Schicks Sortierkasten

Ja, es gibt Alltagsrassimus auch gegen Leute, denen man die undeutsche Herkunft gar nicht ansieht. Das kenne ich aus meinem persönlichen Umfeld. Aber es gibt auch Rassismus von Menschen, die selbst betroffen sind und deshalb zurückschlagen. Undifferenziert, um jeden Preis. Vor allem der Aufmerksamkeit wegen. Die Autorin Sibel Schick gehört dazu.

Vor Kurzem fand sie es in Ordnung, dass in Berlin-Neukölln sogenannte Linksradikale an einem Abend etliche Schaufenster einschlugen, viele davon von Ladenbesitzern migrantischer Herkunft. Aber wohl überwiegend Türken. Keine Kurden, so wie sie. Das ist dann ok.

Vor wenigen Tagen regte sie sich über Äußerung von Friedrich Merz auf. Das kann ich voll verstehen. Ich habe für diesen neoliberalen Zocker mit politischen Ambitionen null Sympathie. Frau Schick aber argumentiert nicht, sondern schreibt „Warum sind weiße cis Männer so ekelhaft einfach“ Falls irgendwer noch nicht weiß, was ein cis Mann ist: das sind alle, bei denen nach der Geburt das biologische Geschlecht männlich festgestellt wurde, und die später nie das Bedürfnis hatten, diesen Befund zu ändern. Also Schweine von Geburt an, die an ihrem Schweinsein nie was ändern wollten. Das ist meinerseits nur eine Metapher, eigentlich eine Beleidigung für das intelligente Tier namens Schwein.

So, Männer aber sind generell irgendwas Eckliges, Fieses, Unterwerfendes. Vielleicht nicht alle Männer. Aber weiße, heterosexuelle, monogame Männer auf jeden Fall, Almans ganz besonders.

Manche dieser Eigenschaften könnten die „Betroffenen“ zwar ändern. Die Hautfarbe á la Michael Jackson umfärben, sich zur Frau umoperieren lassen um dann schwul zu werden. Die Vorstellung ist eine perfekte Vorlage für einen dystopischen Film. Ich habe schon mehrfach auf Twitter und Facebook die Frage gestellt, was so schlimm daran ist, cis-Mann zu sein und daran nichts ändern zu wollen. Keine Antwort.

Ich möchte auf keinen Fall mit einem Friedrich Merz in einen Topf geworfen werden nur wegen angeborener biologischer Merkmale. Auch nicht mit Olaf Scholz. Um den ging es vorige Woche. Özge Şımözge, eine andere sehr twitteraffine Migrantin, schrieb: „olaf scholz ist ein hundesohn und jeder der ihn verteidigt sollte mit sehr entschlossenem widerspruch rechnen“ Jenny Blaudszun, hatte geantwortet, dass Scholz im Unterschied zu Şımözge immerhin schon einiges geleistet habe. Blaudszun, eine 19jährige Nachwuchshoffnung der SPD, muss wohl noch an ihren Ellenbogen feilen, will sie wirklich in die Politik einsteigen. Denn sie löschte nach Gegenwind erst einmal ihren Account. Şımözge hingegen zog ihren beleidigenden Tweed zurück und entschuldigte sich. Das gefiel nun Sibel Schick nicht, die auch angefangen hatte, auf Blaudszun, „einer blonden SPDlerin“, rumzuhacken, welche Şımözge angeblich rassistisch angegangen habe, da sie Migrantin sei. Reaktion auf Şımözges Distanzierung vom eigenen Tweed: Schick blockt Şımözge in ihrem Account. So geht Diskurs.

Es gibt den Begriff der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, es gibt den Begriff des Strukturellen Rassismus. Beide haben gemein, dass Menschen wegen äußerer, häufig unabänderbarer Merkmale, in Gruppen eingeteilt und ihnen abwertende Merkmale zugeschrieben werden. Für Sophie Passmann sind es „alte, weiße Männer“, für Sibel Schick cis Männer. Haben diese auch noch keinerlei migrantische Vorfahren, ist es um so schlimmer, da kann man gar nichts Positives an ihnen finden. Da wo Solidarität und die Suche nach gemeinsamen Nennern nötig wäre in einer Welt, in der Rechtsradikale erstarken, sortiert Schick säuberlich nach biologistischen Merkmalen und entsolidarisiert. Schon die US-Vizepräsidentschafts-Kandidatin Kamala Hassis ist ihr nicht sauber genug, da sie sich angeblich nicht hocharbeiten musste. Und auch „Kanax“ mit einem weißen Elternteil gelten als privilegiert.

Aber auch ein Mann wie der Österreicher Robert Wagner, der sich intensiv gegen Rechtsradikale engagiert und deshalb von Rainer Meyer – der sich als Sudel-Ede der „Welt“ Don Alphonso nennt – heftig attackiert wurde, zählt nicht. Für Sibel Schick greift Meyer ausschließlich Frauen an. Pech gehabt, Herr Wagner, falsches Geschlecht, falsche Hautfarbe und Alman, wie Schick gern die Nicht-Kanax nennt. Da hilft auch kein Engagement gegen Nazis. Weiße Cis Männer sind trotzdem Schweine.

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