Man wird doch mal …

… von Demokratie träumen dürfen. So ganz demokratisch sieht das nämlich nicht aus, wie gerade die nach Verabschiedung Georg Girardets vakant werdende Stelle des Kulturbürgermeisters von Leipzig neu besetzt werden soll. Noch bevor eine Ausschreibung veröffentlicht wurde, stand der Name des neuen Dezernenten schon fest. Vereinbart zwischen den Fraktionen Linkspartei und SPD.

Nichts gegen Michael Faber, aber ein freier Wettbewerb der Vorstellungen, welche Akzente in der Leipziger Kulturpolitik eventuell neu gesetzt werden könnten, erscheint mir auch nicht schlecht. Darum habe ich mir mal paar Gedanken gemacht und aufgeschrieben. Und wenn Herr Faber dann sagt: „Genau das ist meine Linie!“ wäre es den Aufwand wert gewesen.

Thesen zur Leipziger Kulturpolitik


1. Der Kulturetat darf im Städtischen Haushalt auch unter den Bedingungen einer sich abzeichnenden mittelfristigen Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen auf die Einkommenssituation der Kommune nicht gekürzt werden. Kultur ist kein schmückendes Beiwerk, sondern Lebensmittel und zugleich Standortvorteil mit wachsender Bedeutung. Ausgaben zur kulturellen Bildung, zur weiteren Aufwertung des Stadtimages wie auch in die Kreativwirtschaft sind als unmittelbare Maßnahmen der Wirtschaftsförderung zu verstehen. Der in der Präambel des Kulturentwicklungsplanes als erstes Ziel dieses Planes genannte Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen erlaubt keine Kürzungen in einem Bereich, der ohnehin nur einen kleinen Teil des Gesamthaushaltes ausmacht.



2. Die am 17. September 2008 von der Ratsversammlung beschlossene Aufwertung der Freien Szene ist konsequent umzusetzen. Dies betrifft nicht nur die schrittweise Aufstockung der Fördermittel auf 5 % vom gesamten Kulturetat bis 2013, sondern auch die ideelle Unterstützung. Obwohl die Freie Szene nur einen minimalen Anteil der Fördermittel erhält, trägt sie ungefähr zur Hälfte aller Kulturbesuche bei. Während die sogenannte Hochkultur ein sehr wichtiger Faktor für den Tourismus ist, wirkt die Freie Szene in starkem Maße als Kriterium für die Auswahl des Wohnsitzes nicht nur junger Leute. Eine Stärkung dieses Bereiches trägt unmittelbar zum ersten wie auch zweiten Hauptziel (der ausgewogenen Bevölkerungsstruktur) in der Präambel des Kulturentwicklungsplanes bei.



3. Die Kommunikation zwischen Kulturakteuren, Verwaltung und Gremien ist ausbaufähig. So kann beispielsweise ein Kulturbeirat dem Kulturausschuss zur Unterstützung zugeordnet werden, bestehend aus Abgeordneten und kompetenten Vertretern aller Kultursparten. Dieser Beirat kann aus dem Runden Tisch freie Kultur hervorgehen, aber unter Einbeziehung der kommunalen Einrichtungen. Auch die im Teil-Kulturentwicklungsplan Bildende Kunst angesprochene Schaffung von Kompetenzstellen zur Förderung ehrenamtlichen Engagements ist zu prüfen.



4. Eine spezifisches Qualität der Leipziger Kultur, wie auch des gesamten städtischen Selbstverständnisses seit Jahrhunderten, ist die Offenheit für Neues und Unkonventionelles. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal beispielsweise gegenüber der Dresdner Kultur, in welcher die Betonung der Tradition stärker im Vordergrund steht. Diese Eigenart ist zu fördern, was natürlich keine Missachtung des Erbes sein darf.

In diesem Zusammenhang muss auch dem Experiment zur Neuorientierung des Theaters noch etwas Zeit gegeben werden, bevor eine kritische Prüfung über die Fortsetzung entscheidet.



5. Die Zugänge zur Kultur sind weiter zu vereinfachen. Gerade unter den Rahmenbedingungen sich verschlechternder Wirtschaftsdaten muss eine kulturelle Grundversorgung auch für einkommensschwache Schichten möglich sein, die Schwellen sollten herabgesetzt werden. Dazu können Sozialtickets für ausgewählte Einrichtungen beitragen.



6. Die kulturelle Bildung aller Altersgruppen und Bevölkerungsschichten bedarf einer Forcierung. Dazu sind Instrumente wie etwa das sächsische Ganztagsschul-Programm konsequent zu nutzen, aber auch neue Mittel zu entwickeln.



7. Die als vierter Punkt im Kulturentwicklungsplan benannte Kreativwirtschaft bedarf eines aktiv wirkenden Knotenpunktes zur Vermittlung zwischen Kreativen und Entscheidern der Wirtschaft, eventuell auch eines Gründerzentrums für gestaltende Berufe. Ein Ansatz wie beispielsweise Designers open sollte verstetigt werden, um ökonomisch nachhaltig zu wirken. Die Einrichtung solch einer Institution muss nicht unbedingt Aufgabe der Stadt sein, kann aber von ihr initiiert und gefördert werden.



8. Die Kommune kann bei manchen „offenen Baustellen“ vermittelnd wirken. Das betrifft unter anderem einen festen, möglichst innerstädtischen Standort für Jahresausstellung, Grafikbörse und weitere regelmäßige Veranstaltungen im Sinne der geforderten Kunsthalle (die aber auch anderen Sparten dienen sollte), oder auch die Etablierung des Fotografie-Festivals F-Stop als überregionales Ereignis. Als fester Partner für diese Anliegen bietet sich unter anderem die Kulturstiftung Leipzig an, von der auch das Konzept für die Neunutzung des ehemaligen Bowlingszentrums am Leuschnerplatz stammt. Sogar das Halten des englischen Aktionskünstlers Jim Whiting mit seinem Projekt Bimbotown in Leipzig kann ein Aspekt der Standortpflege sein.

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