Drei Monate später

Vor drei Monaten habe ich den neuen Job bei der Freien Presse in Chemnitz angetreten. Der Start war etwas holprig, den Arbeitsvertrag habe ich aus verfahrenstechnischen Gründen erst am ersten Arbeitstag gekriegt. Nun war eigentlich nicht vorgesehen, dass ich nun sofort was abliefern soll. Doch am Wochenende war bekannt geworden, dass der Architekt Helmut Jahn gestorben ist. Also wurde es doch ein Aufmacherartikel am ersten Tag.

Die Arbeitsbedingungen erwiesen sich als erstaunlich locker. Auch jetzt, nach Aufhebung der Homeoffice-Pflicht, kann ich mir die Arbeitszeit und den Ort weitgehend frei organisieren. Zwar gibt es auch Reibungen, aber die bekomme ich persönlich nur vermittelt mit. Mein Chef hat die bemerkenswerte Eigenschaft, Frust nicht an den Mitarbeitern auszulassen. Und auch mit allen anderen komme ich gut aus.

Lokalredakteur ist ein kleines bisschen was Anderes als für das Feuilleton zu schreiben. Zwar ist mein Schwerpunkt Kultur. Aber es geht nicht, im Lokalteil einen Verriss einer Ausstellung oder eines Buches zu schreiben. Und ich schreibe auch über andere Themen – über Carsharing, die Sanierung einer alten Fabrik, eine Gymnasiastin, Probleme von Wohnungsgenossenschaften … Und es nicht unwahrscheinlich, dass ich mal zu einer Gerichtsverhandlung gehe, zu einer Demo oder mit Lokalpolitikern spreche. Kein Problem. Nur zum Fußball zu gehen würde ich mich weigern.

Das Unangenehmste ist das Pendeln mit der Mitteldeutschen Regiobahn in Waggons, die mindestens 50 Jahre alt sind. Nun soll die Strecke Leipzig-Chemnitz zweigleisig ausgebaut und durchgängig elektrifiziert werden – bis 2030! Toll.

Und Chemnitz? Hat sich verändert. Ein bisschen. In der Inneren Klosterstraße gibt es einige neue Gaststätten, die bei gutem Wetter auch voll sind. Auf dem Kaßberg werden viele Baulücken mit Wohnhäusern gefüllt, obwohl der Leerstand groß ist. Am Brühl sind einige Geschäfte und auch Kneipen entstanden. Bisher war ich da immer um die Mittagszeit herum. Da machte die Gegend nicht gerade den Eindruck eines quirligen Szeneviertels. Aber ich habe gehört, dass dies an warmen Abendenden auch anders aussehen kann. Und es gibt dort einen georgischen Imbiss, was ich in Leipzig vermisse.

Der Zuschlag zur Kulturhauptstadt 2025 gibt natürlich Hoffnung. Aber der Stadt bringt es nur dann dauerhaften Nutzen, wenn nicht ein Jahr lang ein großes Feuerwerk abgebrannt wird, sondern strukturelle Veränderungen stattfinden.

Auf jeden Fall freue ich mich schon darauf. Denn seit zwei Wochen habe ich die Zusage, dass aus dem befristeten Arbeitsvertrag ein unbefristeter wird.

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