Vorausschauend

Hätte ich mir das gerade in Mode kommende Wort Schland vor fast 20 Jahren schützen lassen, als ich es in einem Text verwendete, könnte ich jetzt viel Geld verdienen. Doch so viel Prophetie hatte ich mir nicht zugetraut.

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Kein Ticket nach Calw

Ich musste erst mal nachsehen, wo denn Calw eigentlich liegt. Irgendwo im westlichen Baden-Württemberg, also wohl Baden. Und weil der berühmteste Einwohner Hermann Hesse war, vergibt das Städtchen einen nach ihm benannten Preis für Literaturzeitschriften. Da diese Auszeichnung in diesem Jahr dem Leipziger Poetenladen verliehen wird (bzw. seinem halbjährlich erscheinendem Printprodukt Poet), erhielt ich eine nette Einladung, am 2. Juli ebenda in Calw dabei sein zu dürfen. Nun habe ich aber just an diesem Tag mit dem Livelyrix-Festival ein Projekt, für das ich selbst verantwortlich bin und muss darum die Poeten-Macher um Entschuldigung bitten, dass ich mich bei ihrer Preisverleihung nicht an Lachsschnittchen und badischem Wein laben kann. Trotzdem herzlichen Glückwunsch!

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Maler, Illustrator und Genießer

Eine neue Biografie über Max Schwimmer

Es wurde Zeit, dass nach dreißig Jahren endlich ein neues Überblickswerk zu dem bedeutenden Leipziger Künstler erscheint. Inge Stuhr hat dafür akribisch Briefe, Tagebücher, Zeitungsartikel und andere Dokumente ausgewertet. Da wo Lücken bleiben, liegt das offensichtlich nicht an der Recherche, sondern am partiellen Fehlen von Zeugnissen. Da Max Schwimmer den größten Teil seines Lebens in Leipzig verbrachte und immer wieder hierher zurückkehrte, ist das Buch zugleich auch ein Stück Stadtgeschichte. Dass sich das Buch Biografie nennt, erklärt vielleicht, dass sich die Autorin mit kunstwissenschaftlichen Wertungen der Werke Schwimmers auffallend zurückhält.

Die Persönlichkeit hingegen wird plastisch dargestellt. Als Künstler war Max Schwimmer kein Avantgardist. Nach Versuchen in expressionistischer Ausdrucksweise – reichlich zehn Jahre nach der ersten Blüte dieses Stils – kam er in einer spätimpressionistischen Art zu malen und zeichnen an, die er bis zu seinem frühen Tod 1960 vervollkommnete und variierte. Als Mensch war er Opportunist. Politisch radikal war Schwimmer nur kurze Zeit um die Novemberrevolution herum, in den 1920ern stand er der SPD nahe und arbeitete für deren örtliches Presseorgan, die LVZ. Im NS-Regime aber, als eine engagierte Haltung nötig gewesen wäre, zog er sich ganz in die Kunst (und die Liebe) zurück, versuchte lediglich, dem Kriegsdienst wegen körperlicher Gebrechen zu entkommen. Nach 1945 gab es zwar zeitweise Anfeindungen in der Formalismus-Debatte, doch Schwimmer konnte sich wieder etablieren und in gesellschaftliche Ämter aufsteigen.

Wie von einem Buch über einen Künstler zu erwarten, ist Inge Stuhrs Werk reichlich illustriert. Leider gehen Text und Bebilderung häufig nicht parallel, auch fehlen manche der ausführlich besprochenen Arbeiten oder Zyklen ebenso wie erwähnte Bilder von Kollegen oder Schwimmers Frauen. Vor allem aber ist es schade, dass fast alle Fotodokumente in den Anhang verbannt wurden und dort Briefmarkengröße haben. Somit wird der Untertitel „Eine Biografie“ doch wieder relativiert.

Inge Stuhr: Max Schwimmer. Eine Biographie
Leipzig: Lehmstedt 2010
ISBN 978-3-937146-83-6
29,90 Euro
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Eine von 24 …

… Stunden hat genügt für meinen Entschluss, bei der Lindenauer 24-Stunden-Ausstellung im nächsten Jahr unbedingt selbst als Künstler dabei zu sein. Ein Jahr hab ich nun noch zum Reifen.

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Scheißspiel

Muss ich nun traurig sein? Ich hatte ja hier vor einer Woche deutlich gemacht, dass mir der Fußball-Rummel nicht gleichgültig ist, sondern mächtig auf den Keks geht. Trotzdem gefällt mir das heutige Ergebnis nicht. Falls ich den Spielplan richtig interpretiere, würde nämlich das unter deutscher Flagge spielende Multikulti-Ensemble als Gruppenerster im Falle eines Sieges im Achtelfinale am 3. Juli nachmittags im Viertelfinale stehen, als Gruppenzweiter aber, wiederum eine Viertelfinalsieg angenommen, am 2. Juli abends. Das wäre gar nicht schön, da gerade zu dieser Zeit unser Super-Slam steigt. So bleiben drei Möglichkeiten, das zu verhindern: sie reißen sich zusammen und gewinnen haushoch gegen Ghana, sie verlieren da ebenso hoch und scheiden in der Vorrunde aus oder im Achtelfinale ist schließlich Endstation. Wäre am besten.

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Aufstehn und widersetzen

Es passiert gerade etwas außergewöhnliches auf den Straßen, womit ich nicht das Fußballgetröte meine. Nee, zehntausende Leute demonstrieren gegen die Regierungen in Bund und Ländern, obwohl ja das Trägheitsgesetz bei den Deutschen eigentlich besonders wirkmächtig ist. Das erstaunliche daran ist, dass sich der Protest schon formiert, obwohl es noch gar nicht persönlich weh tut. Und noch ungewöhnlicher ist, dass Studenten zu den Initiatoren gehören, wo doch in den letzten Jahren von dieser Bevölkerungsgruppe keine Aktivitäten ausgingen, die über die eigenen Interessen herausreichten.

Logischerweise gibt es gleich wieder Kritik, dass schon rumgemeckert wird, obwohl noch gar nicht präzise formuliert sei, wo den eingeschnitten werden soll. Das ist ja gerade das Besondere – der Widerstand richtet sich gegen die Verteilungspraxis in dieser Gesellschaft an sich, nicht (nur) gegen Einzelmaßnahmen. Ich bin gespannt auf den Herbst.

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Jetzt noch wertvoller

Vor wenigen Tagen erschien mein Artikel zur sogenannten Hochkultur im Monatsblatt Leipzigs Neue, leider ohne Fußnoten. Bei solch einem Text mit Zitaten erscheint mir das aber nötig. Darum hier nochmal vollständig:

Die Chimäre Hochkultur

Schwierigkeiten beim Fassen eines ganz und gar bürgerlichen Begriffs

„Überquert die Grenze, schließt den Graben!“ nannte sich ein berühmt gewordener Aufsatz des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Leslie A. Fiedler1, der 1969 erschien – nicht in einer Fachzeitschrift, sondern im „Playboy“. Weiterlesen

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Der achte Poet

Den poet als Zeitschrift anzuerkennen, fällt mir immer etwas schwer, sieht das Druckerzeugnis im A5-Format und mit 255 Seiten doch aus wie ein richtiges Buch. Aber die Bezeichnung „literaturmagazin“ soll wohl dazu verführen, keine Ausgabe verpassen zu wollen, quasi ein Abo auf frische Texte abzuschließen. Zu dieser Verlockung tragen seit Ausgabe 4 auch die Titelgrafiken von Miriam Zedelius bei. So ganz ohne Verpackung scheint es also auch für Herausgeber Andreas Heidtmann nicht zu gehen, der ansonsten gern für Literaturvermittlung in purer Reinheit eintritt.

Ein Schwerpunktthema ist die neue russische Lyrik, ausgewählt von Alexander Nitzberg, der selbst in zwei Sprachen zuhause ist. Sofern denn die elf Namen repräsentativ sein können für solch ein großes Volk mit starker poetischer Tradition, wird klar, dass Versmaß und Reim immer noch eine viel stärkere Rolle spielen als bei deutschen Gegenwartslyrikern, welche ernst genommen werden möchten. Das kann als antiqiuert angesehen werden oder aber als Respekt vor dem potentiellen Leser, der nicht immer nur Rätsel entschlüsseln möchte.

Zum festen Bestandteil des poet sind die ausführlichen Gespräche mit Autoren geworden, ein angenehmes Unterscheidungsmerkmal zu anderen, ähm ja … Zeitschriften. Diesmal sind es durchweg ausländische Schriftsteller(innen), die hier leben und fast alle auch in deutsch ihre Bücher schreiben. Diese Kulturvermischung ist zwar nicht ganz neu, aber bezeichnend für die globale Wanderungsbewegung. Für mich, der selbst in einer multiethnischen Familie lebt, sind diese Blickweisen der Zugereisten sehr interessant.

Recht kurz kommt im achten Poeten die Prosa weg, hier mit „Geschichten“ überschrieben, um die Assonanz mit „Gedichten“ und „Gesprächen“ nicht zu stören. Dafür ist sie aber, wie häufig, der Teil, der auch ohne einen literaturwissenschaftlichen Werkzeugkasten konsumierbar ist. Von den Gedichten sprechen mich nun gerade die an, deren Macher nicht mehr ganz so jung sind – Richard Pietrass beispielsweise. Oder Gerhard Falkner, auch wenn ich bei Lyrik eigentlich nicht so gern zwischendurch nach Wörtern wie Ignatia oder Aramith googeln muss. Trotzdem wirken Falkners Texte zeitgemäßer als die mancher Nachwuchslyriker. Vielleicht liegt das daran, dass ich selbst fast 50 bin.

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Totale Macke

E wird Zeit für einen Grundsatzartikel zum Thema Totalitarismus. Ja – jene Gesellschaftsform, in der Alles, auch das Privateste, einer herrschenden Idee unterworfen wird. Die tobt gegenwärtig in reinster Ausprägung. Es ist einfach unmöglich, sich dem Fußball als allumfassender Leitkultur zu entziehen. Egal, welchen Fernsehsender man wählt – Fußball. Sogar der Kultursender arte überträgt ungekürzt Spiele früherer WMs. Das Gleiche setzt sich in den Printmedien fort. Auch eine Wochenzeitung wie Freitag, ansonsten als linksalternativ bekannt, stellt besorgt die Frage der Woche, ob die deutsche Elf richtig zusammengesetzt sei. Die Werbung muss logischerweise auch völlig gleichgeschaltet daherkommen. Soll ein BH verkauft werden, sind eben Bälle drin, Bier wird bei kastenweisem Genuss zum besten Fitmacher, Autos sind in erster Linie dafür da, dass Spielerfrauen ihre Kinder zum Training kutschieren. Auch der totale Medienverzicht hilft nicht. Kollegen, Freunde, Bekannte reden nur über eines, auch wenn sie ansonsten die Fähigkeit zum kritischen Denken durchaus schon bewiesen haben. Und als ich gestern in der Villa des Deutschen Literaturinstitus stolperte, um da etwas Werbung für ein Literaturfestival abzuladen, kam ich ins abgedunkelte Foyer, wo auf einem Riesenbildschirm das Eröffnungsspiel der WM lief. Klar, die Jungliteraten müssen ja irgendwoher einen Einblick ins reale Leben kriegen.

Der staatlich subventionierte Fußball-Terror geht gewaltig auf den Sack, und doch scheint er im Unterschied zu anderen Totalitarismen nur selten Widerstandsaktionen zu erzeugen. Das ist erstaunlich. Es gibt doch mindestens drei Gründe, für einigermaßen vernunftbegabte Menschen, hier zum Guerillero zu werden:

1. Das ist Turbokapitalismus in Reinstkultur. Die Profitraten sind gigantisch, Hedgefonds sind gemeinnützige Vereine im Vergleich zum Profifußball. Wo sonst werden Menschen für derart gigantische Summen verkauft? Ganz zu schweigen von der Vermarktung jeglichen Tinnefs rund um diesen ganzen Scheiß.

2. Der Nationalismus feiert fröhliche Auferstehung. Für Deuutschlaaaand!!! laufen solche Super-Germanen wie Cacau, Boateng, Aogo oder Gomez auf den Platz. Macht nichts. Diese sogenannten Nationalmannschaften sind der tribbelnde Beweis dafür, dass sich die Nationalstaaten in fortgeschrittener Auflösung befinden.

3. Das Macho-Gehabe ist extremistisch. Ist irgend wer grölend durch die Straßen gelaufen, als die Fußball-Frauen zum wiederholten Male den WM-Titel in die Bundesrepublik Deutschland geholt haben? Und wehe, einer unserer Jungs da in Südafrika wird als schwul geoutet! Das wär ja katastrophal.

Ich glaube, es ist Zeit, wenigstens Buttersäure in den Fan-Meilen zu verspritzen. Genau so riechen die Idioten da zwar sowieso, aber es wird noch nicht ganz deutlich.

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Lästermaul

„Da wird morgen was Böses in seinem Blog zu lesen sein“ sagte Poetenladen-Hüter Andreas Heidtmann gestern abend, als ich zum Durstigen Pegasus in die MB einrückte. Von wegen, worüber sollte ich denn lästern? War doch ein nettes Gespräch über die neue Leipziger Verlagslandschaft der Ära nach Insel, Brockhaus, Kiepenheuer etc. Und schließlich ging ich sogar noch mit zwei Buchgeschenken nach Hause, eben von A.H. bekommen. Für Verisse ist es zu früh, die Werke zu studieren habe ich über Nacht noch nicht geschafft.

Stattdessen kann ich mich über die LVZ lustigmachen. In der heutigen Beilage zum Bachfest habe ich diesen schönen Ausschnitt gefunden, wo der mündige Leser zum Mitdenken ermutigt wird:

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