Warum ich Christian W. Lech jetzt „entfreunde“ – eine Grundsatzentscheidung

Schon vor einem Jahr schlug ich vor, den Begriff „entfreunden“ als Unwort des Jahres zu wählen. Erfolglos. Ich weiß nicht, seit wann Christian W. Lech mein „Freund“ auf Facebook ist. Ich kenne ihn persönlich überhaupt nicht, kann also die Anfrage nicht veranlasst haben. Habe dann wohl einfach auf auf Bestätigen gedrückt, weil eine ausreichende Anzahl meiner sogennannten FB-Freunde auch seine sind.

Seitdem gab es schon einige Male Zoff, weil Christian W. Lech sich als radikaler Antisemitenjäger erweist, auch unter dem Namen „Antideutsche“ bekannt. dass er wohl auch SPD-Anhänger oder gar Mitglied ist, spielt hingegen keine Rolle.

Nun muss ich zwischen zwei Sachverhalten unterscheiden. Erstens seine politische Haltung. Zweitens seine Art der Argumentation.

Zuerst zum zweiten Punkt, weil er einfacher abzuhaken ist. Ich weiß nicht, wie alt Lech ist. Vermutlich jünger als meine Tochter. Trotzdem liebt er es, mich mit infantilen Vokabeln wie „der Jenser“ oder im aktuellen Fall als „Jenser Kassi“ zu benennen. Chrissi W-Punkt Löchli (ich verwende diese Bezeichnung nur dieses einzige Mal zur Demonstration) versteht sich als Anhänger von Adornos Kritischer Theorie, hat es aber nötig, Kritiker seiner selbst zu verkindlichen, auch wenn sie doppelt so alt sind. Wie doof ist das? Wer keine Argumente hat, muss eben zu Tricks greifen. Der zweite Trick neben dem Infantilismus ist der, bei jedem Widerspruch den Vorwurf rauszuholen, der Widersprechende sei eben ein Rechter. Schon vor einigen Wochen war er sich nicht zu schade, als ich nur leise nachfragte, ob man denn israelische Regierungspolitik auch kritisieren dürfe, kam die Entgegnung, was ich denn konkret kritisieren wolle, oder ob das so Pegida-mäßig sei. Meine Entgegnung, dass gerade bei Pegida israelische Flaggen zu sehen sind, blieb unbeantwortet. Aber ich als Leipziger sei eben ein typischer rechter Sachse, sagt der Ex-Chemnitzer. Und nun bezeichnet mich der Exilberliner als „volkssächsischen Oberschlaubi“ sowie „schwache Gemüter und kleine Geister wie dich“. Schlagendes Argumente. Adorno würde ihn zum Meisterschüler ernennen. Wer so rumholzt, will nicht argumentieren, sondern nur rechthaben und anderen vorschreiben, wozu sie sich äußern dürfen und mit welcher Haltung oder eben nicht.

Nun zum ersten, wichtigeren Punkt. Eigentlich verstehe ich mich als Linken, habe aber einerseits Probleme mit Superlinken, die unmotivierte Gewalt befürworten, andererseits mit solchen, die völkisch argumentieren. So wie Lech. Für ihn gibt es ein auserwähltes Volk (nein, das sind nicht die Deutschen!), und anderseits Feinde dieser auserwählten Rasse. Darf man das als rassistisch bezeichnen? Kurios ist, dass er mir nun als Kritiker dieser Einstellung vorwirft, völkisch zu sein.

Konkret geht es darum, wie man zur israelischen Politik steht. Schon diese Formulierung ist riskant, weil es ja „israelische Politik“ ebensowenig geben kann wie deutsche Politik. Ich identifiziere mich mit er Politik der Bundesregierung keinesfalls, so wie auch viele Israelis nicht mit dem Vorgehen der Netanjahu-Regierung einverstanden sind. Doch in der Debatte, die meinen aktuellen Post auslöst, schreibt er bezüglich der Proteste gegen Trumps genialen Beschluss: „Man kann nur hoffen, dass Israel den Mob schnell unter Kontrolle bringt.“ Siehe: Israel ist für ihn eine unteilbare Einheit, der Mob sind sie Gegner. Dass es auch arabische Israelis gibt sowie jüdische Israelis, die nicht mit der aggresiven Politik ihrer Regierung einverstanden sind, spielt keine Rolle. „Israel“ wird den Mob schon unter Kontrolle bringen. Wenn ich irgendwo „Israel“ als Synonym für die Politik einer rechtskonservativ-rechtsradikalen Regierung in Kooperation mit der Trump-Administration benutze, bin ich sofort Antisemit. Wenn Lech schreibt „Israel“ ist das nur ein Synonym für das jüdische Volk, wie immer man das auch definieren möchte. Und mich bezeichnet er als völkisch. Toll. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich in dieser Frage fetze. Mein Argument, dass mir als Linken ethnische Zuordnungen zweitrangig sind, prallt bei superkritischen Extremlinken dann einfach ab. Als Immernoch-Marxist argumentiere ich, dass der arabische Landarbeiter und der jüdische Fließbandarbeiter natürliche Verbündete gegen den arabischen Landlord und den jüdischen Industriellen sein müssten. Für Lech, der die Kritische Theorie gelöffelt hat, sind aber der Jude und der Araber Feinde per se. Und nun kommt endlich Genosse Trump, spricht das Offensichtliche offen aus. Und da gibt es doch „schwache Gemüter und kleine Geister“ wie mich, die das nicht so super finden. Ja, Christian W. Lech, ich bin so schwach und so klein, offen auszuspechen, dass du ein Rassist bist.

Worum handelt es sich aktuell? Mit Trumps Beschluss, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen, zeigt er den Palästinensern deutlich, dass es für sie keine Zukunft gibt. Eine Zweistaatenlösung ist endgültig gestorben. Für Lech heißt dass, Genosse Trump spricht „lediglich eine offensichtliche Tatsache“ aus. Eine offensichtliche Tatsache ist aber auch, dass für Israel kein palästinensischer Staat außerhalb des Gaza-Streifens denkbar erscheint. Auf offiziellen israelischen Karten ist die Westbank fester Bestandteil Israels ohne jede Demarkationslinie. Ohnehin wird durch den Siedlungsbau seit langem ein zusammenhängendes palästinensisches Staatsgebiet unmöglich gemacht. Solch eine Landkarte habe ich zum ersten Mal vor rund 15 Jahren im Büro der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz gesehen, nichts Neues also.

Wie soll es weitergehen? Keine zwei Staaten würde bedeuten, dass die arabischen Bewohner der Westbank zu israelischen Staatsbürgern werden müssten. Das wird nicht passieren, weil dann die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Bevölkerungsmehrheit Israels nichtjüdisch sein könnte. Kommt also nicht in Frage. Also bleibt es wie bisher, abgesehen vom fortschreitenden Siedlungsbau. Die Palästinenser, a.k.a. der unter Kontrolle zu bringende Mob, sind staatenlos, rechtlos, perspektivlos. Was macht man in so einer Situation? Da würde auch ich als Ablehner politischer Gewalt zum Aufständischen. „Israel“, womit Lech eigentlich die rechte Regierung des Landes und dessen Exekutivorgane meint, wird es schon schaffen, dort für Friedhofsruhe zu sorgen. Auch mit deutschen Waffen.

Da auf „Enfreunden“ zu drücken, kostet mich keine Überwindung. Leid tut es mir aber bezüglich Holm Krieger, der da schreibt „Das kenne ich doch.“ Ja Holm, du hast dich schon mal dafür ausgesprochen, in der Frage des Nahostkonflikts keine Meinung äußern zu dürfen, die nicht mit derjenigen der radikalen Befürworter einer straff rechten israelischen Regierungspolitik übereinstimmt. Wie kann ein gesellschaftskritischer Liedermacher nur so ein Feigling sein und freiwillige Zensur befürworten?

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2 Antworten auf Warum ich Christian W. Lech jetzt „entfreunde“ – eine Grundsatzentscheidung

  1. Holm Krieger sagt:

    Lieber Jens, wie so oft in letzter Zeit hast du mich gründlich missverstanden. Weder unterstütze ich eine Regierung in Israel, noch will ich dir vorschreiben, bei welchem Thema du dich, bis über die Grenzen der fairen Diskussion hinaus, echauffierst.
    Zum ersten Punkt habe ich angemerkt, dass die vor 22 Jahren beschlossene Verlegung der amerikanischen Botschaft ein Verwaltungsakt ist, der konkret keine Opfer fordert, die vorhandene Situation nur marginal ändert und von hoher Abstraktion ist. Das Trump diesen Umzug nicht länger per Dekret hinausschiebt, mag seinem Macher-Ego geschuldet sein, ich weiß es nicht. Mir geht es vor allem um den Punkt, dass eine neuerliche Intifada mit vielleicht tausenden Toten und Verletzten unter Kombattanten und Zivilisten weder eine adäquate Antwort noch ein Weg zur Lösung der Probleme in der Region scheint.
    Insofern finde ich „den Mob unter Kontrolle bringen“ zu simpel und zu wertend, aber nicht grundsätzlich falsch, um die letzten noch offenen Türen für einen Friedensprozess offen zu halten.
    Zweitens hast du mich beim Thema „nicht über Israel reden dürfen“ gründlich missverstanden oder – und mittlerweile drängt sich mir der Gedanke auf – bewusst falsch zitiert. Ich habe so etwas wie „man darf nur für die israelische Regierung sein“ nie gesagt. Erst einmal würde ich dir oder anderen nie vorschreiben, was gesagt werden DARF. Ich will es nur Quatsch und manchmal auch falsch nennen dürfen, wenn ich es so empfinde. In den allermeisten Fällen stellt sich dann das Eine oder Andere als Missverständnis heraus usw. Das Argument, auf das du hier anspielst, ist das des „deutschen Israelfetischs“. Ich finde, keine andere Regierung wird so leidenschaftlich angegriffen und verteidigt wie die dieses doch recht kleinen Landes. Da werden feurige Diskussionen über geschichtliche Verantwortung, politische Solidarität, Legitimität von Gewalt und humanitäre Katastrophen geführt, um letztlich der israelischen Regierung zu sagen, was sie richtig, oder in deinem Fall falsch macht. Ich habe da keine Partei ergriffen, mir ist nur aufgefallen, dass kleinste Vorkommnisse in Israel breite Debatten auslösen, während in Myanmar, im Jemen und zig anderen Ländern der Welt ähnliche Katastrophen sind, die in Diskursen in Deutschland kaum stattfinden. Die polemische Frage meinerseits lautete: Kann man nicht zum Thema Israel, gerade auch aufgrund der deutschen Geschichte, auch mal die Fresse halten? Es gibt soviele Baustellen auf der Welt, warum muss es gerade die israelische Regierung sein, der wir immer wieder sagen wollen, was richtig und falsch ist? Ja, Ausdruck dieses Israelfetischs sind deine Ausführungen genauso wie die antideutschen Erwiderungen dazu. Und alles dazwischen. Und natürlich dürft ihr alle weitermachen. Darüber habe ich nie etwas gesagt. Das Phänomen bleibt interessant.
    Ich hoffe, dass ich mich einigermaßen klar ausgedrückt habe. Ich kann deine Wortverdrehungen, sinnentstellende Zitate und Kreuzzugslogik nicht verstehen. Das ist mir zu schwarz-weiß und zu selbstverliebt, zuviel Keule und zuwenig Zuhören und Mitdenken. In so vielen Fragen sind wir ähnlicher Meinung, keine Ahnung, warum du gerade so gerne Kriege erklärst. Ich finde das schade. Für einen fairen Argumentenaustausch bin ich gern zu haben.

  2. admin sagt:

    Lieber Holm, meine Ausführungen am Ende des oben stehenden Artikels betreffen nicht die inhaltlichen Bemerkungen zu C.W. Lech, sondern deine in einem vorigen Disput geäußerte Meinung, dass du zu dem Thema persönlich nichts sagen willst, nicht einmal im privaten Kreise. Auf ganz anderer inhaltlicher Ebene ist mir diese Enthaltung der Meinung dann bezüglich der Debatte um das Gomringer-Gedicht wiederbegegnet. Genrell finde ich, dass dieses selbstverodnete Schweigen mancher Linker ausschließlich den Rechen hilft. Damit meine ich die ganz weit Rechten.
    „Ausdruck dieses Israelfetischs“ schreibst über mich mich. Habe ich den wirklich? Wie lange liegen meine letzten Äußerungen zum Nahostkonflikt zurück? Das war wohl 2012, also vor fünf Jahren, wegen der Chartplatzierung Augsteins durch das SWC. Für einen Fetischisten eine ziemlich lange Abstinenz. Leute wie Lech, oder auf höherer Ebene Broder oder Osten-Sacken haben fast kein anderes Thema. Aber sie sind eben zu 100 % israelunkritisch, das ist dann kein Fetischismus. Dass zu den Vorkommnissen in Jemen, Myanmar und anderswo in deutschen Medien nicht dikutiert wird, ist schlicht falsch. Dass ich mich dazu nicht dezidiert äußere, mag daran liegen, dass ich mich ca. 60 Stunden pro Woche mit nichtintellektuellen Tätigkeiten befasse, also einfach keine Zeit habe. Wenn du aber in meinem Blog zurückblätterst, kannst du feststellen, dass ich einen „Fetisch“ für die Beschäftigung mit europäischen Rechtsradikalen und auch aus ganz persönlichen Gründen mit der Situation in Russland und der Ukraine habe. Dazu müsste ich eigertlich auch die Klappe halten wegend er deutschen Geschichte. Mein Großvater war sogar Wehrmachtssoldat in der Sowjetunion, dann vier Jahre Gefangener. Und kehrte als Kommunist und Freund der Russen zurück.
    Ich selbst habe sowohl jüdische als auch muslimische Freunde, lehne es aber ab, über bestimmte Fragen keine Meinung äußern zu dürfen, sollen, können oder oder wie auch immer ausgedrückt.

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