Niemands Land

Der Süden ist am schlimmsten. Zusammengewürfelte Baracken. „Promotion“ steht an einer. Vorsicht, die kann leicht aberkannt werden. Und „Mitarbeiter gesucht!!!!“ steht auch da. Wirklich vier Ausrufezeichen. Zwei staubige Hartplätze daneben, wo am Wochenende der Nachwuchs bolzt. An der nächsten Hütte steht „Werbung“ und „Dekoration“. Am Horizont die Meyerschen Häuser, unsanierter Teil. Sogar die Straßenbahn hält es auf dieser Straße nach Süden nicht aus, kriegt bald schon die Kurve. Wenn die Sonne scheint, stimmt irgendwas nicht. Das ist wie Verrat. Hier hat auch der Himmel grau zu sein.

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Keine Sonne, zum Glück.

Im Osten ein Neubau der neunziger Jahre. Vermutlich. Natürlich muss er Center heißen. Weil er im Nirgendwo liegt. So dezentral wie nur denkbar. Eine Bowlingbahn, Ärzte, Ingenieure. Dahinter die Bahngleise, arg geschrumpft auf neue Notwendigkeiten. Viel Platz, der mal Park werden soll. Doch erstmal entsteht eine Brücke auf Zeit, Ersatz für die dauerhafte Antonienbrücke, die nicht auf Dauer stabil ist. Ausbund der Nichtarchitektur. Die neue wird nicht schöner, nur haltbarer. In den Winkel zwischen Starlight-Bowling (soviel Namens-Hybris muss schon sein), ruinösem Ex-Stellwerk, vierspurigem Zubringer ins Plattenbaugebiet und Straßenbahn gequetscht – ein Strand! Beim Vorbeidonnern von Kesselwagen eine Caipi schlürfen und knapp bekleideten Körpern beim Beach-Volleyball zugucken. Das ist die U-Topie an sich. Eiffelturm und Cheopspyramide in Las Vegas sind harmlos gegen solch eine Verleugnung des genius loci.

Im Westen erste Erhebungen einer anderen Stadt. Halbstadt, Pseudostadt mit so bioweichem Namen Grünau. Mehr erahnbar als zu sehen. Davor Kleingartenwirrwarr, die Hütten – natürlich jede anders – sind manchmal größer als die Fläche für Radieschen, Erdbeeren, Astern. Hauptsache eine deutsche Fahne am Mast. Oder grünweiß.

Nach Norden hin Verheißungen, ignoriert man das wellblechene Gewerbegewürfel. Kirche Plagwitz, ein Bahnhof zum Bewohnen, eine Spinnerei für Kunst. Da darf sogar mal die Sonne rauskommen. Jetzt nur noch die vier Spuren überqueren, und zwei Gleise. Wird schon gutgehn.

 

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