Kurzgeschichte

Heute konnte ich in Dresden sehn, wohin der Spar-Wahn bei der Kultur führt. Die Dresdner Stadtbibliothek musste schon drastisch reduziert werden.

Stadtbibliothek nach Mittelkürzungen.

Stadtbibliothek nach Mittelkürzungen.

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Tendenziell unbefriedigend

Gestern nachmittag standen nach einem Kolloqium zur Kulturentwicklungsplanung noch paar Leute vor dem Chemnitzer Weltecho und diskutierten, wie man dieser Stadt denn helfen kann und ob ihr zu helfen ist. Gerade heute habe ich nun zwei Dokumente lesen müssen, die in dieser Beziehung nicht sonderlich optimistisch stimmen.

Das eine ist der jährliche Vergleich von Mieten für Wohnungen und Gewerbe in den Städten Sachsens und Sachsen-Anhalts. Da hat Chemnitz fast durchweg die niedrigsten Werte, zumindest unter den Großstädten. Das ist gut für die Einwohner, aber eigentlich nur, wenn man was draus macht. Zum Beispiel, Kreativen von anderswo für ein Jahr mietfrei Wohnung und Atelier zur Verfügung stellen. Ansonsten ist es vor allem ein Indiz für mangelnde Anziehungskraft der Stadt.

Untermauert wird das noch deutlicher durch das frisch erschienene Ranking des HWWI der dreißig größten deutschen Städte bezüglich ihrer Zukunftsfähigkeit, wo Chemnitz einen unangefochtenen 30. Platz belegt. Im Unterschied zu formal ähnlich aussehenden Vergleichen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, wo es im Geiste des Neoliberalismus vor allem auf niedrigste Lohnkosten ankommt und Chemnitz deshalb regelmäßig gelobt wird, werden hier recht ausgewogen Kriterien abgewogen, darunter zum Ärger der Sarrazin-Jünger auch die Rate von Ausländern als positiv zu bewertenden Fakt.

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Archiv in Gefahr

Das Berliner Archiv der Jugendkulturen ist aus finanziellen Gründen (was sonst) in der Existenz gefährdet. Um diese einzigartige Einrichtung zu retten, werden eifrig Spenden gesammelt. Es hilft aber auch, hauseigene Publikationen zu erwerben, die ich wärmstens empfehlen kann.

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Zitat des Tages

Gleichzeitig hält derzeit Tommy Naumann eine Ansprache vor fünf rechten Kameraden am Leipziger Hauptbahnhof.

Die Leipziger Internetzeitung in den Berichten über die Nazi-Kundgebung in Leipzig.

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Es grünt so grün …

… wenn dutzende Polizeiautos vor meinem Fenster in der Leplaystraße parken (solche, die noch nicht im neuen Meerblau umgespritzt worden sind). Das ist gerade der Fall, obwohl doch erst morgen die Nazis marschieren wollen. Bei Leipzig nimmt Platz lese ich , dass das Verwaltungsgericht die Verbote der Stadt für die Demos bestätigt hat. Das kommt ja ausgesprochen selten vor. Sicher ist dafür keine frisch erwachte Sympathie der Richter für Antifas der Grund, sondern eher Sorge um einen reibungslosen Ablauf des Opernballs. Sollte das Verbot Bestand haben, könnte es also zu Spontandemos der Nasen kommen, darum vielleicht der vorfristige Auflauf der Grün-Blauen.

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Relationen

Im Fernsehn wird auf verschiedenen Kanälen seit der Nacht live über die Rettung der Minenarbeiter in Chile berichtet. Wäre da ein naher Angehöriger von mir dabei, wäre es selbstverständlich auch für mich das Ereignis, um dass die Welt sich gerade dreht. Andererseits ist der Busunfall mit mindestens 42 Toten in Dnepropetrowsk, einem anderen Revier dieser Welt, wo Bergleute unter beschissensten Bedingungen arbeiten müssen, nur eine Meldung auf der letzten Seite der LVZ wert. Und wenn in China oder Pakistan paar Tausend Leute bei einer Katastrophe umkommen, ist das kaum noch eine Randnotiz.

Vor einigen Jahren sah ich eine Repotage über einen Trauermarsch, den einige Leute in Schottland (glaub ich) für die 25 Tausend Opfer des 11. September 2001 veranstalteten – die 3000 Toten in den Twin Towers von New York und die 22000 Menschen, die jeden Tag an Unterernährung und fehlendem sauberen Wasser sterben. Aber das sind keine mediengerechten Gesichter, die vor laufender Kamera leiden oder sich im richtigen Moment freuen. Wer würde denn live zuschauen, wenn in Somalia 33 Kinder von einem Hilfstrupp vor dem Verhungern gerettet werden?

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Offen für alles

Auf vielfachen Wunsch (mindestens zwei Leute haben danach gefragt), stelle ich hier nun das Manuskript meines Vortrages „Vom Offenen Prinzip zur prinzipiellen Offenheit“, den ich am vorigen Donnerstag für die Marianne-Brandt-Gesellschaft gehalten habe, als PDF zur Verfügung.

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Alles (zer)fließt

Nach Das Hemd hat der schweizer Ammann Verlag ein weiteres Buch von Jewgenij Grischkowez herausgebracht. Flüsse wird als Erzählung bezeichnet, hat aber keine Handlung. Vielmehr ist es ein langes und ziemlich ungeordnetes Sinnieren eines angeblich anonymen Autors über seine Herkunft. Diese liegt in Sibirien. Aber nicht tief in der Taiga, sondern in einer großen Industriestadt. Auch wenn Grischkowez keinen Namen nennt, kann man darin Kemerowo erkennen, die Gebietshauptstadt des rohstoffreichen Kusnezbeckens, wo der heute in Kaliningrad lebende Schriftsteller tatsächlich herstammt.

Der Erzähler versucht, die Spezifik dieses riesigen Territoriums, welches aber recht arm an Höhepunkten ist, mental zu erfassen und schafft es nicht so richtig. Er leidet daran, dass dieses nördliche Asien faktisch keine Geschichte hat. Die Städte sind jung, historische Burgen oder Orte großer Ereignisse fehlen ganz.

Der Text könnte eine interessante Studie für die im Zuge des „spatial turn“ gerade beliebt werdende Soziologie des Raumes sein, auch wenn jede wissenschaftliche Genauigkeit fehlt. Der namenlose Stadtmensch scheitert in den eingeflochtenen Anekdoten seiner Kindheit und Jugend immer wieder, sich die unermessliche Natur Sibiriens anzueignen. Schließlich flieht er auch in den europäischen Teil Russlands: Und was änderte das? In Sibirien ganz bestimmt nichts! Und bei mir? Ich benahm mich genauso wie ein starker Trinker, der mit dem Trinken aufgehört hat, der früher eben getrunken hat, eigentlich mit nichts anderem beschäftigt war und mit dem Trinken all seine Kraft, seinen Verstand und seine Gesundheit verausgabt hat. Und jetzt trinkt er nicht mehr und ist damit beschäftigt, daß er nicht trinkt, das heißt, er verausgabt all seine Kräfte, seinen Verstand und seine Gesundheit damit, nicht zu trinken … Genau damit ist er beschäftigt – er trinkt nicht.

Somit ist der Rückblick überhaupt nicht nostalgisch und Grischkowez scheint sich immer wieder darüber zu wundern, dass er seiner sogenannten Heimat so wenig warme Emotionen entgegen bringen kann. Und trotzdem kann er sie eben nicht ganz hinter lassen und arbeitet sich in diesem auf unaufdringliche Weise psychologisierendem Buch daran ab.

Jewgenij Grischkowez

Flüsse

Zürich: Ammann 2010

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Freiheit, Gleichheit, Schweineschnitzel

In einer Pressemitteilung des AJZ Chemnitz für eine heute stattfindende Diskussionsveranstaltung über Menschenrechte mit Martin Dornis bin ich über den Satz gestolpert: Heute wollen die Menschenrechtler dem einzig legitimen Staat der Welt an den Kragen, womit sie den inhumanen Kern ausplaudern, der den Menschenrechte seit je innewohnte. Herr Dornis sagt nicht, welchen Staat er meint. Der ohnehin nicht existente palästinensische ist es vermutlich nicht. Früher war es unter Linken mal üblich davon auszugehen, dass beispielsweise ein israelischer Fabrikarbeiter und ein arabischer Apfelsinenpflücker mehr gemeinsam haben als ihre jeweiligen Ausbeuter. Das ist offenbar lange vorbei. Nationale Identität (was immer das auch sein mag) ist wichtiger als die soziale Situation. Der Vorteil für mich, nicht zu dieser Art von Linken zu gehören, ist, dass ich mir heute zu Mittag ohne schlechtes Gewissen ein Schweineschnitzel braten darf.

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Das Kunstwerk im Zeitalter seiner unzureichenden Reproduzierbarkeit

Heute geht das Leipziger Fotofestival F-Stop zu Ende. Da es diesmal wieder auf mehrere Standorte verteilt wurde, brauchte ich die ganze Woche (mit Pausen) zum Ansehen. Eigentlich fand ich die vorjährige Konzentration auf ein Haus besser, aber zumindest das Erlebnis, die oberste Etage des Ringmessehauses sehen zu können, war die Wanderei wert.

Um nun auch zu Hause einige der wirklich sehr interessanten Fotoarbeiten nochmals rezipieren zu können habe ich mir die beiden Kataloge 2009 und 2010 im günstigen Bündel erworben. Der Blick in diese Druckwerke war dann allerdings die blanke Ernüchterung. Was an den gar nicht so hübschen Fabrikwänden ganz stark aussieht, wird hier auf dem makellosen Papier zum düsteren Fleck. Das liegt nicht nur am bescheidenen Format der Publikationen. Offenbar haben Kunstwerke im Original entgegen Benjamins Befürchtungen immer noch etwas von der berühmten Aura bewahren können. Das gilt auch für künstlerische Fotografie, obwohl diese heute überwiegend schon die Datei als natürliche Lebensform hat und gar nicht mehr reproduziert werden muss. Der Rahmen macht den Unterschied (womit ich nicht diese Holzgestelle meine).

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