Auf der Suche nach einem Buch fielen mir vor Kurzem mehrere Bände über Grafidesign in den 1990er Jahren in die Hände: Neville Brody, David Carson, Why not? Beim Blättern kommen nostalgische Gefühle auf. Diese fröhliche Anarchie. Dieses postmoderne „Anything goes“, das sich in der Architektur zu dieser Zeit schon überlebt hatte. Die Möglichkeiten früher Bildbearbeitungs-, Grafik- und Satzprogramme wurden bis an die Grenzen getrieben. Gesetze von Gestaltung und Typografie galten nicht mehr, bis hin zur Unlesbarkeit.
Von der Zeitschrift „Lowdown“ habe ich etliche Exemplare trotz prekärer finanzieller Situation gekauft und immer noch im Regal stehen, obwohl mich die Kernthemen Hip Hop und Skaten gar nicht interessieren. Allein die Frechheit des Layouts hat mich fasziniert.
Als am 24. Februar Russland brutal die Ukraine überfiel, gab es eine sehr breite Solidarität in der deutschen Bevölkerung. Nicht ganz flächendeckend. Neonazi Martin Kohlmann, Chef der „Freien Sachsen“ begrüßte die Aggression in der Hoffnung, Putin möge später bei der ihm angestrebten Abspaltung Sachsens von der Bundesrepublik und Europa helfen. Und genauso durchgeknallte Linksextreme (ich will jetzt nichts von Hufeisen hören) wie Wagenknecht oder Dagdelen spielten bereitwillig die Rolle der Putintrolle.
Ich muss zwei eigene Irrtümer
eingestehen. Bis zum 23. Februar glaubte auch ich, dass Putin zwar
den Donbass annektieren wird, aber habe es nicht für möglich
gehalten, dass er ohne auch nur einen Anlass zu konstruieren, das
ganze Land von drei Seiten überfällt. Der zweite Irrtum (da bin ich
aber mit vielen „Experten“ im gleichen Boot) war, dass er es nach
dieser Brutalität schaffen könnte, die Ukraine schnell zu
überrollen und einen Marionettenstaat zu konstruieren.
Das ist nicht passiert. Seine Strategie
ist gescheitert. Daran mögen interne Fehler und Irrtümer mit schuld
sein. Vor allem aber liegt es aber am energischen Widerstand nicht
nur der ukrainischen Armee, sondern einer großen Mehrheit der
Bevölkerung, sogar der russischstämmigen.
Seit mindestens 15 Jahren habe ich eine CD namens Russensoul. Die mochte ich mal. Habe vor kurzem reingehört, und kann jetzt das fröhliche Geträller nicht ertragen. Mit einer Ausnahme. Der erste Song auf der CD „Ja Soldat“ (Ich bin Soldat). Der ist allerdings von einer ukrainischen Band namens 5Nizza (also Freitag) und in seinem Sarkasmus so weitsichtig. „Ich bin ein Held, sagt mir aus welchem Roman …“
Bischen seltsam ist es schon, dass ich ausgerechnet jetzt, während des brutalen Angriffs- und Vernichtungskrieges gegen die Ukraine plötzlich interessante russische Brands jenseits des Russensoul entdecke. Es fing an mit Shortparis aus St. Petersburg. Deren Song „Apfelgarten“, den sie gemeinsam mit einem Veteranenchor singen, hat es sogar schon in die Kulturzeit von 3Sat geschafft. Starke Musik, großartiges Video. Ich habe auch andere Songs der Band gehört. Auch gut, aber dieser ist so aktuell.
Weiter ging es mit EY3SPEAK, auf die durch einen Artikel in Die Zeit aufmerksam wurde. Eigentlich Gruftimusik, sehr düster. Aber auch politisch. „Dead but Pretty“ ist der aktuelle Song. Das Duo soll in der Provinz untergetaucht sein.
Seit Wochen ist der angebliche Ukraine-Konflikt (worin besteht der eigentlich?) Hauptthema der Außenpolitik und zweitwichtigstes Thema der Medien nach Corona, knapp vor Olympia, Fußball und Diätratgebern.
Wir sind wieder nach Berlin gefahren. Um den dritten Geburtstag der Enkelin zu feiern. Nachdem sie ins Bett gebracht wurde, kam es eben zur Diskussion mit differenzierten Haltungen. Meine Frau ist Russin, bezeichnet Putin klar als Diktator, hat aber zur Ukraine eine etwas andere Haltung als ich. Die Tochter hat dort direkte Verwandschaft, macht sich große Sorgen. Nicht nur um diese Leute, auch um ihre kleine Tochter. Sie denkt darüber nach – angesichts Bidens Getöse von einem neuen Weltkrieg – wohin man denn schnellstmöglich ein Flugticket buchen könnte.
Gestern kam es zur familieninternen Diskussion, warum es denn keine Großdemonstrationen gegen den drohenden Krieg gibt. Wir sind doch vor fast genau 19 Jahren extra nach Berlin gefahren, um mit mindestens einer halben Millionen Menschen gegen den Einmarsch in den Irak zu demonstrieren. Der konnte zwar nicht verhindert werden, aber zuminderst die nicht direkte Beteiligung Deutschlands könnte man als Erfolg werten. Warum gehen wir heute nicht auf die Straße?
Es ist einige Jahre her, als ich von
der LVZ gebeten wurde, eine Ausstellung zweier jüdischer Künstler
im Archiv Massiv der Spinnerei Leipzig zu rezensieren, die im Rahmen
der Tage jüdischer Kultur stattfand. Ich bin hingefahren und fand
die Bilder sehr banal, eigentlich keiner Besprechung wert. Den
Artikel habe ich trotzdem geschrieben, dabei vorsichtig versucht,
mein Unbehagen auszudrücken. Am nächsten Tag klingelte das Telefon.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde ruft an. Was tun? Auflegen
und mich tot stellen? Hab ich nicht getan. Er sagte sinngemäß (habe
keine Aufzeichnung): „Ich finde es gut, dass Sie die Ausstellung
kritisieren. Man muss nicht alles toll finden, nur weil es als
jüdisch bezeichnet wird.“ Noch mal gut gegangen. Aber der Fakt,
dass ich darüber nachdenken muss, ob ich Künstler kritisieren darf,
die als Juden bezeichnet werden, zeigt doch, dass in der ganzen
Debatte um den Antisemitismus einiges schief läuft.
In einem Artikel für Die Zeit vom 27.
Januar bezeichnet Eva Menasse die Antisemitismus-Jagd als Religion.
Das empfinde ich auch so. Ein Glaubenskrieg, unempfänglich für
Argumente. Das hat etwas von Exorzismus an sich. Das reiht sich ein
in die Politik der Links-Identitären, ist darin aber ein Sonderfall.
Ende September war ich bei Clauss
Dietel (an den reaktivierten anderen Vornamen habe ich mich nie so
richtig gewöhnen können). Es war freundliches Wetter. Zuerst saßen
wir im Garten, Maria, seine so freundliche Frau, kam dazu. Dann zogen
wir ins Atelier um. Tee und Kekse gehörten zum üblichen Angebot für
Gäste. Schon seit Mai, als ich den Job bei der Freien Presse in
Chemnitz angetreten hatte, wollte ich ihn besuchen. Das endliche
Treffen war schließlich auch aus einem beruflichen Anlass erwachsen.
Ich bat ihn um ein persönliches Statement zu 50 Jahre Marx-Monument,
was er auf seine eigenwillige Art dann auch machte. Er erzählte mir,
dass er wegen seines chronischen Asthmas gerade drei Wochen auf einer
Nordseeinsel war und sich da gelangweilt habe. Einen kranken Eindruck
machte er aber nicht.
Anfang Dezember rief er mich an. Nichts Dringendes. Er wollte mit mir über einige meiner Artikel sprechen. Ich stand aber gerade im Bahnhof, der Zug nach Leipzig fuhr ein. Er versprach, in den nächsten Tagen noch mal anzurufen. Er hat es nicht gemacht. Ich habe nicht zurück gerufen. Schade. Jetzt ist es zu spät.
Mit der Umbettung von Max Klingers berühmter Beethoven-Skulptur setzt der neue MdbK-Direktor Weppelmann einen ersten Akzent.
Nein, er steht nicht. Den grimmigen Gesichtsausdruck und die geballten Fäuste hat er aber mit den muskulösen Herren vor dem Berghain oder anderen Clubs gemein. Max Klingers Beethoven von 1902 gehört zu den bekanntesten Exponaten des Museums für bildende Künste Leipzig. Seit Kurzem hat die Skulptur einen neuen Standort in der Eingangshalle, wo die Besucher nach Bewältigung der übergroßen Türen dem Kassenraum zustreben. Jahrelang stand hier der Maskenmann Wolfgang Mattheuers, zeitweilig auch ein Flüchtlingsauto Manaf Halbounis.
Nun also Beethoven, eine Preziose des
Museums. Als 2004 der vom Berliner Büro Hufnagel Pütz Rafaelian
entworfene, nicht ganz einfach zu bespielende Neubau des Museums
bezogen wurde, war für Klinger ein besonderer Raum eingerichtet
worden mit erhöhter Deckenlast, weil der Beethoven mit seinen
reichlich sechs Tonnen ein schwerer Brocken ist. Im vorigen Jahr
konnte man ihn dort noch in der großen Hommage an das Leipziger
Multitalent Klinger sehen, bevor er nach Bonn zur Fortsetzung der
Ausstellung ausgeliehen wurde. Die Demontage und Montage der acht
Teile aus verschiedenen Materialien ist immer eine logistische
Meisterleistung. Nach der Rückkehr aus Beethovens Geburtsstadt
musste er zumindest nicht mehr Fahrstuhl fahren.
Autor: Tom Riedel (IP-Adresse: 2a02:ec0:209:10::4, exit-1.fr.tor.aquaray.com)
E-Mail: tomcdriedel@yahoo.com
URL:
Kommentar:
Ein gesunder Mann pflegte früher in bezug auf alles Zeckengeschmeiß
von Linken und Grünen zu sagen:“Die hübschen Weiber in den Puff,
die häßlichen ans Fließband. Und die Kerle in den Steinbruch”.
Dann hätte ihre halbtierische Existenz wenigstens einen Sinn.
Diese paradiesischen Zustände könnten erreicht werden, wenn man es
schaffen würde, den Länderfinanzausgleich und den “Soli” ersatzlos
zu kippen. Gleichzeitig müssten alle unrechtmäßig verbrannten Bezüge
aus dem “Soli” (in Berlin sind das satte 100%) zurückgeführt werden,
d.h., Berlin erhält ein Jahrzehnt NICHTS aus dem Bundeshaushalt.
Dann brächen in Bremen und Berlin die Systeme zusammen, die bisher in
einzigartiger, jeden kriminellen “Clan” übertreffender Art und Weise
auf Kosten arbeitender Menschen gelebt haben. Zwei Wochen absoluter
“Blackout” in Berlin würde die Situation insgesamt noch verbessern.
Mal sehen, wer nach dieser Roßkur noch SED oder grün wählen würde.
Die Islamisierung mit der einhergehenden Vergottung der Nichtgermanen
ist viel älter, als man glauben mag. Vor etwa 10 Jahren gab es einen
Zeitungsbericht über eine Stadt im Landkreis Hannover zu den 1-Euro-Jobs.
Da hieß es, man würde nur noch Deutsche verpflichten, weil sich Muslim
stets weigern würden, Anweisungen zu befolgen, bei Anordnungen von
Frauen sowieso. Wieso man da nicht die Leistungen sperrt, wurde nicht
diskutiert. Sogar hier, bei H4-Empfängern, arbeiten die Deutschen, die
Muslime nicht.
Solange solche Wesen
https://www.hiig.de/jeanette-hofmann/
nicht auf Flaschensammeln umgeschult werden, solange kriegt Deutschland
den Arsch nicht hoch.
Ziemlich überrascht war ich, als vor
etwa zwei Wochen eine Anfrage kam, ob ich eine Diskussion nach der
Lesung von Max Czollek aus „Desintegriert euch“ in den
Kunstsammlungen Chemnitz moderieren könne. Ich fragte erst einmal
zurück, ob denn Czollek damit einverstanden sei. Nein, war er nicht.
Keine Überraschung für mich.
Trotzdem war es ein Anlass, das Buch überhaupt erst mal zu kaufen und zu lesen. Im vorigen Jahr hatte ich mir vor dem Urlaub als Lesestoff „Gegenwartsbewältigung“ zugelegt und dann besprochen – kritisch, aber freundlich. Und in diesem Sommer habe ich ziemlich viele Artikel gelesen zur Auseinandersetzung Maxim Biller-Max Czollek, wer denn eigentlich ein Jude sei.
Zu Beginn dieser heftigen Kontroverse
habe ich auf Twitter Max Czollek direkt gefragt, warum es ihm denn so
wichtig sei, als Jude gelten zu wollen. Nach der Lektüre von
„Desintegriert euch“ weiß ich, dass dies eine ausgesprochen
naive Frage von mir war. Darum kam auch keine Antwort.
Jetzt weiß ich, dass Czolleks ganzes Weltbildbild darauf beruht, Jude zu sein und mit Infragestellung dieser Identität zusammenstürzt.
Das Laufen über geparkte Autos als Protest gegen den ausufernden individuellen Verkehr und speziell das Zuparken von Fuß- und Radwegen wurde vermutlich erstmals von Michael Hartmann 1988 in München praktiziert. Falls dabei Schäden am Fahrzeug entstehen, kann die Aktion strafrechtlich verfolgt werden. Hartmann bot deshalb Seminare an, um Interessierte im legalen Carwalking zu schulen.
Carrotmob
Bei
dieser Sonderform des >Smart Mob werden mittels heutiger
Kommunikationsmedien Teilnehmer aufgerufen, in einem bestimmten Laden
massenhaft einzukaufen. Mit dem Ladeninhaber wurde zuvor
abgesprochen, dass er einen Teil des so entstandenen Umsatzes in
ökologische Sanierungsmaßnahmen zu investieren. Im Unterschied zum
bestrafenden Boykott schafft dieser „Buykott“ positive Anreize,
so wie die Karotte vor der Nase eines Esels. Daher die Bezeichnung.
Clowning
Beim
G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 wurden erstmals in Deutschland
Demonstranten, die mit Seifenblasen und Wasserpistolen gegen die
Polizeikordons vorgingen, durch die Medien wahrgenommen.
International ist die Clandestine Insurgent Rebel Clown Army (CIRCA)
schon länger aktiv. Sie tritt, mit Staubwedeln „bewaffnet“, wie
eine militärische Formation auf, um Polizeifahrzeuge symbolisch
abzustauben.
Clownerie
oder zumindest die Verkleidung von Teilnehmern an Demonstrationen und
Kundgebungen in Clownskostümen haben ambivalente Wirkung. Wegen
ihres spaßigen Charakters können sie zur Deeskalation beitragen
oder genau das Gegenteil bewirken, weil die Vertreter der
Ordnungsmacht sich eben nicht ernst genommen fühlen.
Kauf-Nix-Tag
Der
letzte Freitag (USA) oder Samstag (Europa) im November wird seit
einigen Jahren von konsumkritischen Organisationen als Buy Nothing
Day begangen. Eigentlich ist dieser „Black Friday“ mit
Rabattaktionen der Handelsketten einer der umsatzstärksten Tage des
Kalenderjahres kurz vor Weihnachten. Durch Verzicht auf jeden Einkauf
an diesem Tag soll das kapitalistische Konsumverhalten in Frage
gestellt werden.
Masseneintritt
in Partei
1998
versuchten Berliner Studenten auf Initiative Rudi Hielschers,
massenhaft in die FDP einzutreten, um sie zu unterwandern und
politisch neu auszurichten. Der Versuch scheiterte zunächst. Drei
Jahre später setzte sich der Parteivorsitzende Guido Westerwelle für
die Aufnahme der Rebellen ein, die auch umgesetzt wurde. Zu einer
inneren Veränderung führte dies allerdings nicht.
Reclaim
the Street
Die
„Rückeroberung der Straße“ ist Protest gegen die Privatisierung
des öffentlichen Raumes oder die Vereinnahmung des Stadtraumes durch
den motorisierten Verkehr, kann aber auch darüber hinausgehende
politische Forderungen verbreiten. RTS findet zumeist in Form nicht
angemeldeter Straßenfeste, Karnevals, Konzerte oder auch als
Fußballspiel auf einer Straßenkreuzung statt.
Eine Sonderform ist >Critical Mass. Eine andere spezifische Aktion ist der No Parking Day, der in vielen Ländern am dritten Freitag im September begangen wird. Anwohner und andere Aktivisten verwandeln Parkspuren von Straßen temporär in öffentlich nutzbaren Raum. Manchmal wird Rollrasen ausgelegt, manchmal sind es nur Absperrungen, um auf dem gewonnen Platz Sitzgelegenheiten, Spielplätze und Picknicks zu organisieren und Feste zu feiern.
Jens Kassner: Wörterbuch des Protests. Von Ablehnung bis Ziviler Ungehorsam. Norderstedt: BoD 2021, 8,99 €. ISBN 978-3753491936