Das Wort zum (Wahl-) Sonntag

In letzter Zeit kann ich der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens immer mehr Sympathie entgegenbringen. Nun weren gleich einige sagen: fauler Sack. Doch ganz ohne sinnvolle Tätugkeit rumzuhängen, kann ich mir nicht vorstellen, wohl aber, nicht dauernd über die Existenzfortsetzung nachdenken zu müssen. Nun hab ich mal geguckt, was die Parteien zu dem Thema sagen. Siehe da: Nichts! Von Linke bis NPD wollen alle Vollbeschäftigung schaffen (letzgenannte aber nur für Deutsche). Grundeinkommen ist kein Thema.

Also wird mein Sonntag wohl so aussehen: Lange schlafen, ausgiebig frühstücken, zeitig mit der Zubereitung eines komplizierten Mittagsgerichtes anfangen, dann auf dem Sofa die Fernsehprogramme durchzappen und wenn schließlich auf dem Bildschirm erste Hochrechnungen erscheinen, weiß ich, dass die Veranstaltung ohne mich gelaufen ist.

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Drüber geredet

Es muss wohl zu einem Festival dazugehören, dass man nicht einfach nur die Inhalte genießen kann, sondern auch mit den Machern zu kommunizieren hat. So wurde es gestern abend oder heute morgen fast ein Uhr, als wir aus dem Passage-Kino kamen. Wenigstens zwei Vorstellungen der Fimkunstmesse hatten wir dieses Jahr mitgenommen – den Kurzfilmvorausscheid mit sehr unterschiedlichen, aber fast durchweg interessanten kleinen Streifen und dann noch „Ganz nah bei dir“ von Almut Getto. Eben zu dieser Voraufführung war die Regisseurin eben auch noch anwesend und ärgerte sich etwas, dass so wenig Fragen zum Film kamen. Die waren aber nicht unbedingt nötig. Es ist ein sehenswerter, unterhaltsamer und gut gemachter Film, der aber nicht unbedingt ausschweifender Erläuterungen bedarf. Doch so ist das Ritual eben.

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Tastsinn verloren

Volker Strübing regt sich im Schnipselfriedhof über die störende Nutzlosigkeit der Feststelltaste auf der Computertastatur auf. Ich muss zugeben, sie schon benutzt zu haben. Neben tatsächlich völlig überflüssigen Tasten wie Pos1 oder Ende gibt es da aber eine, die mich richtig nervt. Da steht drauf Einfg als Kürzel für Einfügen. Schon die Bezeichnung ist Betrug. Normalerweise fügt man bei Korrekturen immer ein, der folgende Text wird dann verschoben. Drückt man aber versehentlich (was bei mir häufig vorkommt) diesen Fiesling, dann überschreibt man alles schon vorher an dieser Stelle Eingegebene. Wenn man nun beim Schreiben mangels ausgefeilter Zehnfingertechnik (oder noch weiterer im Einsatz befindlicher Gliedmaßen) auf die Tasten statt ständig auf den Monitor guckt, hat man ganz locker mal ziemlich viele geistige Ergüsse ausgelöscht. Da hilft auch kein Strg+Z. Weg ist weg. Hat jemand einen Rat, wie man diese eklige Taste eliminieren kann, ohne die Tastatur aufzuschrauben und dann zum Stechbeitel zu greifen? Warum gibt es eigentlich keine kleinen, jungen, innovativen Firmen, die Tastaturen herstellen, die ganz auf die individuellen Bedürfnisse der Benutzer zugeschnitten sind? Ich wäre da Kunde.

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Hamburger statt Leipziger Allerlei

Das ist mal eine Schlagzeile nach meinem Geschmack: Leipzig will 300 Hamburger Künstlern Asyl bieten, stand gestern auf der Titelseite der LVZ zu lesen! Diese sollen nämlich aus dem Gängeviertel der Hafenstadt vertrieben werden, weil dort ein Investor was Neues, Schickes, Teures bauen will. So ist Leipzig Baudezernent Martin zur Nedden auf die Idee gekommen, dass wir die doch hier aufnehmen können. Komplett. Die schöne Idee wird sicherlich nicht allen gefallen. Die ortsansässigen Künstler können nicht in jedem Fall noch mehr Konkurrrenz auf dem Markt gebrauchen. Und auch Kulturdezernent Michael Faber ist möglicherweise nicht begeistert, noch eine kompensierende Problemgruppe hinzu zu bekommen. Bezeichnenderweise kommt die Offerte ja auch von seinem Baukollegen, nicht von ihm. Aber ein netter Werbeeffekt für die Stadt wäre es schon, wenn auch nur ein Teil der Nordlichter mit großem Brimborium hierher zieht.

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Spät gekommen

Möglicherweise ist es nicht das schlechteste Merkmal eines Künstler, dass ein unbedarfter Betrachter zunächst nicht weiß, was er denn von dessen Hervorbringungen halten soll. So ging es mir mit Bjørn Nørgaard. Wie es die Schreibung des Namens verrät ist er Däne. Als vor sieben Jahren in Chemnitz über den Wettbewerb für einen Marktbrunnen heftigst Tim Ulrichs Vorschlag eines Tassenbrunnes verrissen wurde, beachtete man den ebenfalls erstplatzierten Vorschlag Nørgaards fast überhaupt nicht. Mir kam diese seltsame Figuration reichlich verquast vor.

Kein allzu gutes Gefühl hatte ich dann auch, als mir vor kurzem die Kunstsammlungen Chemnitz den Katalog zur Ausstellung des Dänen zuschickten, welche im Beisein von Königin Margarethe eröffnet wurde. Ein schnelles Durchblättern machte den Eindruck, dass da allerhand nordische Mystik mit gewaltigem Materialaufwand zelebriert wird. Gestern habe ich nun die Ausstellung gesehen und muss mich korrigieren. Das mit der Materialschlacht stimmt zwar, aber es ist eine fröhliche Eklektik, da trifft beispielsweise kettengesägtes Holz auf edles Porzellan. Und genau so unbekümmert vermatscht sind auch die diversen mythologischen oder modernistischen Bezüge. Richtig ironisch wird es bei Mickeys Zirkus, wo die imaginäre Familie des Disney-Klassikers respektlos abgewatscht wird, und schließlich bei der Gruppe „Der Prinz kam zu spät“. Da liegt das nackte Schneewittchen mit gespreizten Beinen im Kreis der Gnome, die aus ihrer Lust auch kein Hehl machen. Ich hätte gern das Gesicht der echten Königin beim Anblick der märchenhaft offenen Prinzessinenpussi sehen wollen. Wer zu spät kommt, ….

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Mal ne Frage, Herr Sick

Stutzig geworden durch den Beipackzettel eines neu erstandenen Produktes, wo stand Echt Schweinsleder, fragte ich mich, warum das nicht Schweineleder heißt. So wie Schweinefleisch. Oder Schweinestall. Weshalb können sich manche Wörter den Luxus erlauben, zwei verschiedene Endungen bei genitivistisch angehauchten Komposita zu bilden? Das ist doch Schweinskram.

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Songs from the Horn

Wären da nicht die Atemschwierigkeiten in dem wenig größer als ein normales Wohnzimmer dimensionierten Veranstaltungsraum von Horns Erben in Leipzigs Südvorstadt, angefüllt mit mindestens hundert Leuten, könnte man den gestrigen Abend durchaus als gelungen bezeichnen. Dabei ist die Ankündigung eines Liedermacher-Festes gar nicht sonderlich zeitgeistig. Trotzdem waren die meisten Besucher deutlich jünger als wir.

Das Programm, zusammengestellt von Peter Piek (der auch etwas sang und spielte), bot sowieso ausreichend Kontrast. Lasse Mathiessen aus Kopenhagen stellt am ehesten das dar, was man unter der Überschrift vermuten kann – Balladen zu Klampfe und Mundi. Kikki Solaris, Berlin, mit ihrer E-Gitarre vor gepunktetem Kleidchen sei das nervige Herumgelaufe während des Vortrages Mathiessens verziehen. Die Songs im rauhen Indie-Stil sind schon Ok. Beim dritten Gast, der sich Noiserv nennt und aus Portugal kommt, fällt das Aufmachen einer Schublade aber ganz schwer. Die melancholische, tiefe Stimme á la Cat Stevens und die Gesangsweise könnten vielleicht unter Chanson eingeordnet werden. Doch er benutzte ein Instrumentarium von Gitarre über Spielzeug-Xylophon und Hooter bis zum Keyboard. Das ganze immer nur in Schnipseln, per Loop-Maschine übereinandergelegt. So baute sich jeder Song vom Minimalismus bis zum Bombast schrittweise auf. Sehr interessant. Auf der CD, die wir dann noch erstanden (mit angehängtem Buntstift zum Ausmalen der Strichzeichnungen im Booklet), kling es recht glatt. Die kleinen technischen Schnitzer, über die sich Noiserv während des Konzertes mit seinem rudimentären deutschen Vokabular aufregte, gaben eigentlich den nötigen Drive.

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Mal was Besonders

Nicht alle geben es zu, aber eigentlich möchte doch jeder etwas Besonderes sein, sich irgendwie von der restlichen Masse unterscheiden. Nicht nur im Warholschen Sinne, für 15 Minuten Superstar zu spielen. Nein, dauerhaft die Differenz leben. Das habe ich unwissentlich 48 Jahre getan. Doch gerade jetzt soll Schluss damit sein. Der HNO-Professor, an dessen Wand ein Dankesschreiben von Boris Becker hängt, guckte mich heute morgen kurz an, nahm dann ein stählernes Einblicksinstrument zur Hand, um festzustellen: „Ich habe schon viele Nasen gesehen, aber Ihre ist was Besonderes. Das ist ja extrem!“ Am 29. September wird er diese Extremitäten beseitigen. Eine neue Nase – Erfolgsmodell Michael Jackson. Und schon ist es vorbei mit dem Besonderssein.

Ein Extremist.

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Schnapszahl

Was für ein Geburtsdatum: 9. 9. 1909. Das kann man so nicht planen, aber an Geburtsplanung konnte in der Handwerkerfamilie Bartel im oberlausitzer Dorf Sohland an der Spree sowieso keiner denken. Die spätere Frau meines Großvaters, Elisabeth Schmidt, kam übrigens am 1.1. ´10 zur Welt. Mit dreißig, die Tochter – meine Mutter – war noch keine fünf Jahre alt, kaufte der gelernte Zimmermann Willy Bartel ein marodes Fachwerkhaus im Nachbarort Wehrsdorf. Weiterlesen

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Kreiselkompass

Vor knapp drei Wochen hat das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst einen Kulturkompass für Sachsen vorgelegt. Gut, dass man sich an höchster Stelle Gedanken macht, wie sich dieser Bereich in den nächsten Jahren im Freistaat entwickeln soll. Manche Punkte sind garantiert auch diskutierenswert. Dass beispielsweise Kultur nun als harter Standortfaktor bezeichnet wird, ist eine Bestimmung, deren Folgen noch gar nicht voll absehbar sind. Sofern sie anerkannt wird. Darin aber liegt das Problem dieses ganzen Kompasses. Wer soll sich den eigentlich ans Handgelenk binden, um im sächsischen Dschungel von Hoch-, Sozio-, Sub-, Massen- und Gegenkultur nicht irre zu werden? Als das Dokument in die (regionale) Welt gesetzt wurde, war schon ziemlich klar, dass dieses Ministerium nach der nun vollzogenen Wahl nicht mehr von der SPD besetzt werden wird. Und wieso sollte sich ein neuer Minister mit schwarzem oder gelbem Schlips irgend etwas aus der Vorlage machen außer Klopapier?

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