A-Orchester mit Sternchen

Als vor kurzem die Chemnitzer Theaterleute um mehr Gehalt kämpften, wurde der Begriff A-Orchester plötzlich zum Allgemeingut. Hätten die Musiker nicht mehr städtische Stütze gekriegt, wäre die Stärke der Schumann-Philharmonie unter 98 Musiker gefallen, das heißt dann B-Orchester. Stimmt aber nicht ganz.Diese Bezeichnungen sind lediglich tarifrechtlicher Art. Wenn der Geldgeber es so möchte, kann sogar ein Kammerorchester mit 25 Beteiligten als A-Orchester eingestuft und entsprechend entlohnt werden.

Daran musste ich gestern abend im Anker denken, als die 17 Hippies spielten. Eigentlich sind es nur 13. Aber die hielten die mehreren hundert Leute im Saal über 2:40 (ohne jede Pause) am Kochen auf ganz großer Flamme. Als nach der zweiten längeren Zugabe einige Gäste schon zum Ausgang schlenderten, fragten die Hippies nur mit grinsenden Gesichtern: Wollt ihr noch mehr? Ja, wollten wir. Und so ging es noch mal los.

Von Weltmusik zu sprechen ist bei dieser Band wohl nur dann berechtigt, wenn man es wörtlich nimmt – da werden Einflüsse aus aller Welt heftig verquirlt, wobei die jüdische Komponente weit vorn steht. Aber französisches Chanson kommt genau so dazu wie Mariachi-Klänge, Afrikanisches und Gipsy-Rhythmen und und und. In manchen ruhigeren Stücken klingt es dann sogar etwas nach Element of Crime. Aber das sind ja auch großartige Vermischer. Jede(r) spielt mehrere Instrumente. Und zwar virtuos, wie ausgedehnte Solo-Einlagen beweisen. Und sogar das Publikum wurde instrumentiert und zu minutenlangem fünfstimmigen Satzgesang animiert. Erstaunlich ist vor allem, wie man solche schweißtreibende Dynamik ohne Schlagzeug oder Percussion hinbekommt. Erwähnt werden muss unbedingt noch die Crew, die es schafft, aus diesem Flohhaufen auf Speed einen sauberen, transparenten und trotzdem kompakten Klang rauszuholen.

Auch wenn es nur dreizehn sind – das ist ein A-Orchester mit Sternchen oder Pluszeichen. Und keine Bühnengewerkschaft steht dahinter und fordert mehr Geld. Wenn die Leute gut sind und dazu auch noch selbst Spaß am Spielen haben, dann kann ganz nebenbei auch stimmen, was der Gitarrist mit ironischem Unterton einwarf: Der Titel der neuen CD El dorado sei nicht so zu verstehen, dass man jetzt im Geld schwimme. Diese Phase hätte man Gott sei Dank schon hinter sich. Das wird wohl tatsächlich Ironie sein, aber 20 Euro Eintritt sind die Hippies immer wert.

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