Die Rückseite des Frohsinns

Der Whiskyflaschenbaum ist ein netter Buchtitel, klingt fast fröhlich. Auch die Überschriften der meisten Geschichten im ersten Erzählband von Katharina Bendixen hören sich nicht gerade einschüchternd an: Der Grashalm etwa, Das Lächeln der Schauspieler nach dem Nathan oder auch Sonnengötter. Doch beim Lesen wächst ein Gefühl der Beklemmung. Das liegt nicht allein daran, dass es häufig Todesfälle gibt, die wenigsten davon natürlicher Art. Zum Ende des Buches nimmt die Mortilitätsrate deutlich ab, Frohsinn will trotzdem nicht aufkommen.

Katharina Bendixen schafft kleine Welten, die ziemlich düster sind. Da kann zwar manchmal die Sonne scheinen, aber dann werden die Nachbarn rabiat, weil es in ihrem norwegischen Ferienhaus immer nur regnet. Der Normalzustand scheint eher eine Art von Nebel zu sein, wie er in Draußen nur Kännchen tatsächlich geschildert wird. Es sind keine Horrorgeschichten, auch keine Phantasy nach herkömmlichem Strickmuster. Unerklärliches passiert aber trotzdem fast pausenlos: irgendwelche Menschen machen sich in der Wohnung einer einsamen Frau zu schaffen; ein Sohn setzt unaufhörlich Kinder in die Welt; die als Ersatz für die früh von der Fabrikarbeit gealterten Dörfler hergeschafften Schwarzen fliegen im Herbst einfach davon.

Die Sprache der Autorin ist dabei betont trocken, frei von Effekten. Das geht soweit, dass keine der handelnden Personen einen Namen hat. Es sind immer nur die Frau, der Mann, die Kinder etc. Lediglich in Ich bin froh, dass mein Name Frau Z. ist wird dieser karge Zusatz aus inhaltlichen Gründen nötig. Selbst körperliche Eigenschaften finden nur in Ausnahmefällen Erwähnung, der Zopf eines Mädchens beispielsweise. Im lehrbuchmäßigen Sinne macht Katharina Bendixen also jede Menge Fehler beim Erzählen. Vorsätzlich. Denn gerade diese Verweigerung des Plastischen verstärkt eben das Nebulöse.

Die Geschichten sind hochgradig artifiziell. Dass hier keine persönlichen Erlebnisse oder Seelenzustände dargestellt werden, ist nicht zu übersehen. Trotzdem frage ich mich, woher die sanft und freundlich erscheindende junge Frau mit dem leuchtend roten Haarschopf so viel Düsternis schöpft. Und ob man ihr wirklich empfehlen kann, Kinder zu kriegen.

Katharina Bendixen: Der Whiskyflaschenbaum. Erzählungen. Leipzig: Poetenladen 2009. ISBN 978-3-940691-07-1

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