Der Ton macht die Musik, nicht die Kunst

Kuczynska_1982

MARIA TERESA KUCZYŃSKA
Büste
Sopot (Polen), wohl 1982
Porzellan, aus Platten geschnitten, um gebauten Kern montiert, verformt, matte Bronzelüster
H 22,5 cm, B 21 cm, T 13,5 cm
GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig,
Schenkung aus der Sammlung H. und H. Koch, 2013
Inv.Nr. 2012.177
Foto: Christoph Sandig

Müllerjoopramos-Mist im Bilderbunker, Keramik im Grassi. Obwohl ich zum Pressetermin am Donnerstag die Ausstellung Gefäß Skulptur 2 nur im Schnelldurchlauf ansehen konnte, in der Eile dann im LVZ-Artikel dummerweise Bambi statt Bampi schrieb, gefällt mir die Schau. Noch ein Fehler, bzw. eine Unterlassung: Beim Relaunch meines Blogs habe ich nicht bemerkt, dass ich bei den statischen Seiten auch bei jeder Unterseite die Möglichkeit des Kommentierens abschalten muss. So ist nun schon zum zweiten Mal ein Kommentar da gelandet, wo er eigentlich nichts zu suchen hat.

Hier also als Spiegelung des deplatzierten Kommentars von Anja Engel:

Hallo,
habe heute den Beitrag über Gefäß Skulptur 2 in der LVZ gelesen.
Die Botschaft, dass Keramik eine hohe Kunst und kein Hausfrauenhobby sei, wird etwas unterlaufen, wenn man beim Namen des Vorzeigekeramikers schludert:
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Bampi
Doch nur was Niedliches für die Disney- und Dawanda-Fraktion? ;O)
Aber ich bin bestimmt nicht die Erste, die das bemerkt hat.
Sonst war der Beitrag ganz in Ordnung. Klingt ein bisschen so, als wolle das Grassi/Angewandte Kunst zwanghaft einen feststehenden Kanon herbeireden – und große Schätze. Wieviel von den 3000 Stücken aus geschenkten Sammlungen sind das wohl wirklich?
Viele Grüße

Anja

Einen feststehenden Kanon kann ich im Anliegen der Ausstellung nicht entdecken. Dafür gibt es dann doch Fehlstellen, beispielsweise sind Künstler aus Osteuropa zu schwach vertreten. Dass aber unter 3000 aus hochwertigen (!) Schenkungen ausgewählte 300 Stücke, ein Zehntel also, die Sahne darstellen, kann man wohl annehmen.

Das Problem liegt aber darin, dass eben in Deutschland mehr noch als anderswo an der überkommenen, im 19. Jahrhundert konstruierten Trennung von Angewandter und Freier Kunst festgehalten wird. Das ist schon daran sichtbar, dass es kaum ein Museum gibt, in dem beide Bereiche gleichberechtigt vertreten sind. Da ich mal ein Jahr dort beschäftigt war, fällt mir zunächst die Neue Sächsische Galerie Chemnitz ein. Dort wurde der Versuch der Parität unternommen, wegen fehlender Ankaufmittel aber rein nostalgisch veranlagt. Und Ballarins Nach-Nachfolger Mathias Lindner als Direktor hatte an diesem Konstrukt auch gar kein Interesse mehr. Nochmals Chemnitz: Die Kunstsammlungen haben eine bemerkenswerte Textiliensammlung, die allerdings höchstens einmal im Jahrzehnt im Ausstellungsgeschehen eine Role spielt. Obwohl sich dort wunderbare Beispiele finden lassen, dass es vielgestaltige abstrakte Kunst lange vor Kandinski, Malewitsch und Mondrian gab, hängen in der Dauerausstellung vorwiegend Romantiker und paar Expressive.

Ein volles Jahrhundert ist es her, als die Akteure der Klassischen Moderne versuchten, die Grenzen einzureißen zwischen Kunst und Alltag, Unikat und Serie. Am Bauhaus, beispielsweise, lehrten Angewandte wie Gropius, Moholy-Nagy oder Brandt zusammen mit Ästheten wie Itten, Klee, Kandinski. Vergeblich, offenbar. Zumindest im Bauhaus-Land Deutschland. Das Moma in NY zeigt ganz selbstverständlich Produktdesign und Malerei gemeinsam.

Speziell die Keramik leidet hierzulande unter dem Stigma des Gebrauchsgutes, des Handwerks. Als wäre das wirklich ein Vergehen. Künstlerische Arbeiten in Ton verhalten sich zur Serientöpferei so wie museale Malerei zum Anstreichergewerbe. Woran liegt das? Dass Keramik seit der Steinzeit für Gebrauchsgüter genutzt wird? Aber Bronze ist doch ebenso alt, wird aber heute als edles Kunstmaterial betrachtet. Sogar aus Sperrmüll oder Baumarkt-Einkäufen kann man heute hoch geachtete Kunstmarktartikel herstellen. Aber doch bitte nicht aus Ton! Ist das nicht ein bisschen blöd?

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