Weiter diskutieren?

„Naja, ich würde ja gern weiter diskutieren […]“ schreibt mir Christian W. Lech, nachdem er zuvor eine Anzeige gegen mich angedroht hat. Und dann „Die Verniedlichungen nehme ich in aller Form zurück. Das war wirklich Quatsch.“ Immerhin. Die Rücknahme nehme ich gern an. Über die Verdächtigungen, Kritik an israelischer Politik sei per se Legida-mäßig höre ich noch nichts. Schon in einer vorherigen Auseinandersetzung habe ich darauf hingewiesen, dass die rechtsradikale Website PI-News bis zum kürzlichen Relaunch im Kopf stehen hatte „proisraelisch“ und „proamerikanisch“. Das Klischee, dass heutige deutsche Rechte durchweg antisemitsch seien, stimmt nicht mehr. Für die echten Dumpfbacken der Freien Kameradschaften mag es noch zutreffen. Einige „Neue Rechte“ argumentieren heute aber so, dass Israel als einziges Land konsequent gegen den Islam(ismus) kämpfe, damit Verbündeter sei.

Weiter diskutieren? Klingt interessant. Worüber? Vorab muss ich sagen, dass ich  antiisraelische und antiamerikanische Demonstrationen ebenso kategorisch ablehne wie Boykottaufrufe für israelische Waren. Für mich wäre Grundlage einer Diskussion, darüber zu reden, welche Lösungsvorschläge es denn für die Zukunft der Palästinenser gibt. Weder von der israelischen noch der US-amerikanischen Regierung noch den deutschen krititikfernen Israel-Freunden ist dazu etwas Ernstzunehmendes zu hören. Das wäre aber ein Diskussionsgrundlage. Ich persönlich meine, dass nur noch eine Ein-Staaten-Lösung umsetzbar ist. Dann müsste Israel allerdings beweisen, wie demokratisch es wirklich ist. Denn die Möglichkeit einer nichtjüdischen Bevölkerungsmehrheit und damit einer Koaltionsregierung arabischer und jüdischer Parteien (hoffentlich auf beiden Seite liberale) ist nicht auszuschließen.

Damit aber ist die Definition von Israel als Staat der Juden fragwürdig. Was ich jedoch in Debatten über Israel und den Nahostkonflikt allgemein vermisse, ist eine Klärung dessen, was man mit „Juden“ eigentlich meint. Ist die Bezeichnung religiös oder ethnisch gemeint? Im religiösen Sinne kann jeder Jude werden. Zwar ist das nicht so einfach wie eine Taufe als Christ. Doch nach strenger Beachtung von Vorschriften wie koscherer Ernährung, Sabbat-Ruhe und regelmäßigen Gebeten ist es für mich wie sonstwem möglich. Und dann kann ich auch die israelische Staatsbürgerschaft erwerben. Als Jude natürlich. Ein israelischer Araber kann ich nie werden. Ist Israel also ein religiös definierter Staat? Dem steht der nicht unerhebliche Anteil säkularer Juden entgegen.

Also muss man „Juden“ ethnisch definieren? Auch nicht so einfach. Da gilt die matriarchalische Abstammungsfolge. Gerade bei den vielen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion Eingewanderten reicht(e) es, irgendwen als jüdisch definierten Vorfahren zu haben, um kommen zu dürfen. Theoretisch wäre es heute möglich, per Genanalyse Nachforschungen anzustellen. Genau damit würde man aber die Nazis in ihrem Rassenwahn noch übertreffen. Undenkbar. Hinzu kommen historische Fakten. Was ist mit den Gruppierungen, die in fernen Zeiten zum Judentum übertraten, also Stämme im heutigen Jemen, bei den Mauren und dann am spektakulärsten wegen des späten Zeitpunktes und der Quantität bei den Chasaren im heutigen Südrussland? Sind deren Nachfahren wirklich Juden? Nach welcher Definition? Eine ethnische Bestimmung der „Juden“ ist also nicht weniger problematisch wie die religiöse.

Das sind schwierig zu klärende Fragen. Genau darum wehre ich mich gegen so simple Formeln wie: „Israel als Staat der Juden“ hat freie Hand in seiner Politik, Kritik für uns als Deutsche sei da nicht angebracht. Populisten bevorzugen einfache Antworten. Dazu willl ich nicht gehören. Ich weiß doch nicht mal, ob ich Deuscher bin. Meine Nase! Die angewachsenen Ohrläppchen! Leider kann ich meine Familiengeschichte nur über vier Generationen zurück verfolgen. Vielleicht gab es da mal eine Jüdin zuvor? Ich hätte nichts dagegen.

Weiter diskutieren? Könnte interessant sein. Doch meine zweite Vorbedingung wäre die Rücknahme, dass Kritik an der aktuellen israelischen und trumpschen  Politik irgendwas mit Pegida etc. zu tun hat.

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