Bitterfelder Weg Nr. 2

Nach mehrjähriger Lektüre der Tippgemeinschaft, also des Jahrbuches der Studenten des Deutschen Literaturinstituts Leipzig, und dreijähriger Rezension dieses Werkes kommen mir trotz des Fehlens interner Kenntnisse des dortigen Lehrbetriebes einige Gedanken, was vielleicht zu verändern wäre. Die Resultate sollten ausreichen, um externe Vorschläge machen zu dürfen. Weiterlesen

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Hinterhof-Wut

Bei der aktuellen Ausstellung Szenarien über Europa I der Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig habe ich mir im Zuge des Lifelong Learning einen neuen Begriff angeeignet: Nimbyismus. Der Künstler Nils Norman benutzt ihn in seiner fiktiven Landkarte der südenglischen Romney Marsh, wo er soziale Gruppen wie etwa Old School Bohemians, Underground Agrarians oder Unemployed Fishermen Sex Workers geografisch verortet. Und ebenda taucht NIMBY auf – Not in my Backyard! Also jene Art von kleinbürgerlicher Protestkultur, die zuerst die Abschaltung von Atomkraftwerken fordert und dann strikt gegen Hochspannungsleitungen ist, die neben dem eigenen Haus errichtet werden sollen, um Windkraft vom Erzeuger zum Abnehmer zu transportieren.

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Kunst last minute

Die Volksmassen interessieren sich nicht für Kultur jenseits des Musikantenstadls? Von wegen. Wir selbst nutzten den gestrigen Feiertag, um am letzten möglichen Tag die Gesichter der Renaissance samt Leonardos Dame mit dem Hermelin zu sehen. Das wäre uns ohne hier nicht näher zu erleuternde Tricks trotz sehr zeitigem Aufstehens eigentlich nicht gelungen. Denn als wir gegen 10 in Berlin ankamen, wurde dem hinteren Teil des Wartekollektivs vor dem Bodemuseum schon verkündet, dass sie nach Hause gehen könnten. Obwohl die Öffnungszeit bis Mitternacht verlängert wurde, sei heute keine Chance mehr, noch reinzukommen.

Wir waren drin, so ab vier Uhr nachmittags. Dass die Ausstellung das Warten lohnt (und dies die restlichen Tage sogar ohne den Leonardo tut), haben alle Zeitungen schon berichtet. Darum hier keine Rezension.

Und die Wartezeit haben wir mit Hokusai im Gropius-Bau verbracht. Auch das dank einwöchiger Verlängerung am letzten möglichen Termin. Doch für die Ausstellung bräuchte man eigentlich einen vollen Tag, so üppig und vielseitig ist das Lebenswerk des Japaners. So war es nur ein Schnelldurchlauf.

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Gestern abend bei Zimmermann & Co.

Die Musiker in der Arena Leipzig haben das geliefert, was von ihnen zu erwarten war: Mark Knopfler zelebrierte virtuoses Gitarrenspiel, in besten Sinne klassisch zu nennen, mit seinem ruhigen Gesangsstil vereint. Und Dylan machte das, was er seit fünfzig Jahren macht: gute, einfache Musik, die einfach gut ist. Dass er mit 70 keine Melodiebögen im Gesang mehr hinkriegt, wird durch die wunderbar knarrende Stimme kompensiert.

Aber. Großes Aber. Ein Rockkonzert, wo es ausschließlich durchnummerierte Sizplätze gibt, das geht gar nicht. Als wir dann zumindest bei Dylans Part uns hinter die letzte Stuhlreihe gestellt haben, um sich zu dieser immer noch ganz dynamischen Musik bewegen zu können, kam natürlich schnellstens so ein Pinguin angerannt und forderte uns auf, sofort wieder zum Platz zu gehen und sich hinzusetzten. Immerhin ließ uns die Dame nach meinem Hinweis, dass dies hier nicht der Musikantenstadel sei und der Herr am Mikrofon nicht Florian Silbereisen heißt, in Ruhe. Doch den bösen Blick ständig im Rücken zu spüren versaut den besten Konzertgenuss. Die meisten anderen so Aufgeforderten setzten sich nämlich wieder brav hin. Deutsche eben. Irgendwann in der Mitte des Konzertes brach dann der Damm und die Ordnungstruppe schaffte es nicht mehr, die vielen Aufgestandenen in die Schranken zu weisen. Zu spät. Der Manager, der solch eine Planung anordnet, ist ganz einfach am falschen Platz. Er soll zur Stadthalle Chemnitz wechseln. Insofern war es das bekackteste Konzert, das ich je erlebt habe. Die Musiker sind daran völlig unschuldig.

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EÖN statt e.on!

Am Wochenende bekam ich als Mitbringsel einer Buchmesse-Besucherin das schmale Bändchen IWF! IWF! OMG! OMG! von Eirikur Örn Norddahl (EÖN) geschenkt. Den Namen hatte ich nie zuvor gehört. Da ich aber gar keine isländischen Schriftsteller der Gegenwart kenne, ist das kein Wunder. In seiner Heimat soll er aber zu den bekannten Namen gehören und schon ein ziemlich umfangreiches Werk veröffentlicht haben, darunter drei Romane.

In dem Büchlein sind allerdings Gedichte als Auswahl eines Jahrzehnts versammelt. Der Titel lässt schon vermuten, dass Politik eine Rolle spielt, was in der deutschen Gegenwartslyrik ja kaum vorkommt. Neben der Bankenkrise beschäftigt sich EÖN unter anderem mit der Problematik des geistigen Eigentums (Jedes Mal, wenn du deinen Freunden ein Lied auf YouTube vorspielst, verhungert ein Musiker.) Er selbst muss nicht verhungern, bekommt er doch trotz des gegenwärtigen Wohnsitzes in Finnland einen staatlichen Dichterlohn. Eine nette Einrichtung in einem Land, das so pleite ist wie Griechenland.

Neben den politischen und sozialen Themen gibt es aber auch viele Spielereien zwischen Neo-Dada und Konkreter Poesie. Im mündlichen Vortrag auf Isländisch ist das garantiert viel wirkungsvoller als in der gedruckten Übersetzung. Aber Spaß macht das Lesen trotzdem, sogar bei solchen Versen wie Pol Pot sitzt im Puff auf dem Pisspott. Dafür wird er wohl keinen Nobelpreis bekommen. Aber man weiß ja nie.

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Schönheits-Nerv entdeckt

In der aktuellen Ausgabe der Kunstzeitung gibt es ein Interview mit dem Hirnforscher Manfred Spitzer über die neurologischen Grundlagen der Wahrnehmung des Schönen. Spitzer erläutert, warum neueste Erkenntnisse der Hirnforschung nahelegen, dass Schönheit ganz unmittelbar ohne rationalen Filter empfunden wird. Weiterlesen

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Bürger aller Länder, versammelt euch

Das klingt nun typisch deutsch: Aus Occupy Wallstreet wird Bunte Bürgerversammlung. Naja, wenigstens passiert überhaupt etwas. Am Samstag 13 Uhr auf dem Augustusplatz.

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Meisterhaft in Naumburg

Naumburg ist von Leipzig kaum mehr als eine Autostunde entfernt, trotzdem hat es zwanzig Jahre gedauert, bis ich mich wieder mal hingefunden habe. Grund war die Landesausstellung von Sachsen-Anhalt „Der Naumburger Meister“. Und so habe ich nicht nur gestaunt, wie sich die Stadt verändert hat, sondern auch eine wirklich sehenswerte Ausstellung gesehen (läuft noch bis Ende Oktober). Da man von der Fülle der Exponate ziemlich erschlagen wird, lohnt es sich auf jeden Fall, den zweibändigen Katalog mitzunehmen: für 50 Euro reichlich 1500 großformatige Seiten. Da weiß man, was man hat.

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Säuerlicher Vorschlag

Da wird der (Verkehrs-)Raum sauer:

Stern online vom 4. Oktober 2011

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(Zu) frühe Okkupation

Dass in Ländern wie Griechenland und Spanien Massen gegen den Sozialabbau demonstrieren, ist ja nachvollziehbar. Aber schon die Proteste gegen den Neoliberalismus in Chile und Israel sind nicht so ganz selbstverständlich. Um so überraschender, dass nun ausgerechnet in den USA eine breite Bewegung entsteht, die man kaum anders als antikapitalistisch bezeichnen kann.  Unter dem Slogan Occupy together soll diese Welle nun weltweit überschwappen, unter anderem mit einem gemeinsamen Aktionstag am 15. Oktober. Schön und gut. Was mich dennoch stört, ist das Timing. Am Sonntag, jenem Tag, an dem man sich vom Hamsterrad mal etwas entspannen kann, soll der Protest früh um 6 losgehen. In Ordnung, einmal mach ich das mit. Aber dann übernachten wir gemeinsam in den Chefetagen der Banken, um nicht so früh aufstehen zu müssen und dennoch die Losung zu erfüllen. Oder?

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