Die Gesetze der Jugend

Manchmal hat es Vorteile, dass ich nichts wegwerfen kann, vor allem keine Bücher. So stieß ich beim Wochenendbesuch im oberlausitzer Elternhaus auf ein Werk namens „Der Sozialismus – Deine Welt“. Wie die darin liegende Urkunde bestätigt, bekam ich es zur Jugendweihe am 5. April 1974 überreicht. Ich bin nun also seit genau 35 Jahren Jugendlicher. Eine weitere interessante Beilage zum Buch ist die Broschüre Gesetz über die Teilnahme der Jugend an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik – Jugendgesetz der DDR – vom 28. Januar 1974. Das Jugendgesetz ist auch so eine Sache, die bei der sogenannten Vereinigung gänzlich verschwand. Dabei hätte man es doch überarbeiten können. Zum Beispiel § 30, der im Original so lautet:

Das Bedürfnis der Jugend nach Geselligkeit, Tanz und Unterhaltung, ihr Streben nach niveauvollen Veranstaltungen zur Bereicherung ihrer vielseitigen Freizeitgestaltung sind zu fördern und immer besser zu befriedigen. Die zuständigen staatlichen Organe sichern – in Zusammenarbeit mit dem Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler sowie dem Schriftstellerverband der Deutschen Demokratischen Republik – das Entstehen und die Verbreitung von Tanzmusik und Unterhaltungsprogrammen mit hoher künstlerischer Qualität. Die Räte der Kreise sind verpflichtet, stärkeren Einfluß auf die gesellschaftliche Aktivität und künstlerische Entwicklung der Tanzkapellen zu nehmen. Sie unterstützen gemeinsam mit den Leitungen der Freien Deutschen Jugend die Qualifizierung der Amateurtanzkapellen sowie der Leiter und Sprecher von Diskotheken. Die Räte der Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden gewährleisten, daß Anzahl und Niveau von Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen erhöht werden.

Mein Vorschlag für eine aktualisierte Neufassung wäre:

Das Bedürfnis der Jugend nach Cliquenbildung, Party und Chillout, ihr Streben nach wertiger Action zur Ablenkung von der tristen Realität sind zu fördern und immer raffinierter zu durchdringen. Die zuständigen staatlichen Organe sichern – in Zusammenarbeit mit Deutschland sucht den Superstar und dem Programmbeirat des MDR sowie dem Literarischen Quartett – das Producing und die Distribution von Rave und Events mit hohen kommerziellen Quoten. Die Kulturausschüsse sind verpflichtet, stärkeren Einfluss auf die Politikferne und Bpm-Rate der Crews zu nehmen. Sie unterstützen gemeinsam mit der Jungen Union und dem CVJM das Merchandising der Indie-Bands sowie der MCs und DJs von Clubs. Die V-Männer von Bund, Ländern und Kommunen gewährleisten, dass Phonzahl und Chartplatzierungen von Bad Taste Productions erhöht werden.

Kann bitte einer der Juristen unter den Stammlesern dieses Blogs prüfen, ob das alles verfassungskonform ist?

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