Über das Anpieseln

In der Leipziger Internetzeitung unterhält sich Volly Tanner heute mit dem Multitalent Philipp „Bohm“ Baumgarten, der gerade Fotografien im Helheim zeigt. Im Interview fragt er:

V.T.: Was ist Kunst für Dich? Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, wird ja auch gern und immer öfter angepieselt. Was sagst Du zu den Schlaumeiern?
P.B.: Kunst ist eine Frage der Rezeption, was soll man da schon definieren. Hätten wir doch über Musik gesprochen, da fällt mir immer der Spruch von Ian MacKaye ein: “if I could describe it in words then I wouldn’t have to play it”. Ich denke, dass man den Satz wunderbar auf die Kunst übertragen kann.

Lieber Volly, verdienst du nicht auch manchmal dein Geld als so ein „Schlaumeier“? Und ganz so zimperlich im Äußern von Meinungen bist du doch selbst nicht immer.

Die Antwort Bohms auf die Frage ist eigentlich zutreffend: Kunst muss man eigentlich nicht erklären. Wird aber über eine Ausstellung, ein Konzert, eine Aufführung gar nicht gesprochen, sind die Künstler gleichermaßen sauer. Das ist das Zweitschlimmste. Abwertend über das Ereignis schreiben, also anpieseln, ist das Drittschlimmste.

Andererseits beschweren sich nicht nur notorische Kulturkonsumenten, sondern auch Künstler selbst (sofern es nicht um die eigenen Hervorbringungen geht), dass das Feuilleton kein Niveau mehr habe, echte Kritik finde kaum noch statt. Da ist was dran, doch ganz ohne Anpieseln kann man eben nichts nass machen.

Und das Erstschlimmste? Das ist für einen Künstler zweifellos, zu behaupten, er sei Plagiator.

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Kleingedrucktes

Im Kleingedruckten findet man das Wichtige. Wie man als Faun gefiederten Tierchen die Flötentöne beibringt. Wie die statistisch korrekte Verteilung von Kirschen im Paradies stattfindet. Wie man als kleiner Wurm Würde bewahrt, obwohl man gerade seiner nahrhaften Apfelheimat entrissen wurde. Wie man seinen Vater erkennt.

Im Kleingedruckten ist Hinterhältiges versteckt. Dass der Bus heute nicht kommt, hat der wartende Sechser überlesen. Dass auch Selbstporträts strengen biometrischen Vorgaben folgen müssen, wurde gerade erst in der neuesten Novellierung ergänzt. Dass einem etwas blüht, wenn die Nachbarn Stacheln ausfahren, bedarf des Mutes zum Anderssein.

Das Kleingedruckte ist lesbar, doch nicht ohne Weiteres. Einen Vogel sollte man schon haben. Oder fünfzehn. Oder ein Kerze auf dem Kopf. Oder Mondlicht im Hinterhaus. Oder frische Flaschen im heutigen Posteingang.

Kleingedrucktes ist keine Kleinkunst, weil Kunst schon immer jede Maßstäblichkeit als kleinkariert belächelt hat. Kleingedrucktes macht auch keinen Mist, denn Hunde sind auch nur Gänse wie du und ich. Wer Druck macht, kann zuweilen auch ein Koch sein. Das zeugt von Größe.

Dieser Text wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.

Text für einen Flyer des Freiberger Künstlers Holger Koch.

Farblithografie von Holger Koch, Freiberg

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Gegendert

Seit genau zehn Jahren dürfen auch Frauen bei der Bundeswehr dienen. Ein toller Erfolg der feministischen Bewegung. Seitdem kann auch das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ mit zwei großen Binnen-I geschrieben werden.

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Zehn Vorhaben für 2011

1. Endlich auf WordPress 3 aktualisieren.
2. Ukulele lernen.
3. Beim Tipptraining von der gegenwärtigen Übung 5 bis zur 12 kommen (von 30).
4. 50 Jahre alt werden.
5. Bei der 24-Stunden-Ausstellung mitmachen.
6. Mehr als drei mal twittern.
7. Mindestens zwei Bücher veröffentlichen.
8. Einen herausragenden Roman lesen (wenn ich bis November keinen gefunden habe, schnell selbst schreiben).
9. Zu keiner Wahl gehen (ist sowieso keine in Sachsen).
10. Fünf Kilogramm abnehmen.

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Ich booke jetzt face

Um nicht vor dem Zeitgeist zu erschrecken, habe ich nun endlich auch einen Account bei Facebook. Zwar kann ich mich da in der internen Suchmaschine noch nicht wiederfinden, aber über – beispielsweise – Udo Tifferts Freundesliste kann man mich finden, an 199. Stelle. Und auch meine Tochter gehört nun zu meinen vielen Freundinnen. Ich hoffe, das ist nicht missverständlich.

Um als Amateur mit dem Medium klar zu kommen, habe ich mir ein gar nicht so billiges Buch gekauft. Nun muss ich feststellen, dass es mir nur bedingt nützt, weil es mit der nagelneuen Benutzeroberfläche von Facebook etliche Änderungen auch in der Funktionalität gibt. Also: zur falschen Zeit eingestiegen.

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Offener Ausgang

„Offene Zweierbeziehung“ am TdjW Leipzig.

Es ist das Thema Nummer Eins der Literatur, des Theaters, des Films – das scheinbar so schwer umsetzbare stabile und dabei auch noch harmonische Zusammenleben eines Paares, das wegen des Dauerkonflikts der natürlichen (und damit sexuellen) und der intellektuellen Seite des Menschen permanent zu scheitern droht. Spätestens seit den wilden Sechzigern wird als eine Alternative zur Alternative Unterwerfung vs. Trennung die „offene Zweierbeziehung“ diskutiert und ausprobiert. Nur ist sie dann eben keine Zweierbeziehung mehr, wenn man die Mathematik ein bisschen ernst nimmt.

Gar nicht sonderlich ernst nehmen Nobelpreisträger Dario Fo und seine Frau Franca Rame das Thema. Die unzähligen Selbstmordversuche in dem kaum länger als eine Stunde dauernden Stück sind immer ziemlich lächerlich, die Dialoge nicht unbedingt von reflektierendem Tiefgang gezeichnet. Auch wenn das Autoren-Duo ansonsten für politische Aussagen bekannt ist, fehlen diese in „Offene Zweierbeziehung“ weitgehend. Zwar wird die Frau ganz nach dem tradierten Rollenverständnis als Opfer des wollüstigen Gatten dargestellt, aber keinerlei Feminismus der verbissenen Gangart zelebriert. Zeigefinger auf die bürgerliche Gesellschaft als eigentliche Ursache der Zerrüttung sind ebenso wenig zu erkennen. Statt dessen werden so ziemlich alle Klischees durchgenommen, die in solch einer Konstellation stecken, mit Ausnahme der Option, dass mindestens einer der Partner homoerotische Neigungen entdeckt.

Jürgen Zilinski inszeniert die Komödie am Theater der jungen Welt locker-leicht, ohne die Versuchung, etwas hineinzupacken, was gar nicht im Text steht. Einige vorsichtige Modernisierungen gibt es allerdings. So konnte der „Held“ 1983, als das Stück erstmals auf Deutsch erschien, natürlich noch nicht beiläufig eine SMS an die Geliebte eintippen, während er der Gattin erklärt, welche Achtung er ihr entgegenbringe. Das gekonnte Spiel von Sonia Abril Romero und Roland Klein trägt entscheidend dazu bei, dass aus der Farce keine Klamotte wird.

Am Ende wird klar, was eigentlich auch vorher schon fast jedem klar war. Die große Offenheit, die in der Gesellschaft, der Software, der Informationsverbreitung gerade so eindrucksvoll im Kommen ist, erscheint für die Liebe zwischen zwei Menschen nach wie vor ungeeignet. Insofern kann man die Vorlage von Fo und Rame auch als eine Abrechnung mancher eigener Illusionen der 68er-Generation lesen.

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Der gar nicht so kurze Post zum langen Abschied

Der Regionalexpress R6 fährt trotz Winterwetter fast pünktlich in Chemnitz ab, aus diesem so überdimensioniert im Verhältnis zur Zahl der Zugverbindungen wirkenden Hauptbahnhof. Vor fast fünf Jahren fuhren wir mit einem gemieteten Transporter diese Strecke ebenfalls bei Schnee und Eis, die letzte Fuhre des Umzugs nach Leipzig. Dass ich noch einen ganzen Fünfjahrplan dranhänge, um Woche für Woche im Netzwerk für Kultur-und Jugendarbeit zu werkeln, hätte ich damals nicht gedacht. Nun ist auch damit Schluss. Doch ganz lässt mich Chemnitz immer noch nicht los. Weiterlesen

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Letzte Konkretisierung

„Was mich immer etwas enttäuscht, dass die Zeitungstexte kaum konkret werden …“ beschwert sich Andreas Schüller, selbst Künstler und Chef der Chemnitzer Galerie Laterne, im aktuellen Laterne-Journal, über die Harmlosigkeit von Kunstkritik. Da muss ich an eine heftige Debatte denken, die ich mit Andreas vor langer Zeit, 13 Jahre etwa, hatte. Meinen Text im Stadtstreicher über eine Ausstellung in der Laterne fand er zu konkret in negativer Richtung. Daraufhin erschien in seinem Journal eine wütende Attacke auf diese blöden Journalisten, die mich wiederum zu einer Replik veranlasste.

Solche Auseinandersetzungen sind tatsächlich selten. So selten wie Verisse über Kunstausstellungen. In überregionalen Medien findet man die, Robert Hughes Sammlung Denn ich bin nichts, wenn ich nicht lästern darf ist ein wunderbares Beispiel dafür. Aber in der Lokalpresse scheint das schwer machbar, selbst wenn die Redaktionen es erlauben. Das hat Gründe.

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Hintenrum

Die Veranstaltung, für die heute in der LVZ geworben wird, geht mir glatt am Hintern vorbei:

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Unverseglich

Ausgerechnet in einem libanesischem Film habe ich das Wort gebendeit gehört. Das erinnerte mich irgendwie an das zu DDR-Zeiten gebräuchliche Gerede von „unverbrüchlicher Freundschaft“. Da habe ich auch immer überlegt, wovon das denn abgeleitet ist: verbrechen? Aber benedeien gibt es wirklich als Verb, ich habe nachgeschlagen. Es soll synonym mit segnen sein. Der jetzige Papst wusste schon, warum er den Namen Benedikt, also der Gesegnete, gewählt hat. Da spart er vor der Heiligsprechung einen Schritt ein.

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