Pure Harmonie

Dass die Buchmesse 2014 mit einem erneuten Besucherrekord enden würde, gab die Führung des Messeunternehmens schon vorher bekannt. Der Anstieg um rund 7000 Besucher fiel dann noch deutlicher aus als prognostiziert. Überhaupt schienen diesmal Harmonie und Optimismus zu dominieren, während vor zwei Jahren die Sorge ums Urheberrecht und im Vorjahr die Angst vor den digitalen Büchern nicht zu übersehen waren. Beides scheint 2014 keine Rolle mehr zu spielen. Dabei hilft das von den Großkonzernen durchgedrückte Leistungsschutzgesetz am wenigsten den Autoren. Und der leichte Umsatzgewinn des stationären Buchhandels bei gleichzeitigem Rückgang der zahlen im Online-Handel kann auch noch nicht als Entwarnung gelten. Angenehm aber ist, dass sich manche Hysterie gelegt hat, die Inhalte der Literatur wieder eine größere Rolle in den Diskussionen spielen.Und dass der Ansturm auf die Messe und die Lesungen zeigte – das Buch ist auch in der gedruckten Form kein Auslaufmodell.

Auffälligste Neuerung war in diesem Jahr die Bereitstellung von Halle 1 für die Manga- und Comicanhänger, was ein kleines bisschen auch zur räumlichen Entzerrung in den anderen Hallen führte. Trotzdem halte ich diese Lösung noch nicht für optimal. Eigentlich gehört diese spezielle Veranstaltung in die warme Jahreszeit und in Innenstadtnähe, auch wenn dann die Buchmesse mal für ein Jahr keinen Besucherrekord melden könnte.

Die Jury des Preises der Buchmesse hat zum Glück nicht auf Maxim Biller gehört, der zugewanderte Schriftsteller für immer und ewig auf Migrations-Themen festnageln will, mit denen sie sich von den saturierten Nazi-Enkeln abheben sollen. So hat Saša Stanišić zu Recht den Preis für seinen Uckermark-Roman bekommen. Wie er bei der Lesung im vollen Saal des Hauses des Buches am Sonnabend zeigte, steckt da aber doch ein kleines bisschen Immigration drin.

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Nichts geschehn

Im Sommer vorigen Jahres las ich Hans Beltings Buch „Das unsichtbare Meisterwerk“, in dem er unter Berufung auf Baudelaire das Verschwinden der öffentlichen Wahrnehmbarkeit von Kunst als ein Paradigma der Moderne darstellt.

Dabei erinnerte ich mich daran, dass ja im Herbst zuvor die Shopping Mall „Höfe am Brühl“ eröffnet wurde, deren Betreiber immerhin Geld in die Auschreibung eines Wettbewerbes zur Bekunstung dieses Klumpens gesteckt hat. Gewonnen wurde die Ausschreibung vom Leipziger Kollektiv FAMED. Die Pressemitteilung von Höfe-Herr mfi war überschrieben: „Als wäre nichts gescheh’n!“
Höfe am Brühl bekommen ein Aufsehen erregendes Kunstwerk.“ Weiterlesen

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Suchbild mit Denkmal

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Wo verbirgt sich auf diesem Foto ein politisches Denkmal? Nein, der Steinhaufen im Hintergrund ist noch nicht zum Memorial für Lehmann-Grube oder Tiefensee umgewidmet worden. Weiterlesen

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Neue Schreibmaschine

„Konzeptuelles Schreiben“ nennt sich ein Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der Leipziger Literaturzeitschrift Edit. Sicherlich kann man auch konzeptlos schreiben, doch die Mehrzahl der literarischen Texte beruht zweifellos auf vorhergehenden Überlegungen zum Was und Wie. Was ist also mit diesem Etikett gemeint? Der Autor, der eine konzeptuelle Schreibweise anwendet, trifft die gesamte Planung und die Entscheidungen vorab, die Ausführung ist nebensächlich. Die Idee wird zu einer Maschine, die den Text herstellt, erklärt Kenneth Goldsmith.

Verstanden. Ich probiere es mal aus:

Sechserpack Eier, Salami, 2 Flaschen Mineralwasser mit Kohlensäure, Quark, Obst (gucken was gut aussieht und nicht so viel kostet), Katzenfutter (aber nicht Whiskas)

Die Ausführung ist nicht so wichtig, interessant muss der Text nicht sein, aber das Konzept wird durchschaubar. Da kommt mir der Verdacht, dass es sich nur um eine neue Überschrift im Interesse der Vermarktung handelt. Texte, die von einer formalen Idee ausgehen, finden sich das ganze 20. Jahrhundert hindurch, eigentlich sogar schon im Manierismus und Barock. Aber vielleicht ist es günstiger, irgendwelche Fördergelder einzuwerben, wenn man so tut, als wäre es eine neue Erfindung.

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Zentralorgan

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Wer gestern nicht unbedingt am Fernseher miterleben wollte, wie Putin per Fallschirm in das Stadion von Sotschi einschwebt und mit nacktem Oberkörper einen Tschetschenen niederringt, konnte die Eröffnung einer neuen Leipziger Galerie miterleben. Der Name Zentral Galerie ist zunächst topografisch auf die Lage im Katharinum bezogen, einen zentralen Platz in der Szene müssen sich die acht Künstler, die eine Art Solidargemeinschaft bilden, und Galerist Enrico Meyer erst noch erarbeiten. Dann kann aus der jetzigen Zwischennutzung des freien Raumes ein Dauerzustand werden.

Für die nächsten drei Wochen gibt es zunächst zwei Objekte von Ritchie Riediger zu sehen sowie mehrere Zeichnungen eines sich JOD nennenden Künstlers zu sehen – für mich der interessantere Teil.

Warum aber für die Einladungskarte ein an das Revers-Bonbon einer untergegangenen Partei heftig erinnerndes Motiv gewählt wurde, habe ich noch nicht erschlossen.

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Zwei (für mich) neue

Zwei Zeitschriften über Kunst, die mir bisher noch nicht untergekommen waren, habe ich in letzter Zeit konsumiert. Die eine bezeichnet sich im Untertitel sogar als neu und heißt kunnst. Titus Schade hat sie mir bei meinem Atelierbesuch geschenkt, da ein Artikel über ihn drin ist. Das in Köln erscheinende Heft richtet sich hauptsächlich an Sammler. Also gibt es etliche Berichte von Messen und Auktionen, ein Spezialteil zum Versichern von Kunst, dazwischen wenige Vorstellungen von Künstlern und ein Bericht über den Rundgang an der Hamburger HfBK. Die redaktionellen Beiträge gehören nicht unbedingt zu den Höhepunkten deutschsprachiger Literatur dieses Genres. Auf ein Abo von kunnst werde ich sicherlich verzichten, da die Zeiten, in denen ich zum Sammler werden kann, vorläufig noch nicht absehbar sind. Weiterlesen

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Gut abgehangen

Für das Museum der Bildenden Künste war das Jahr 2013 nicht unbedingt das beste seit der Wiedereröffnung im Glaskasten am Sachsenplatz. Abgesehen von der heftigen medialen Kritik an der Ausstellung Die Schöne und das Biest (die allerdings vom gemeinen Volk kaum geteilt wurde) waren die Besucherzahlen nicht so berauschend. Das Schielen auf populistische Effekte hat nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Weiterlesen

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School is out (?) Ein Nachschlag

Fast zwei Stunden Gespräch mit Christine und Arno Rink, kürzere mit Annette Schröter, Joachim Brohm und Titus Schade, Studium der nicht sonderlich umfangreichen Literatur zur Geschichte der HGB – in den letzten Wochen habe ich mich ziemlich intensiv mit der Hochschule beschäftigt. Und die Rektorin war zumindest so freundlich, schriftlich auf meine Fragen zu antworten. Manches von meinem Unbehagen hat sich währenddessen aufgelöst oder relativiert, andere Fragen und Zweifel bleiben virulent. Was muss mich als Außenstehenden eigentlich angehen, was aus dieser Schule wird? Für die Kultur dieser Stadt ist sie schon bedeutsam, auch als „Brutstätte“. Weiterlesen

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Moment mal

Der Blog leipzig-leben.de ruft anlässig seines zweiten Geburtstages wieder zu einem Mitmachspiel auf. „Leipziger Momente“ sind gefragt. Da ich im vorigen Jahr bezüglich der Gewinnausschüttung ziemlich erfolgreich war, will ich auch diesmal was liefern. Im letzten Moment:

Kunst als Stapelware. Mehrere Fußballfelder übereinander. Und daneben noch etliche flach gelagerte Galerien. Spinnerei, dachte ich, muss dieses gestreifte Dings an der Nonnenstraße sein, wo ich in der Nähe in den frühen Neunzigern mal für Wochen bei einem Freund kampiert hatte. Doch dort fanden wir keine Kunst, aus Chemnitz angereist, um den selbst da in den Medien gepriesenen ersten Rundgang zu bestaunen. Aufklärung durch Anruf bei einem Leipziger Freund. Irgendwo hinter den Bahnhof Plagwitz müsse das wohl sein. Tatsächlich. Dann in der Halle mit der schlichten Nummer 14 von unten nach oben, immer höher. Kunst unter etwa 20 Zentimeter langen Fladen uralter Anstriche, von der Decke hängend. Vom patinierten Treppenhaus zweigt im ersten Stock eine brüchig wirkende Verbindungsbrücke zum gegenüberliegenden Bau ab. Die Uhr auf deren Blechdach zeigt zehn nach Zehn. „Frühstück für immer“ sang Gundermann zu der Zeit, als die Uhr wohl stehen blieb. Zumindest hat diese Zeigerstellung den Anschein lächelnder Mundwinkel. Weiter nach oben. Wieder Kunst. Ziemlich viel. Noch weiter. Dann eine letzte Stahltür. Zugang zum Dach. Sonne. Ein sommerwarmer Maitag. Und dieser Duft. Das ganze Flachdach ist mit Schnittlauch bewachsen, der gerade blüht vor der Leipziger Silhouette. So überwältigend kann keine Kunst sein.

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Der Spinnereirundgang in Thesen

spinnerei

1. Archiv Massiv: a) Besucher schauen Besucher an, b) Tsunami im Baumarkt

2. ASPN: Trompe-l’œil für´s 21. Jahrhundert

3. b_2: Ausgrabung der Gegenwart

4. Josef Filipp: Dead or alive – egal

5. Laden für Nichts: Gin Tonic gegen Laktoseintoleranz

6. Estace: Weiß jemand, wie Informel auf Deutsch heißt?

7. Pilotenküche: noch nicht gar

8. LIA: in froher Erwartung, oder: Mehr ist mehr

9. Queen Anne: Gestern ist das neue Heute

10. Dukan: Den Film hab ich schon gesehn

11. Maerzgalerie: Nicht alles im Kasten

12.  Kleindienst: Wasserspiele I (von oben nach unten)

13. Jochen Hempel: Wasserspiele II (von unten nach oben)

14. Eigen + Art: Wasserspiele III (von rechts nach links)

15. Halle 14: Haste mal Tausend Euro?

Und sonst? Bigos vegetarisch: 3,50 Euro

auktion

Günther Meyer in A(u)ktion

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