Gotha statts Goths

Dieses Mal wurde es nichts mit Grufti-Gucken beim WGT. Wegen eines familiären Anlasses war ich über Pfingsten in Gotha. Und da hat sich die Strategie bewährt, nichts zu erwarten. Ich war noch nie in der Stadt und hatte außer dem Wissen, dass es da ein großes Schloss gibt, keine konkrete Vorstellung. So war es eine angenehme Überraschung, dass die Altstadt, aber auch der Schloßpark mit den uralten Bäumen durchaus sehenswert sind.

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Viererbande

Obwohl von zwei verschiedenen Verlagen herausgegeben – Lehmstedt Verlag Leipzig und Mitteldeutscher Verlag Halle – sind meine ersten vier Bücher in diesem Jahr gemeinsam angekommen. Vermutlich wird es bei dieser Zahl auch bleiben, abgesehen von einem Aufsatz zu einem Bildband über den Chemnitzer Kaßberg. Zu dem Goslar-Reiseführer ist der der l-iz sogar schon eine Rezension erschienen.

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Von wegen kurz

Es ist schon drei Jahre her, als ich zum letzten und bisher einzigen Mal beim Finale des MDR-Literaturwettbewerbes im Haus des Buches an der Prager Straße war. Gestern Abend nun als Wiederholungstäter. Meine damalige Einschätzung habe ich mir erst heute, also hinterher, nochmals angesehen. Leider hat sich nicht viel geändert. Zwar war die Band um Christin Claas nicht nur jünger als damals die von Uschi Brüning, sondern auch dynamischer. Aber Jazz ist eben Pflicht. So vielfältig die Geschichten des Wettbewerbes sein mögen, zu Literatur scheint für die Macher von MDR Figaro wohl ausschließlich Jazz zu passen. Möglicherweise habe ich aber die Jahre, wo eine Punk-Band oder ein Goa-DJ eingeladen waren, nur verpasst.

Aber auch sonst: The same Procedure as … Sieben Kurz(!)geschichten werden zu einer Veranstaltungslänge von dreieinhalb Stunden ausgewalzt. Und die Moderation von Heise und Hametner war nun auch nicht so der Brüller wie einst die von Paul Fröhlich, RIP, beim Seifenkisten- oder Badewannenrennen. Da konnte man allein deswegen hingehen.

So ist es natürlich, dass sich der anfangs noch einigermaßen gefüllte Saal zunehmend leerte und sich sogar die offiziell Beteiligten mehrfach Auszeiten für Zigaretten, Getränke oder nur Frischluft nahmen. Die Finalisten hielten alles brav aus, waren sie doch aus über 2000 Einsendungen für diesen durchaus renommierten und karrierrefördernden Preis ausgewählt worden. Die Jury ist da nicht zu beneiden, muss sich ihr Honorar wirklich hart erarbeiten. Wieder einmal zeigte sich aber auch, dass literarische Qualität und Vermögen zur Performance nicht zwangsläufig übereinstimmen. So war abzusehen, das Peter Wawerzinek für seine nicht nur humorvoll geschriebenen, sondern so auch vorgetragenen Auszug aus einem neuen Romen, auch wegen fehlender innerer Geschlossenheit eigentlich keine Kurzgeschichte, zum Publikumsliebling gewählt wurde. Die Jury war anderer Meinung. Dass Ferdinand Schmalz und Verena Güntner auf Platz zwei und drei kamen, passt zu meinem subjektiven Eindruck. Ich hatte mein Kreuzchen sogar bei Güntner gemacht für ihre so ganz und gar nicht rührselige Story einer behinderten Jugendlichen. Und auch die alpenländisch gefärbte Mehrfachkatastrophe von Schmalz fand ich nicht allein gut geschrieben.  Nicht so ganz einverstanden bin ich aber, dass Anja Kammann zur Siegerin erklärt wurde. Ich konnte ihrem Vortrag über einen tschechischen Bohrinselgutachter nur mit Mühe folgen.

Positiv fand ich aber, dass sich diesmal die Auswahl weder stilistisch noch inhaltlich irgendwie zusammenfassen ließ. Bei früheren Durchgängen des Wettbewerbes gab es meist thematische Häufungen, mal waren es die Probleme von Migranten, mal die älterer Menschen etc. Solch ein Generalthema fehlt in diesem Jahr zum Glück.

Sicherlich werde ich mir auch 2014 die Beiträge des Finales durchlesen. Aber ob ich mich nochmals in das kaum zehn Minuten Fußweg entfernte Haus des Buches dafür begebe, ist eher fraglich. Vielleicht höre ich mir die Übertragung im Radio an. Da ist der Weg zu Küche und Klo kürzer.

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Saulus von der NPD

Es ist schon einige Mal vorgekommen, dass mir Bücher zur Rezension zugeschickt wurden, ohne sie angefordert zu haben. Sie kamen aber durchweg von Verlagen, zu deren Produkten ich schon Kritiken geschrieben hatte. Vorige Woche steckte nun ein schmales Päckchen vom Gerhard Hess Verlag im Kasten. Irgendwie kam mir der Name bekannt vor. Beim Nachschauen auf der Website fand ich die Bestätigung, dass es sich um jenen Verlag handelt, der vor zwei Jahren die Anthologie zum Literaturwettbewerb des rechtsradikalen Internetportals Blaue Narzisse herausgegeben hat. Beim Blättern in der Seite stelle ich außerdem fest, dass der Verlag so ziemlich alles verlegt, was sich eventuell verkaufen lässt, von einem Profil ist nichts zu erkennen.

Gesucht Geirrt Gefunden heißt das Buch, das in dem Päckchen war. Geschrieben hat es Stefan Rochow, ein früherer NPD-Funktionär, der zum Katholiken geworden ist. Das nicht gerade überzeugende Image des Verlages sowie die Tatsache, dass ich mit dem Katholizismus nicht viel anfangen kann, sind keine guten Voraussetzungen für eine unbefangene Rezension. Ich bemühe mich trotzdem darum. Weiterlesen

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Tolstois Albtraum

Gerade im Poetenladen veröffentlicht: Meine Rezension zu Viktor Pelewins neuem Roman „Tolstois Albtraum“.

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Kein Kletterfelsen am Chemnitzer Brühl

Als ich am Dienstag in Chemnitz war, bin ich den Brühl entlang gegangen, um zu sehen, wie das Studentenviertel aufblüht. Na ja. Es wäre aber falsch zu sagen, dass gar nichts passiert. Es wird nämlich abgerissen. Diesmal ist es eines der zwei Wohnhochhäuser zwischen Brühl und Mühlenstraße. Architekturgeschichtlich und städtebaulich ist das kein Verlust. Aber eine verpasste Chance. Schon vor etwa zwölf Jahren hatte ich mal eine Projektskizze gemacht, wie man einen leergezogenen Plattenbau zum Kletterfelsen umrüsten kann. Mit einem Geflecht von Armierungseisen die Form modellieren, mit Leichtbeton die Oberfläche. Als dann 2004 der Wettbewerb umBAU Chemnitz stattfand, staunte ich, dass es gleich zwei Einreichungen gab, die genau in dieselbe Richtung gingen. Die Idee scheint also auf der Hand zu liegen. Aber keiner will sie umsetzen. Und nun geht wieder ein Objekt verloren, das von der Lager her dafür ideal wäre.

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Wollen nur spielen

Es muss Jahre her sein, dass ich mir das Journal Spiegel gekauft habe. Warum es nun doch wieder vorgekommen, ist Nebensache. Positiver Kollateral-Effekt ist aber die Lektüre in der Beilage KulturSpiegel, wo sich der Artikel „Die Spieltheorie“ von Maren Keller findet. Da geht es um Spielplätze, die als eine Ghettoisierung von Kindern beschrieben werden. Stattdessen sollte die ganze Stadt ein Spielfeld für die Bewohner jedes Alters sein. Beispiele werden angeführt, so Madrid. Das gefällt mir. Wäre es nicht nett, wären die Wegmarken der Leipziger Notenspur von verschiedenen Möglichkeiten, selbst Töne zu erzeugen, begleitet? Oder Schaukeln, die unter dem Dach des Querbahnsteigs im Hauptbahnhof aufgehängt sind.

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Kräftige Farbe

Die Bezeichnung Indigo für das eigenartige Symptom, das seit den 1990er Jahren etliche Kinder und Jugendliche haben, ist eher Zufall, von den Visionen einer deutschen Esoterikerin stammend. Die von der rätselhaften Krankheit Befallenen, im Jargon Dingos genannt, haben selbst keine Beschwerden, allerdings die Menschen der Umgebung, die sich zu lange in ihrer Nähe aufhalten.

Obwohl Clemens J. Setz´ Roman Indigo in der Gegenwart spielt, ist es Science Fiction. Da gibt es Details wie iBalls oder iSockets, die aber keine tragende Rolle spielen. Vor allem aber gibt es jenes Indigo-Syndrom, dessen Träger in einer isolierten Internatsschule, dem Helianau-Institut, von der Umwelt abgeschottet werden, die aber auch untereinander das fiese „Zonenspiel“ veranstalten.

Dass ein Schriftsteller selbst in der dritten Person in eigenen Texten erscheint, ist nicht ganz neu, auch nicht die negative Darstellung. So hat Houellebecq sich in Karte und Gebiet auch zum richtigen Ekel gemacht. Setz ist in Indigo teilweise der Ich-Erzähler, der als Lehrer-Praktikant in die Helianau geschickt wird. Später dann wird er von außen als ein zunehmend geistig Verwirrter dargestellt, der einem Menschen die Haut abgezogen haben soll. Zuvor aber, nach seiner Kündigung als Lehrer, hat er Recherchen zur Krankheit betrieben und Artikel verfasst. Das Buch ist eine Collage aus angeblich aufgefundenen alten und neueren Berichten über außergewöhnliche Erscheinungen, Gesprächnotizen, Erinnerungen und verknüpfenden erzählerischen Passagen. So ergibt sich ein dichtes, mehrschichtiges Gefüge unterschiedlicher Sichtweisen, das Happy End aber fällt aus.

Ich war überrascht festzustellen, dass der in Graz lebende Schriftsteller gerade mal 30 Jahre alt ist. Indigo hat solch eine sprachliche Reife und Kraft der Imagination, auch in der Ausarbeitung von Details, dass ich mir einen Autor mit Jahrzehnten mehr Schreib- und Lebenserfahrung vorgestellt hätte.


Clemens J. Setz

Indigo

Suhrkamp 2012

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Aus der Konserve

Zur Buchmesse gab mir Andreas Eichler, der vor über 20 Jahren mal mein Kollege war, ein kleines, selbst verlegtes Büchlein. „Innokonservation. Erneuern und Bewahren“ nennt es sich. Also eine weitere der gerade so hoch im Kurs stehenden Fortschrittskritiken. Doch dass gerade Zweifel an Wachstum, Moderne, Progress von Autoren unterschiedlichster politischer Ausrichtung in Buchform gebracht werden, kann er wohl nicht wissen. „Ich warte lieber ab, was wirklich bedeutsam ist, meide deshalb Neuerscheinungen grundsätzlich.“ Und ein Fernseher kommt ihm auch nicht ins Haus. Weiterlesen

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Trügerische Beruhigung

Am Donnerstag, erster Tag der Buchmesse, sah es ungewohnt leer aus in den Hallen. Am Ende wird nun doch ein neuer Besucherrekord gemeldet und die LVZ titelt sogar: Branche tankt neues Selbstbewusstsein. Gab es da mal eine Krise des Verlagsgewerbes? Auffällig und immer wieder wundersam ist jedenfalls, wie trotz des erschlagenden Überangebotes viele Veranstaltungen überfüllt sind. Außer an etlichen Lesenbühnen draußen im Messegalände habe ich das am Donnerstag in der MB zur Langen Lesenacht gespürt, dann auch am Sonnabend zur Diskussion von Harald Welzer und Daniel Cohn-Bendit. Ich dachte, fast allein im Saal des Neuen Schauspiels zu sein, als ich 20 Minuten vorher da ankam. Doch der war schon voll, ich konnte einen der letzten Stühle aus der benachbarten Gaststätte erwischen, die später Gekommenen mussten stehen oder auf dem Fußboden sitzen.

Überrascht war ich aber auch, dass das Thema Urheberrecht, das im Vorjahr so im Mittelpunkt stand, jetzt scheinbar uninteressant geworden ist. So als hätte es da eine sinnvolle Klärung gegeben statt des bescheuerten neuen Leistungsschutzgesetzes. Es lebe das Kurzzeitgedächtnis!

Aber Driftbewegungen sind schon unübersehbar. Die eine ist die immer stärkere Betonung der Gestaltung (nicht nur) von Büchern. Die erstmalige Vergabe eines Preises für Druckgrafik ist ein Symptom dafür, aber auch die vielen Stände von Kunsthochschulen, Illustratoren und so weiter. Die andere Bewegung geht logischerweise in Richtung E-Book und Selbstpublizieren. Auch dazu gab es einen neuen Preis für erfolgreiche Selbstvermarkter.

Im Gegensatz dazu habe ich von vielen Schriftstellern, darunter ganz jungen, in den Diskussrunden immer wieder die Beteuerung gehört, dass ihnen nie ein Lesegerät vor die Augen geraten werde, so beispielsweise einhellig von sämtlichen Podiumsgästen bei der Diwan-Sendung von BR2 am Freitag. Das wirkt dann ziemlich asterixmäßig.

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