patriotisch nennen, alle nicht mit ihnen Übereinstimmenden als linksgrün versifft zu bezeichnen, so politisch differenziert die in Wirklichkeit auch sein mögen. Also sind auch Merkel, Seehofer und Lindner totalitäre Linke.

Uwe Tellkamp ist eng mit der Loschwitzer Buchhändlerin Susanne Dagen verbandelt, sein neuer Essay erscheint gerade in deren Kleinverlag. Dagen wiederum hat enge Kontakte zu Kubitschek und dessen Gattin Ellen Kositza, diese dann zu den Identitären, zu Felix Menzels Blauer Narzisse etc. Ein Vordenker ist der Rechtsradikale Kubitschek bestimmt nicht, aber ein großer Strippenzieher. Tellkamp ist schon in seine „Mosaikrechten“ fest integriert. Und Rauch?

Sein jämmerlich schlechtes Anbräuner-Bild wurde bei einer Benefiz-Auktion im Herbst für eine dreiviertel Million Euro versteigert. So viel Geld kann Christoph Gröner aus der Portokasse zahlen Deutschlands derzeit wegen seiner Skrupellosigkeit meistgehasster Immobilienhai. Aber es ist ja für einen guten Zweck. Das Geld bekommt das Kinderhospiz Bärenherz. Kann man was dagegen sagen? Sich für todkranke Kinder einzusetzen ist eine sehr gut Sache. Doch ich habe auch schon mal ganz „freiwillig“ 200 Euro für Bärenherz gespendet auf Vorschlag einer Staatsanwältin, um einer Anklage wegen einer Anzeige eines verlogenen Polizisten zu entgehen, der sich von „Nazis raus“ persönlich angesprochen fühlte. Die Finanzierungspraxis dieses Hospizes ist mir unterdessen ziemlich suspekt.

So, falls denn Neo Rauch solch einen Blogartikel überhaupt zur Kenntnis nimmt, dürfte ich nun endgültig zu seinen Feinden gehören. Wer meint, solch ein weltberühmter Künstler stehe über der Kritik, irrt sich. Schon vor vielen Jahren drückte er in Bildern Gewaltfantasien gegenüber Kunstkritikern aus, wie Petra Kunzelmann in einem Essay darstellte. Da war er noch nicht ganz der Superstar wie heute, aber so eine Dünnhäutigkeit überrascht doch. Und da ging es nur um Ästhetik, nicht um Politik. Muss ich jetzt Angst haben? Wohl kaum. Ich laufe so selten allein im Wald herum, um dabei Rauch mit seinem gezückten Pilzsammlermesser zu begegnen.

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Die Ritter des Hufeisens

Vorwarnung: Der Text könnte Deja-vú-Effekte beeinhalten. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass ich darüber schrieb, wie mich die Apologetik politisch motivierter Gewalt ankotzt.

Am 12. Dezember wurde ein geleaktes Polizeivideo von den Krawallen linksextremer (sic! später mehr zum Begriff) Idioten veröffentlicht. Es wurde von rechtsradikelen Seiten geteit und tausendfach aufgerufen. Das zeigt aber schon, dass allein die Neonazis nicht nur von diesem Video, sondern von dem Vorgang an sich profitieren.

Kreuzer-Mitarbeiter Aiko Kempen macht in seinem Online-Artikel für das Journal kein Hehl daraus, dass er das nicht so toll findet. Dann gibt es aber einen Kollegen, den stellvertretenden Chefredakteur des Kreuzer Tobias Prüwer, der dazu eine grundsätzlich andere Meinung hat. Das es in Medien divergierende Meinungen gibt, ist eigentlich normal und gut. Problematisch für mich ist allerdings, dass Prüwer nicht zum ersten Mal politisch motivierte Gewalt rechtfertigt. Schon vor etlichen Wochen bekam ich von Prüwer die Antwort „Zurück ins Bällebad“, weil er meinte, es sei nicht genug, Neonazis verbal auf die Nerven zu gehen. Da gehöre mehr dazu. Was denn genau?

Aiko Kempen, der unter anderem für den Kreuzer schreibt, auch für Vice, hat mit dem Veröffentlicher „Frederic“ kommuniziert und dessen Haltung veröffentlicht: „Wir wollen kein differenziertes Bild, wir wollen kräftig nachlegen.“ Klare Worte.

Kempen macht kein Hehl daraus, dass er das nicht so toll findet. Dann gibt es aber einen Kollegen, den stellvertretenden Chefredakteur des Kreuzer Tobias Prüwer, der dazu eine grundsätzlich andere Meinung hat. Das es in Medien divergierende Meinungen gibt, ist eigentlich normal und gut. Problematisch für mich ist allerdings, dass Prüwer nicht zum ersten Mal politisch motivierte Gewalt rechtfertigt. Schon vor etlichen Wochen bekam ich von Prüwer die Antwort „Zurück ins Bällebad“, weil er meinte, es sei nicht genug, Neonazis verbal auf die Nerven zu gehen. Da gehöre mehr dazu. Was denn genau?

Als ich nun auf den Tweed Kempens nochmal an den bescheuerten Angriff auf die neue Konsum-Kaufhalle im Westwerk erinnerte, meldete sich eine gewisse Slowburn13 zu Wort. Im Wechsel der Tweets meinte sie zunächst, dass Gewalt gegen Bullen doch gerechtfertigt sei (auch ohne konkreten Anlass). Und dann schrieb sie: „Wenn’s Mal ne Konsumbude erwischt habe ich auch kein Problem damit. Linke Aktionsformen sind nunmal vielfältig und natürlich geht es nicht immer gegen Nazis, sondern auch Mal gegen Kapitalismus und die Entwicklung dadurch oder eben auch Staatsgewalt da diese häufig ebenso politisch rechts gefärbt ist.“ So, im Klartext: Es ist völlig korrekt, sowohl Geschäfte (auch wenn diese genossenschaftlich organisiert sind) wie auch staatliche Einrichtungen permanent anzugreifen. Ist ja in Leipzig auch vor Kurzem mit dem Brandanschlag auf ein Finanzamt passiert. Alles legitim. Findet Tobias Prüwer, denn er hat diesen Tweet der anonymen Aktivistin gelikt. Das rechtfertigt den Bürgerkrieg, so wie ihn sich auch Kubitschek und Co. von rechter Seite herbeireden.

Zur gleichen Zeit twittert Jule Nagel, Stadträtin der Linken, dass man eigentlich die Polizei auflösen solle. Ist das eigentlich verfassungskonform? Da ich sie in meinen Tweeds auch erwähnt habe, reagiert sie gewohnt pampig. Ich habe eben kein Verständnis für Komplexität. Klar Frau Nagel, ich habe vor 31 Jahren ein Diplom in Politikwissenschaft gemacht, bin aber zu blöd, Ihre Gewaltapologetik zu begreifen.

So, nun kriege ich das Hufeisen an den Kopf. Wenn ich sage, dass diese Autonomen so dämlich sind wie Dorfnazis, hat diese Slowburn13 gleich ein Bildchen mit einem Hufeisen zur Hand und Tobias Prüwer stimmt ein. Ich habe nie was von Eckhard Jesse gelesen, der allgemein mit der Hufeisentheorie in Verbindung gebracht wird, nach der sich linke und rechte Ränder des politischen Spektrums annähern. Dass Jesse wie auch Patzelt, der auch dieser Theorie anhängt, rechtslastig sind, weiß ich. Dennoch bleibe ich dabei, dass die sich als Linke bezeichnenden Kriminellen eine Gefahr sind. Ich bezeichne diese als Extremisten, nicht als Radikale. Im Wort radikal steckt Radix drin, die Wurzel. Linksradikal ist es, den Kapitalismus in Frage zu stellen. Da macht man aber nicht durch das Einwerfen von Schaufenstern. Das tun nur besoffene Vollidioten, Extremisten und Krawalltouristen.

Prüwer wie auch Nagel verteidigen diese aber mit dem simplen Verweis auf ein Hufeisen. Wie primitiv. Diese Steinewerfer sind einfach nur dumm. Die pseudointellektuellen Verteidiger aber sind gefährlich. Gegen den Hufeisen-Vorwurf gibt es kein Gegenargument. „Done – und aus.“ schreibt Prüwer. Der Pascha hat gesprochen. Nee, ist nicht aus. Ich bleibe dabei, dass die Steinewerfer und Brandstfer genauso dämlich sind wie Nazis. Diese Slowburn13 kommt dann eben auch noch mit dem „Argument“, ich benutze AFD-Sprech. Alles klar.

Ich habe hier schon einmal gesagt, dass ich mich wegen solcher gewaltverliebter Revoluzzer nicht mehr als Linken bezeichnen möchte. Mit den über die Deutungshoheit verfügenden Superlinken Prüwer, Nagel und Slowburn13 möchte ich auf keinen Fall in einen Topf geworfen werden. Diese sind aktive Sterbehelfer einer Idee linker Poltik, die ohnehin gegenwärtig keine Hochkonjunktur hat. Sie sind aktive Unterstützer der extremen Rechten, denen sie die Argumente frei Haus liefern. Macht euren Scheiß allein, ich bin raus. Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg.

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Westbesuch

Das genaue Datum weiß ich nicht mehr. Aber es muss so Mitte Dezember 1989 gewesen sein, also vor mehr oder weniger genau 30 Jahren, als ich zum ersten Mal im „Westen“ war. Die Mauer war am 9. November nicht gefallen, aber porös geworden. Am nächsten Tag hatte meine Mutter Geburtstag. In Ermangelung eines Telefons ging ich wie üblich zur Post, um ein Glückwunschtelegramm aufzugeben. Aber ich kam gar nicht in die Poststelle in der Karl-Marx-Städter Straße der Nationen hinein, da schrecklich viele Leute ihren Westverwandten und -bekannten den überfallartigen Besuch ankündigten. Ich nahm mir noch einen Monat Zeit für die Reise. Irgend welche Leute kannte ich da sowieso nicht.

Dann eben an einem trübnassen Dezembertag nach Ostberlin, zu Fuß über Checkpoint Charlie – wenn schon denn schon – zum Rathaus Schöneberg, um die hundert Mark „Begrüßungsgeld“ abzuholen. Im Warteraum lag diverses Werbematerial aus, darunter eine gar nicht dünne Broschüre zu Neubauten der achtziger Jahre in Westberlin, die heute noch im Regal steht. Ich hatte meine Dissertation zur Chemnitzer Architekturgeschichte gerade begonnen, zum ersten Mal etwas von Postmoderne gehört, machte mich dann im kalten Nieselregen auf den Weg, um einige der Bauten zu besichtigen. Nach dem Einheitsgrau der ostdeutschen Vulgärmoderne kam mir manches davon wie eine Erleuchtung vor. Heute seh ich vieles anders an.

Butterbrote hatte ich mir mitgebracht, um kein Westgeld für Essen zu verschwenden. In einem Zeitungsladen brachte ich viel Zeit mit Lesen zu, habe zur Verärgerung des Verkäufers aber nichts erworben. Doch dann das eigentliche Ziel meines Besuches. In einem winzigen Laden erwarb ich einen Walkman, meine Oma hatte mir noch einige D-Mark zugeschoben. Vermutlich war das Ding überteuert, aber wie häte ich das vergleichen sollen?

Und dann noch: 1 Dose Büchsenbier. Auf der Rückfahrt im Zug nach Karl-Marx-Stadt wollte ich die Dose Becks (glaub ich jedenfalls mich zu erinnern), dann genießen. Das Achterabteil mit Schiebetür war voll besetzt. Ich hatte noch nie zuvor eine Getränkedose benutzt. Es war so ein Typ von Verschluss, den es wohl heute gar nicht mehr gibt, da musste man die Lasche ganz abziehen, um ein Loch zum Trinken zu bekommen. Natürlich brach ich den Nippel gleich ab. Die Mitfahrenden guckten skeptisch, was ich denn da tue. Ich ging in den Gang, um mit dem Wohnungsschlüssel die Öffnung durchzustoßen. Die Dose trank ich dann auch gleich da aus, um mit glücklichem Gesicht ins Abteil zurückzukehren.

Gegen Mitternacht war ich „zu Hause“, also im Mitarbeiterinternat der Technischen Universität, wo ich mir ein Zimmer mit einem Physiker teilte. Endlich eine am Radio mitgeschnittene Mixtape-Kassete in den Walkman einlegen, Kopfhörer einstecken und das Gerausche genießen. Besser als eine Dose Becks oder so. Mein erster Westbesuch. Nicht durchweg gelungen, aber durchaus interessant.

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PC? Fickt euch!

An einem Tag habe ich gleich zweikommafünf Lektionen in Sachen political correctness aka PC erhalten. Eine Ayša, bzw. migrantifa, twittert:

Woher sie die Macht nimmt, etwas ein für allemal klarstellen zu wollen, ist mir schon mal rätselhaft. Aber ich habe dann in einem Kommentar geschrieben, dass es durchaus Sprachvorschriften gibt, unter anderem in vielen Hochschulen oder auch bei Antragsverfahren der EU. Die am meiste gelikte Antwort dazu war:

Genau so liebe ich den zielorientierten Diskurs. Exakt das ist PC in Reinkultur: aggressiv und diktatorisch. Darum nehme ich mir die Freiheit, dieser jungen, offenbar nichtweißen Frau zu sagen: Halt doch selbst das Maul, wenn du keine Argumente hast.

Apropos nicht weiß. Am gleichen Tag beschwerte sich auf Twitter (find es nicht mehr) eine andere Frau, welche (wie soll ich es eigentlich ausdrücken?) ähhh … nicht so blass ist wie ich, dass sie es hasst, als POC bezeichnet zu werden. Sie möchte lieber Schwarze genannt werden. Was denn nun? Gerade noch war POC der state of art, nun also doch nicht. Die PC-Fans jagen jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf. Um da in kein Fettnäpfchen zu treten, müsste man sich pausenlos weiterbilden. Könnte aber sein, dass bei den Seminaren sich verschiedene Dozent*_Innen untereinander in die Wolle kriegen, was denn korrekt sei.

Ja, dann gab es eben wenig später noch ein Ereignis auf Twitter. Ein Sebastian Weiermann verlinkte auf einen Artikel von Jutta Ditfurth zur Extinction Rebellion. Ich schrieb, dass ich das nicht lesen kann, weil Frau Ditfurth alle blockt, die auch nur leise Fragen zur Politik der israelischen Regierung haben. Die Reaktion:

Ja, so geht Diskurs. Zurückfragen konnte ich nicht, er hatte es schon wahr gemacht. Wahrscheinlich bezeichnet sich dieser Weiermann wie Dithfurth als links. Ist er nicht, ist sie nicht. Er ist wie sie Anhänger einer ultranationalistischen, imperialistischen, straff rechten Regierung, deren Hauptunterstützer Trump ist.

Das sollen Linke sein? Es sind Leute, die alles dafür tun, Diskussionen totzuschlagen, um ihre fanatische Meinung durchzusetzen. An alle PC-Freunde: Fickt euch! Ihr seid nicht links, nicht demokratisch, sondern autoritär.

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