Krauses Freiheit

Mittwoch, 13 Uhr. Ich gehe in die Werkschauhalle, um die nun doch noch ohne Vernissage eröffnete Leipziger Jahresausstellung anzusehen. Rainer Schade, der bisherige und immer noch amtierende Vorstandsvorsitzende, mit dem ich eigentlich per Du bin, gibt mir nicht die Hand, möchte auch nicht mit mir reden.

Offenbar gehöre ich zu den Schuldigen, die das Desaster um die diesjährige Jahresausstellung verursacht haben. Stimmt so nicht. Als ich zum ersten Mal hörte, dass Axel Krause zu den Auserwählten gehört, dachte ich mir: In meinem Bericht für die LVZ werde ich ihn einfach nicht erwähnen. Bei 36 Namen ist es legitim, nicht auf jeden einzugehen. Doch dann verzichtete Moritz Frei mit einem Offenen Brief auf seine Teilnahme. Andere Künstlerinnen und Künstler kündigten Proteste zur Vernissage an. Medienberichte folgten, auch Krause mobilisierte seine Fans. Klappe halten ging also nicht mehr. Ich forderte vom Verein, Stellung zu Krauses politischen Äußerungen zu beziehen. Und wenn man, so wie Schade stets betonte, Werke ausstelle, nicht Personen, könne man auch dafür sorgen, dass die Person Krause mit seiner Entourage da nicht erscheint.

Nun tobt seit Wochen die Auseinandersetzung um Kunst- und Meinungsfreiheit. Das Gute daran ist, dass man (ich meine mich persönlich) dann noch mal nachsehen muss, was das denn konkret beinhaltet. Nun mag zwar Wikipedia-Wissen nicht vor Gericht als Nachweis taugen, aber es hilft weiter. Kunstfreiheit ist – dachte ich mir schon – zweigeteilt. Sie besteht zum einen in der Freiheit, das künstlerisch produzieren zu dürfen, was man gerade möchte. Zum anderen besteht sie in der Freiheit, diese Produkte auch öffentlich verbreiten zu dürfen.

Axel Krauses Kunstfreiheit sei gefährdet, liest man, da er doch im letzten Moment noch von der Leipziger Jahresausstellung ausgeschlossen wurde. Das kann man für eine Eselei des Vereinsvorstandes halten (ist es auch), doch in seiner künstlerischen Produktion behindert ihn generell niemand. Und er hatte in den letzten Monaten zwei Personalausstellungen, eine in Frankfurt, eine in Potsdam. Ein Bild wurde für die Artothek des Deutschen Bundestages angekauft. Was für eine Repression! Repros seiner Bilder, auch jener für die Jahresausstellung vorgesehenen, verbreitet er im Internet. Und keine Zensur schreitet ein. Fazit: Seine Kunstfreiheit ist in keiner Weise eingeschränkt. Er hat sogar von dem Rummel um seine Person eindeutig profitiert. Einen Rechtsanspruch auf die Teilnahme an einer bestimmten Ausstellung hingegen gibt es nicht.

Was ist mit seiner Meinungsfreiheit? Von der macht er ausgiebig Gebrauch. Nicht nur in seinem Facebook-Account. Die Leipziger Internet-Zeitung gewährt ihm ein mehr als einstündiges Interview. Auf Servus TV von RB-Gründer Mateschitz darf er mit dem Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz ähnlich lange seine Standpunkte darlegen. Beschränkung der Meinungsfreiheit, hääää?

Es ist die gleiche Masche, die schon Sarrazin erfolgreich durchgezogen hat. Sein Pamphlet „Deutschland schafft sich ab“ erschien in Millionenauflage, er saß wochenlang in sämtlichen Talk-Shows und jammerte dort, dass seine Meinungsfreiheit eingeschränkt sei. Weil er massiven Widerspruch erhielt. Ähnlich bei Uwe Tellkamp. Der Suhrkamp Verlag hat mitgeteilt, dass er die politischen Meinungen Tellkamps nicht teilt, verlegt aber weiterhin seine Bücher. Repression! Einschränkung der Meinungsfreiheit! Zensur! Man kann es tausenfach wiederholen, es wird nicht helfen: Wer Widerspruch erfährt, ist nicht in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt. Der Widerspruch ist fester Bestandteil der Meinungsfreiheit.

Nach dem Ausschluss von Krause aus der Jahresausstellung, der folgenden Absage der Ausstellung und dem Widerruf der Absage sollte es eine Podiumsdiskussion dazu im MdbK geben. Zunächst für Donnerstag geplant, wurde siew auf Krauses Wunsch hin auf den Dienstag verlegt. Sie ist letztlich geplatzt, weil Krause forderte, der Psychoanalytiker Maaz solle zu seiner Verstärkung teilnehmen. Museumsdirektor Weidinger sagte zu, Maaz wollte aber eine formelle Einladung. Die habe auch nicht nicht bekommen, nur einen Anruf, woraufhin ich zusagte. Warum da ein Psychoanalytiker sitzen muss, der von Kunst keine Ahnung hat, erschließt sich mir aber sowieso nicht. Sicherlich, um alle für gestört zu erklären, die etwas gegen Rechtsradikale haben. So wie ich. Auf Krauses FB-Seite wurde ich schon im Dutzend als Fall für die Psychiatrie bezeichnet. Und seine neue Galeristin Friederike Sehmsdorf vom Kunst-Kontor Potsdam diagnostiziert Moritz Frei, der nicht mit Krause ausstellen wollte, nach kurzem Blick auf seine Internetseite auch gleich mal eine psychische Störung. So geht Diskurs á la AfD. Und nun wird in Kommentaren auf FB auch noch behauptet, Krause hätte bei der Podiumsdiskussion Redeverbot erhalten.

Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich, zuletzt auch für die Diskussion im MdbK eingeladen, bringt den Begriff der autonomen Kunst ins Spiel. Das finde ich problematisch. Die Kunst wurde im späten Mittelalter autonom, als sie sich teilweise und langsam vom dienstleistenden Charakter für die Kirche emanzipierte. Künstler begannen das darzustellen, was sie wollten, keinem Auftrag folgend. Der Begriff des Künstlers entstand überhaupt erst zu dieser Zeit. Doch selbst das Jahrtausendgenie Leonardo machte alles mögliche, die paar Gemälde fallen quantitativ kaum ins Gewicht. Was hat das nun mit Krause zu tun? Der kann von seiner Bilderproduktion leben und ist völlig frei in der Wahl der Motive und der Darstellungsweise. Heute ist jede Kunst, die nicht im direkten Auftrag entsteht, autonom.

Ich möchte noch begründen, warum ich Krause als rechtsradikal bezeichne. Eigentlich kann man jeden Anhänger der AfD in ihrem heutigen Zustand so nennen. Doch bei Krause gibt es konkrete Belege. Nicht nur, dass er außer der AfD auch Kubitscheks Sezession, die Identitäre Bewegung oder Ein Prozent gut findet. Schon viele Monate vor der sogenannten Flüchtlingskrise ist er bei Legida mitgelatscht, hat er mir in unserem Gespräch vor einem Jahr erzählt. Ich war bei der selben Demo auf dem Platz als Beobachter und habe dazu geschrieben. Seine Selbstdarstellung als „entarteter“ Künstler ist keine Ironie, sondern eine Verhöhnung der Opfer der Nazi-Aktion Entartete Kunst. Und Krause findet es in Ordnung, dass bei einem Fußballspiel deutsche Spieler, die nicht ganz weiße Haut haben, rassistisch beleidigt werden. Der privat anwesende Journalist, der das öffentlich machte, ist für Krause ein „weinender Faschist“, der seinen inneren Totalitarismus noch nicht überwunden habe. Wie soll ich so einen Menschen denn bezeichnen?

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