Schwarzbraune Unwetterprognosen

Der Titel Junges Europa könnte von einer Unterorganisation der EU selbst stammen, für Austauschprogramm Jugendlicher beispielsweise. Oder von einer wohlmeinenden gemeinnützigen Institution. Dass Vertreter des straff rechten Lagers solch eine Überschrift wählen, muss erstaunen.Etwas weniger überraschend ist aber die Berufung auf Guiseppe Mazzini, der in den 1830ern eine Vereinigung dieses Namens gründete, in der Italiener, Deutsche und Polen gemeinsam für eine nationale Einigung ihrer zerrissenen Länder kämpften. Bemerkenswert ist bei dieser Quelle immerhin der überregionale Charakter, doch Nationalstaatlichkeit war ja zu dieser Zeit noch ein progressives Ziel. Weiterlesen

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In hoc signo …

Eigentlich ist es nur ein simpler Winkel, nach oben zeigend. Und ein Kreis drum. Wie bei der Hühnerkralle der Friedensbewegten, dem Stern einer schwäbischen Automarke oder dem Erkennungszeichen der Anarchos (Wer A sagt, muss auch einen Kreis drum machen). Auch die Identitären kreisen ihr Lambda ein, aber ohne die zumindest in Graffitis übliche  freche Grenzüberschreitung des A. Alles bleibt ordentlich im Rahmen.

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Federn gelassen

Der Adler – da klingt Stolz mit, Höhenflug, auch ein bisschen Größenwahn. Der Adler in Kleinzschocher sieht mehr nach Bauchlandung aus – eine Straßenkreuzung, deren Randbebauung aus Relikten verschiedener Epochen zusammengewürfelt ist. „Versuch es mal mit Schönheit!“ wirbt eine Baumarktkette großflächig an der Brandmauer eines zweigeschossigen Häuschens, das wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert übrig geblieben ist. An der Holzbude davor nutzen Leute die Wartezeit auf die nächste Linie 3, um schnell was zu essen. „Bockie“ gibt es, „Cheesie“ und „Bullie“, oder auch XL-Bratwurst ohne Kosenamen. Gegenüber preist ein China-Imbiss gebratene Hähnchen an, einst als Gummiadler bekannt. Passt ja. Die Kaufhalle der Supermarkt dahinter passt aber gar nicht. Konsumismus brutal, auch wenn die Hülle noch aus der realsozialistischen Mangelwirtschaft stammt. Mit krakeliger Schrift, doch straffem Willen zur Kreativität hat jemand den Namen der Kette ausgenutzt: „Für eine soziale REWElution!“

On the wings of an eagle.

On the wings of an eagle.

Den Namen Schauburg darf man sich nicht allzu gründlich durchdenken. Verwaschen türkisgrün gluckt das Kino aus der Glanzzeit des Mediums an der Antonienstraße. Der Klinkerkasten auf der anderen Seite hat eher etwas von einer Burg. Erziehung ist eine ernste Aufgabe. „Knaben“ steht am Eingang. Die Mädchen müssen hintenrum rein. Mussten. Noch ein Imbiss mit Werbung für ein Boulevardblatt. Und Geschäfte nach Zufallsprinzip. „Textilien am Adler“ klingt nach fremden Federn, ist aber nur vietnamesische Kleidung nebst ebenso gewohnt anspruchsvollen Geschenkartikeln.

Wo aber ist nun das Federvieh? Fünfhundert Meter weiter Richtung Stadt. Doppelkopf. Wie in Russland, wie in Österreich. Und ein bisschen preußisch. Bloß nicht sächsisch. Die haben wieder mal auf der falschen Seite gekämpft, im Oktober 1813. Der Adler ist ein Völkerschlachtdenkmal in Miniatur. Die Bäume im umgebenden Volkspark sind stramm auf Linie gebracht. Eichen natürlich.

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Europas erste Berufsfotografin

Der Name Bertha Wehnert-Beckmann ist heute nur Spezialisten ein Begriff. Diese in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Frau wieder stärker ins allgemeine Bewusstsein zu rücken, ist Anliegen des opulenten Buches von Jochen Voigt, Professor an der Abteilung Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

„In Cottbus geboren, habe ich sofort nach Erfindung der Daguerrotypie meine Bemühungen dahin gerichtet, durch Erlernen dieser Kunst mir meine Zukunft zu sichern und für mich einen Erwerbszweig zu gewinnen.“ Es muss eine besondere Persönlichkeit sein, die im November 1844 derartiges in einem Brief an die Leipziger Stadtverwaltung formuliert, um hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Dass es eine Frau ist, macht die Angelegenheit für diese Zeit besonders interessant.

Rudolph Beckmann, Porträt Bertha Wehnert-Beckmann mit Objektiven, Kalotypie, um 1850/51 (Repro aus: A German Lady)

Rudolph Beckmann, Porträt Bertha Wehnert-Beckmann mit Objektiven, Kalotypie, um 1850/51 (Repro aus: A German Lady)

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Neues vom Fockebergarzt

Privat-antizyklisch handelt habe ich mir die Tippgemeinschaft 2014 unmittelbar nach dem Erscheinen gekauft. Auslöser dafür war der Wellen schlagende Artikel von Florian Kessler in der Zeit, gemäß dem die Langeweile der Texte von Absolventen beider deutschen hochschulmäßigen Schreibschulen Hildesheim und Leipzig daraus resultiert, dass dort fast nur Kinder der gutsituierten Mittelschicht studieren. Die Aussicht, als prekärer Poet zu absolvieren, ist seiner Darstellung nach nicht vertretbar für Jugendliche (in Bezug auf das DLL ein relativer Begriff) aus Familien, die nicht ewig Zuschüsse zahlen können. Doch den Abgesicherten fehlt es eben an Erfahrungen mit der eigentlich dreckigen Realität des Lebens. Daher der Gähnfaktor, den ich auch schon bei etlichen Tippgemeinschaften durchlebt habe, und erfolglos versuchte, mit wirklich gut gemeinten Ratschlägen gegenzusteuern.

So, Kessler hat also gerade noch rechtzeitig einen Weckruf erschrillen lassen, war gemäß Zeitungsberichten auch zu einer Diskussion über die Sachlage in das DLL geladen. Schaun wir also mal, was rausgekommen ist. Die Titelgestaltung ist vielversprechend. Statt der Wortspielereien vom Vorjahr sind nun Löwen abgebildet. Zwar hinter Gittern, dennoch starke Tiere. Hinter dem Schutzumschlag schaut man den Bestien sogar direkt ins Auge. Ich bin gespannt. Weiterlesen

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Vor dem Fest ist nach dem Fest

Wir sind begeistert. So etwa könnte eine Rezension von Saša Stanišić´ zweitem Roman anfangen, die seine Erzählweise aufnimmt. Diese Perspektive des Wir seitens eines aus Bosnien Zugewanderten, der ein ganz durchschnittliches Nest in der Uckermark darstellt, könnte leicht als Ironie, wenn nicht gar Zynismus verstanden werden. Doch Stanišić´ gelingt eine Empathie, die niemals ranschmeißerisch wirkt. Gut, dass er der Versuchung widerstand, dem grandiosen Erstling Wie der Soldat das Grammofon repariert schnell ein weiteres Buch hinterherzuwerfen. Ganze sechs Jahre hat er sich Zeit genommen. Gut, dass dieses zweite Buch so ganz anders ist als das erste. Gut, dass er nicht Maxim Billers Verdikt folgt, ein Immigrant habe in Deutschland immer Immigrantenliteratur zu schreiben, um nicht mit den ewig spätfaschistoiden Gojims gemeinsame Sache zu machen. Saša Stanišić´ hat stattdessen einen deutschen Heimatroman geschrieben. So einen, der auch für jeden, der beim Begriff Heimat, noch dazu deutsche, eher Würgereflexe bekommt, einen Anflug von Wärme aufkommen lässt. Oder zumindest Verständnis. Da ergeben sich Parallen zum Film Full Metal Village, in dem die Koreanerin Sung Hyung Cho die Bewohner des holsteinischen Dorfes Wacken porträtiert und das Ganze zu Recht im Untertitel „Ein Heimatfilm“ nennt. Weiterlesen

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Die Inquisitionsmaschine von innen

Das passt. Wenige Wochen vor der Dreifachausstellung der Neuen Slowenischen Kunst Ende April in Leipzig erschien nicht nur Laibachs neues Album Spectre, sondern auch Alexei Monroes Monografie Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör. Die beste Lektüre zur Vorbereitung also. Für Leute, die sich mit diesem Phänomen noch nicht sonderlich auskennen sowieso, aber auch eingefleischte Laibach-Fans erhalten sicherlich noch eine kräftige Dosis an Zusatzinformationen. Die Zahl von 799 Fußnoten steht für gründliche Recherche. Und obwohl sich Monroe im Schlussteil des Buches als selbst Involvierter mancher NSK-Aktivitäten outet, geht er sehr vorsichtig mit Vermutungen und Gerüchten um, kennzeichnet sie als ebensolche.

laibach_und_nsk Weiterlesen

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RB entlarvt!

In der Märzausgabe des Kreuzer ist ein besonders schönes Lehrstück für kritischen Journalismus zu finden. Obwohl mir Fußball völlig schnuppe ist, habe ich das Interview mit Philipp Köster, Chefredakteur des Fachblattes 11 Freunde durchgelesen. Kreuzer-Mitarbeiter Thomas Fritz stellt die richtigen Fragen, damit der Experte über RB Leipzig als Retortenklub herziehen kann, der nur dazu da sei, dass Red Bull noch mehr Dosen verkauft. Ist dies schon eine überraschende Erkenntnis, so ist noch erhellender, dass all die anderen Club von erster bis dritter Liga mit Kommerz überhaupt nichts im Sinn haben. Wie der Name 11 Freunde schon ausdrückt, geht es außer bei RB darum, dass sich nach der Schicht bei SAP, Volkswagen oder Bayer paar Kumpels treffen, um Spaß beim Kicken zu haben. Und nun kommt so ein österreichischer, also auch noch ausländischer, Drogenhersteller und macht diese Idylle kaputt. Wie empörend! Danke für diesen Aufklärungs-Artikel.

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Verbiestert

Reichlich spät fand die öffentliche Diskussion zur Ausstellung Die Schöne und das Biest des Bildermuseums statt – einen Monat nach deren Schluss. Da aber die Politik des Museums allgemein und darüber hinaus die Einbettung in den Kulturentwicklungsplan der Stadt auch zum Thema gehörten, war diese öffentliche Sitzung des Gleichstellungsbeirates der Kommune dennoch sinnvoll. Der Andrang in den Klingersaal des Museums sprach dafür.

Wer darin nur ein Frau und einen Panda sieht, leidet, so Michael Faber, unter einem Bildungsverlust.

Wer darin nur eine Frau und einen Panda sieht, leidet, so Michael Faber, unter einem Bildungsverlust.

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Niemands Land

Der Süden ist am schlimmsten. Zusammengewürfelte Baracken. „Promotion“ steht an einer. Vorsicht, die kann leicht aberkannt werden. Und „Mitarbeiter gesucht!!!!“ steht auch da. Wirklich vier Ausrufezeichen. Zwei staubige Hartplätze daneben, wo am Wochenende der Nachwuchs bolzt. An der nächsten Hütte steht „Werbung“ und „Dekoration“. Am Horizont die Meyerschen Häuser, unsanierter Teil. Sogar die Straßenbahn hält es auf dieser Straße nach Süden nicht aus, kriegt bald schon die Kurve. Wenn die Sonne scheint, stimmt irgendwas nicht. Das ist wie Verrat. Hier hat auch der Himmel grau zu sein.

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Keine Sonne, zum Glück.

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