Worte zum Ostersonntag

Anlässlich des Feiertages will ich etwas unbedeutendes Geschwätz beisteuern. Der Text ist nicht mehr ganz taufrisch, aber von der Bibel kann man das ja auch nicht behaupten.

Gottes Bezug


Im Herbst 2007 schuf der Maler Gerhard Richter Glasfester für den Kölner Dom mit einem abstrakten Muster aus farbigen Quadraten. Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner sorgte daraufhin für Aufruhr, weil er verkündet hatte, alle Kultur ohne Gottesverehrung sei entartet. Die meisten Kritiker störte der Begriff „entartet“. Nun ja, Hochwürden Meisner hätte natürlich besser Attribute wie „lebensunwert“, „undeutsch“ oder „kulturbolschewistisch“ verwenden können. Doch es kommt ja eigentlich auf den Gehalt seiner Aussage an. Also: Kunst ohne Gottesbezug ist Scheiße! Ich bin in mich gegangen und musste mit Entsetzen feststellen, dass durchweg alles, was ich in den letzten vierzig Jahren, also seit ich schreiben kann, geschrieben habe, Scheiße ist. Doch es ist nie zu spät, Reue zu zeigen und umzukehren. Darum habe ich als ersten Schritt einen Text verfasst, in dem der Gottesbezug hoffentlich nicht zu überhören ist.


Als ich an einem sonnigen Abend mal mit meinen zwölf Freunden Pit, Andy, Jack, Jo, Phil, Bart, Tom, Matti, Jako, Thaddi, Sim und Judy zusammen saß, um die Schönheit der Schöpfung zu feiern, ging an der Tafel unerwartet der Wein aus. Ich behob das Dilemma, indem ich unbemerkt die Kellnerin herbeirief und eine neue Runde auf meine MasterCard anschreiben ließ. Meine Kumpels Pit, Andy, Jack, Jo, Phil, Bart, Tom, Matti, Jako, Thaddi, Sim und Judy wunderten sich etwas über die Vermehrung des Getränkes, fragten aber nicht weiter nach. So sind sie eben, diese Gläubiger. Jo, der immer etwas klebrig ist, sabberte auf mein neues Madonna-T-Shirt, während ich gerade Judy einen Löffel Götterspeise in den Mund schob. Er labert nämlich manchmal etwas mehr, als nützlich ist. Außerdem ist er Fan von Black Sabbath.

Die Sonne versank gerade brennend hinter einem Dornbusch, als ich, fast geblendet, eine engelsgleiche Erscheinung am anderen Ende des Swimmingpools der Hotelterrasse erblickte. Ich hatte es eilig, der Lichtgestalt nahezukommen, legte darum nur hastig die Jesuslatschen ab und schritt gleich über das Wasser. Der Bademeister schrie mir zwar hinterher, dass es verboten sei, Dornenkronen im Pool zu tragen. Aber ich war doch gar nicht drin, also echt mal! So ein Philister.

Dann stand ich vor ihr. „Angenehm, Maria“ hauchte sie. „Genauso angenehm, Jens Kassner“ sagte ich kraftvoll.

Bei einem Glas Ambrosia erzählte sie mir, sie sei Nonne. Das waren auch schon ihre Mutter und die Großmutter, sagte sie, liegt halt so in der Familie. Den heiligen Vater hätte sie allerdings nie kennengelernt, war irgendwie zu den Römern abberufen worden oder so ähnlich. Jedenfalls hatte Mutti immer, wenn sie nach dem Mann auf dem Foto mit dem Monchichi-Grinsen fragte, nur geantwortet: „Der Vatikan nicht mehr.“ Ich weinte ein kleines bisschen, das passiert mir immer wieder in Momenten der Verzückung. Dann fing ich mich wieder und jagte schnell noch die Händler von der Terrasse, die uns raubkopierte Judas-Priest-CDs andrehen wollten.

„Gehen wir zu dir oder zu mir?“ fragte ich wie üblich. Sie wusste aber, dass mein Zuhause nirgendwo und überall ist, also vor allem in den Herzen der Menschen, die an mich glauben, und dort ist meist wenig Platz für nochwen. Darum lächelte Maria Magdalena nur. „Natürlich zu mir, nach Magdala.“ Auf der Autobahn in Thüringen blieben wir mit ihrem Hyunday Athos ein bisschen im Stau stecken. Außerdem hatten wir uns verfahren, das hat man davon, wenn man Wegbeschreibungen von Hape Kerkeling benutzt. Doch dann kamen wir in ihrer bescheidenen, jedoch blitzsauberen Klause an. Sie legte zuerst ihr Gelübde, dann die Nonnenkutte und alle weiteren Sachen ab. Ich entledigte mich der Dornenkrone, da sie mir schon angekündigt hatte, nicht auf SM, also Sodom und McKinsey zu stehen.

Als sie dann schließlich auf dem Kreuz lag und ich sie nagelte, schickte sie viele Stoßgebete gen Himmel: „Oh Gott! Oh Gott, oh Gott! Oh Gott!“ – „Oh Gott!!!!“

Ich sah nach unten und siehe da, es war gut. Und nach dem siebenten Male ruhte ich, ein bißchen. Doch dann betrachtete ich Laken und Bettbezug, drehte das linnene Zeug mit 30 Prozent Hanfanteil hin und her, konnte aber nichts feststellen. Alles völlig unbefleckt. Sie bemerkte mein Erstaunen und erklärte: „Das ist Gottes Bezug.“ „Ach, so sieht der aus.“ „Na klar, wird aber heute auch schon in Taiwan und Hongkong imitiert. Schlimm mit diesen Polytheisten und Polyesteranbetern.“ „Hmm“ murmelte ich bloß, denn eigentlich ist mir Globalisierung eine Berufung. So kam es mir eigentlich ganz gelegen, dass ich einen Anlass fand, eine Himmelfahrt vorzutäuschen.

„Wass´n dass da zur Hölle?“ rief ich mit gespielter Entrüstung aus, als sie sich zwei halbseidene weiße Dingerchen auf den Rücken schnallte. „German Wings“ antwortete sie mit einem Beben in der Stimme. „Und auf so was Billiges bin ich reingefallen. Ha!“

Zeit, den Abflug zu machen. Als ich wieder am Pool bei Pit, Andy, Jack, Jo, Phil, Bart, Tom, Matti, Jako, Thaddi, Sim und Judy eintraf, hatte der Hahn schon dreimal gekräht, wovon Pit nichts gehört haben wollte. Die anderen hatten entweder gar nicht bemerkt, dass ich unterwegs war, um eine verirrte Seele heimzuführen, oder sie pennten schon. Vor allem Jo, dieser Schläfer. Manchmal vermute ich, der denkt sich in seinen Entrückungen Fatwa, Scharia und so´n unkoscheres Zeug aus. Mal sehen. Nur Tom schaute mich erstaunt an und fragte „Du lebst? Nee, echt eh, nee?“ „Laß gut sein, Tommy, schieb mir mal was von deinem berühmten Senf in die wunde Stelle und wunder dich dann nicht weiter.“

Schließlich merkte ich, dass Judy fehlte. Ich überraschte ihn am Beckenrand, wo er gerade ein Kreuzworträtsel mit bunten Faserschreibern ausmalte. „Äh, soll eigentlich ein Glasfenster für den Kölner Dom werden.“ stammelte er. „Interessant. Ich kenne da jemanden, kann dir gern den Kontakt herstellen, ist ein Kardinalfehler oder so was ähnliches, musst bloß das Black-Sabbath-T-Shirt ausziehen.“ Judy willigte sofort ein.

Damit wären wir wieder am Anfang der Geschichte angelangt, die ich jetzt nicht nochmal wiederholen will. Wir sind doch hier nicht in der Kirche, wo seit 2000 Jahren das Gleiche erzählt wird.

Dieser Beitrag wurde unter ergüsse, poetry slam, politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.