Narzissten im Verfolgungswahn

Er wollte die Preisverleihung verhindern und hätte sicherlich auch nicht zurückgeschreckt, Antifa-Schläger zu der Villa zu schicken, wo am Abend die Gewinner des Rilke-Preises sowie Autoren des Buches zusammenkamen. Starke Worte, die mich betreffen. Zwar habe ich keine Verbindungen zu irgendwelchen Gewalttätern jeglicher Ausrichtung und hasse auch Gewalt gegen Schwächere, aber für die Macher der Blauen Narzisse gehört es zum Ritual, sich selbst als Verfolgte einer durch und durch linksorientierten Staatsmacht und Presse darzustellen. Auslöser war mein Artikel in der Leipziger Volkszeitung vom vorigen Donnerstag über die bevorstehende Vorstellung des von der BN herausgegebenen Buches, das als Ergebnis des von dieser Internetplattform initiierten Rilke-Preises escheint.

Zur Darstellung auf der Website der BN, ich hätte mehrfach unter falschem Namen bei ihnen und dem Gerhard Hess Verlag (wo das Buch erschienen ist) angerufen, um den Termin und Ort der Präsentation zu erfahren, habe ich ihnen schon was ins Stammbuch geschrieben. Es ist eine plumpe Lüge. Ich habe sowohl dem Verlag als auch Felix Menzel, dem Chefredakteur der BN gegenüber bei meinen jeweils einzigen Anrufen meinen richtigen Namen und auch das Anliegen benannt. Aber wer kann sich schon als verfolgt darstellen, wenn der Verfolger einfach so anruft und nicht einmal die Telefonnummer unterdrückt?

Um als Helden des Widerstandes gefeiert zu werden, müssen die Narzissten schon eine übermächtig erscheinende Drohkulisse aufbauen, der sie mutig widerstehen. Wäre die Präsentation ihres Buches so wie die mehr als 1500 anderen Veranstaltungen von „Leipzig liest“ ganz normal öffentlich angekündigt worden, hätte sich wohl kaum jemand dafür interessiert. Um aber den Hauch des Untergrundkampfes gegen die allgegenwärtigen Gutmenschen zu wahren, mussten Ort und Zeit geheim gehalten werden, die Infos erhielt nur ein Zirkel Auserwählter, deren Gesinnung der BN unverdächtig in ihrem Sinne erscheint. So heißt es dann auch in dem Beitrag auf ihrer Internetseite: Die Lokalpresse (Leipziger Volkszeitung, LVZ) und die Lakaien der Antifa-Journalistin Andrea Röpke versuchten bis zuletzt, die Präsentation zu verhindern, blieben aber letztendlich erfolglos. Solche Bilder brauchen sie zur Stilisierung: ein gnadenloser, keulenschwingender linker Mob jagt das Häuflein Aufrechter durch sämtliche Messehallen, bis sie endlich am Stand des Leipziger Literaturverlages Schutz und Asyl finden. Hoffentlich sind die feuchten Flecke in den Hosen dieser Knaben unterdessen wieder getrocknet.

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Protesterklärung

Hier erst einmal die Weiterleitung einer Protesterklärung des Leipziger Literaturverlages. Zu der Sache werde ich mich in Kürze noch selbst äußern:

Protesterklärung gegen die Vereinnahmung Rilkes und des Leipziger Literaturverlages als Rilke-Herausgeber

Der Leipziger Literaturverlag distanziert sich mit aller Entschiedenheit vom Versuch der Internetplattform „Blaue Narzisse“, den Dichter Rainer Maria Rilke für politische Meinungsbekundungen zu mißbrauchen. Der Leipziger Literaturverlag ist bekannt für sein Engagement, der Literatur kleinerer Länder Europas in Form zweisprachiger Ausgaben eine Stimme zu verschaffen und eine Brücke zu bauen, die der Verständigung dient. Die Vertreter dieser Internetplattform, die sich hinter der Maske des „Vereins für Jugendkultur und Journalismus e.V.“ in Chemnitz verstecken, benutzen die hohe Reputation, die Rilke in der Literatur genießt, in heuchlerischer Weise als Vorwand, um ihre nationalistische Haltung in der bürgerlichen Mitte sowie in linken und liberalen Milieus salonfähig zu machen. Der von dem Verein ausgeschriebene sogenannte „Rilke-Jugendpreis“ wird als troja­nisches Pferd losgeschickt, um Harmlosigkeit vorzutäuschen, während sich hin­ter der Fassade keine literarischen oder künstlerischen, sondern politisch-extreme Absichten verbergen. Doch Rilke gehört allein der Dichtung und jeder Versuch, ihn vor den Karren nationalistischer Anschauungen zu spannen, wird langfristig scheitern. Die Rilke-Übersetzerin Margret Millischer trat der nationalistischen Vereinnahmung Rilkes energisch entgegen. In ihrer Entgegnung stellte sie heraus, daß Rilke weder als deutscher noch als ausschließlich deutsch­spra­chiger Dichter betrachtet werden kann. In Prag geboren war er zunächst österreichischer, später tschecho­slowakischer Staatsbürger. Als Wanderer in Europa lebte er die meiste Zeit sei­nes Lebens in Frankreich oder in der fran­zösischsprachigen Schweiz, denn er reagierte aller­gisch auf den militä­rischen Korpsgeist, den er im Österreich der k.u.k.-Monarchie, aber auch im spät­wilhelminischen Deutschland empfand. Seine Freunde und För­derer waren über ganz Europa verstreut. Ohne ihre Unterstützung hätte Rilke sein großartiges dich­te­risches Werk nicht schaffen können. Der Leipziger Literaturverlag fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und lehnt jegliche Vereinnahmung Rilkes für nationale Interessen ab.

Viktor Kalinke & Silke Brohm

Leipziger Literaturverlag

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Bücher gemessen

Das war´s dann schon wieder mit der Buchmesse. Jedenfalls brauch ich heute erst mal etwas Erholung nach zwei langen Tagen Rumlaufen, angucken, staunen, quatschen, durchwühlen. Und zwei Abende Lesungen. Der dritte wurde dadurch verhindert, dass die Stadtbibliothek schon dreiviertel Acht überfüllt war, wir also dem neuen Träger des Preises der Leipziger Buchmesse nicht zuhören konnten. Aber die Vorstellung der neuen Edit und die Nacht der Unabhängigen Verlage im Lindenfels Westflügel haben sich auch gelohnt. Mit „Randgruppenmitglied“ von Frederic Valin ist auch was Materielles hängengeblieben (natürlich käuflich erworben).

Neben einem großen Stapel Papier (zu meiner Entlastung kann ich sagen, dass davon fast nichts ungelesen in den Papierkorb fällt) bleibt wieder mal die Vorfreude auf die nächste Buchmesse.

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Aus meinem Tagebuch der Moderne III

Die komplexe Verwobenheit des Begriffs Moderne wird gerade in Japan auf drastische Weise augenscheinlich, nicht nur in Bezug auf die Gefahren einer übertriebenen Technikgläubigkeit. Reginald Grünenberg schreibt in der heutigen Ausgabe der Tageszeitung Die Welt: Die Ereignisse markieren jedenfalls eine weitere Stufe im Abstieg des einst so reichen wie schönen Inselreichs und das Ende das japanischen Traums, das Ende von „Wakon Yosai“. So lautete seit der Meiji-Restauration von 1868 die Parole der Modernisierer, und sie bedeutet „Japanischer Geist, westliche Technologie“. Japan wollte den technischen Fortschritt um jeden Preis, aber nicht im Paket mit Aufklärung, Kritik, Öffentlichkeit, Demokratie und sozialem Fortschritt, sondern mit dem fabrizierten Mythos von japanischer Eigentümlichkeit, Identität und Tradition, von dem sich viele Japan-Experten auch heute noch blenden lassen.

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Erster Fortschritt

Meinem zum neuen Jahr gestellten Zielen bin ich einen winzigen Schritt (der dennoch reichlich anstrengend war) näher gekommen: Meine erste Buchveröffentlichung des Jahres ist gerade noch rechtzeitig einen Tag vor der Buchmesseeröffnung aus der Druckerei gekommen. Ist doch was.

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Friede mit dir

Dieses Graffiti in der Leipziger Johannisallee finde ich interessant. Vor allem der Slogan Ex Oriente Pax hat es in sich.

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Kaum Zwischentöne

Die Dreifaltigkeitsausstellung zur Leipziger Fotografie habe ich zwar noch nicht gesehen, aber heute endlich die von Miron Zownir – auch Fotos – in der Galerie Emanuel Post. Auf diesen Namen (Zownir, nicht Post) bin ich erstmals vor zwanzig Jahren gestoßen, als ich die Bibliothek eines Kunstsammlers sortierte. Dort stand ein schmales Bändchen mit Schwarzweiß-Bildern, das mich tief beeindruckte. Angesichts der Motive hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass er noch lebt. Aber Bukowski und Burroughs sind ja auch alt geworden.

Zownir, der seit langem in den USA lebt, ist ein Extremist. Er hat eine Vorliebe für die Ränder der Gesellschaft und bildet diese schonungslos ab. Da gibt es Junkies, Obdachlose, Swinger oder auch Katholiken in Lourdes. Noch heute fotografiert er durchweg in Schwarzweiß und passend zu den Sujets in sehr harter Tonabstufung, Zwischentöne werden reduziert.

Zur Finissage der Ausstellung am 12. März werden auch Filme Miron Zownirs gezeigt.

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Aufstehn reicht noch nicht

Nachdem ich Stephane Hessels Empört euch! nach all den Vorschusslorbeeren doch ziemlich enttäuschend fand, habe ich nun das in diesem Zusammenhang häufig erwähnte Manifest Der kommende Aufstand des Unsichtbaren Komitees gelesen.

Der Text hat zumindest etwas, was dem schwächlichen Aufruf des Veteranen fehlt – den Mut zur Radikalität. Im ersten Teil der Schrift wird der gegenwärtige Zustand der Welt schonungslos seziert. Auch wenn die konkreten Bezüge fast alle aus Frankreich stammen, wird doch ziemlich überzeugend dargelegt, dass ein bisschen reformerisches Rumdoktern an den Problemen nicht mehr helfen kann. Diese Analyse des Spätkapitalismus ist inhaltlich und sprachlich brilliant, die berechtigte Wut nimmt man dem Autorenkollektiv durchaus ab.

Doch dann kommt der schwierigere Teil – die Frage nach dem Wie weiter? Und da findet sich schließlich nur eine Ansammlung altbekannter, aber noch nie funktionsfähig gewesener anarchistischer Rezepte: Kommunen bilden ohne jede Hierarchie und Struktur sowie undifferenziertes Zerstören des bestehenden Apparates. Dass damit ein gesellschaftliches Zusammenleben zunächst nicht möglich ist, wird den Autoren immerhin klar. Doch geradezu infantil wirkt dann der Ratschlag, zu landwirtschaftlich-handwerklicher Autarkie zurückzukehren. Nicht nur, dass die heutige stark angewachsene Weltbevölkerung damit nicht mehr ernährt werden könnte, ist ein Widerspruch in sich. Offensichtlich haben es die Schreiber nie selbst ausprobiert, was es bedeuten würde, sich auch nur die nötigsten Grundnahrungsmittel selbst anzubauen. Dieses Bemühen würde im gravierenden Widerspruch zum vorher geäußerten Aufruf, sich dem Zwang zur Arbeit zu verweigern, stehen.

Aus dem klandestinen Selbstverständnis des sich bezeichnenderweise Unsichtbares Komitee nennenden Kollektivs erwächst auch ein tiefes Misstrauen gegen das Internet und andere digitale Medien. Das passt mit der reaktionären Zurück-zur-Natur-Ideologie zusammen, die schon zu Zeiten Rosseaus nicht mehr funktionieren konnte. Der Point of no return ist schon lange überschritten. Gerade aus der Offenheit und Schwarmintelligenz des Netzes erwachsen gewisse Hoffnungen, das knallharte Gesetz der Kapitalvermehrung zu unterwandern. Dagegen mit Spaten und Wanderklampfe anzugehen, ist bescheuert.

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Fotoschwemme

Auch wenn die große Überblickschau zur Leipziger Fotografie erst am kommenden Wochenende in gleich drei Museen startet, gibt es schon im Vorfeld einen richtigen Überfluss an Fotoausstellungen in der Stadt, wohl als Ausgleich für das in diesem Jahr ausfallende Festival F-Stop. Über drei davon will ich kurz berichten.

Kunst am Boden. Und an den Wänden der kunsthalle der Sparkasse.

Kunst am Boden. Und an den Wänden der Kunsthalle der Sparkasse.

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Leicht empört

Etwas naiv ging ich vorigen Mittwoch in eine Buchhandlung der Leipziger Innenstadt, um mir das am Vortag erschienene Büchlein Empört euch! von Stéphane Hessel käuflich zu erwerben. Die freundliche Verkäuferin empfahl mir, doch am nächsten Tag nochmal zu kommen, da werde wahrscheinlich die zweite Auflage geliefert. Gestern habe ich es nun gekauft und die kaum 30 Seiten noch am Abend gelesen.

Bezeichnend ist, dass ein 93jähriger Franzose die Jugend auffordert, den Arsch hochzukriegen, während diese sich größtenteils gemütlich in der Konsumgesellschaft einrichtet. Doch so richtig mitreißend finde ich den Appell des Résistance-Veteranen nicht gerade. Das liegt nicht an der Kürze des Textes, Manifeste dürfen nicht langatmig sein. Falsch sind auch die beiden Hauptargumente, warum wir auf die Barrikaden gehen sollten, sicherlich nicht – die immer größere Schere zwischen Arm und Reich und die israelische Politik gegenüber den Palästinensern. Doch es gibt wohl noch eine ganze Menge mehr Gründe für Widerstand. Vor allem aber ist es die allzu dünne Perspektive, die Hessel da als Frucht des Empörens skizziert – eine sozialdemokratisch harmonisierte und wachstumsgebremste Welt, also Kapitalismus light. Na danke. Nun werde ich mir mal Der kommende Aufstand reinziehen. Kommt auch aus Frankreich, ist aber zunächst mal umfangreicher. Und kostenfrei, in gewissem Sinne also von vornherein antikapitalistisch.

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