Unternehmen Dialog – Teil 2

Nach dem schnellen Tod von Max Hoelz versuche ich nun eine andere Methode, mit Leuten, die zweifellos auf der anderen politischen Seite als ich stehen, in den Dialog zu  kommen. Hier der Text der Mail, die ich gerade an Felix Menzel, Kopf der straff rechten Internetplattform „Blaue Narzisse“ abgeschickt habe. Ich bin gespannt, ob eine Reaktion kommt.

Guten Tag Herr Menzel,

bitte entschuldigen Sie die informelle Ansprache. Die übliche Formel „sehr geehrt“ fällt mir aber aus Gründen, die sie kennen, schwer.
Dass ich mich auf ganz direktem Wege trotz unübersehbarer weltanschaulicher Differenzen an Sie wende, liegt an meinem Projekt, den Dialog mit politischen Gegnern zu wagen. Ein erster Anlauf auf der Facebook-Seite von Legida ist ganz schnell gescheitert. Nun versuche ich es also durch unmittelbare Kontaktaufnahme.
Vor fast einem Jahr habe ich mir die von der „Blauen Narzisse“ herausgegebene Broschüre „Nazi-Vorwurf“ bestellt. Vielleicht haben Sie meine Rezension gelesen, Mitautor Johannes Schüller hat es getan.
Enttäuschend für mich war jedenfalls, auf den fast 100 Seiten an keiner Stelle zu erfahren, was Sie und Ihre Mitstreiter denn wirklich unter dem Begriff „Nazi“ verstehen.
Darum nun meine Fragen, die von einer Dialogbereitschaft ihrerseits ausgehen. Im Falle einer Antwort wird es vermutlich Nachfragen oder auch eine Ausweitung auf zusätzliche Themen geben. Zunächst nur soviel:

1. Was sind für Sie Nazis oder Faschisten? Können Sie diese Begriffe bitte konkret definieren? Wenn ja, worin sehen Sie signifikante Unterschiede zwischen dieser Definition und Ihrem eigenem politischen Standort?
2. Schlüsselbegriffe für Sie sind offenbar Volk und Nation. Ist das identisch? Welche Merkmale kennzeichnen Völker und/oder Nationen. Wer gehört dazu, wer nicht?

Ich habe noch viele Fragen, doch belasse es zunächst bei diesen ohnehin sehr komplexen Themen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Abend

 

16. März: Manchmal geht es schnell. Nur wenige Stunden nach meiner Mail kam die Antwort:

Lieber Herr Kassner,

mit den Schlagworten Nazi/Faschist kann ich wenig anfangen. Ich orientiere mich in der Frage an Hannah Arendt und lehne generell totalitäre Ideologien ab. Arendt war es übrigens auch, die betonte, alle Ideologien seien anfällig für den Totalitarismus.

Ihre zweite Frage verstehe ich nicht. Zeigen Sie mir mal Essays von mir, wo ich definieren versuchte, was ein Volk/Nation ist. Haben Sie nicht erkannt, daß ich ganz andere Themenschwerpunkte habe? Man könnte diese Themen vielleicht sinnvoll so zusammenfassen: Einwanderungs-, Wachstums-, Globalisierungs- und Medienkritik.

Ich beantworte Ihnen gerne Fragen (z.B. auch zu meinem Essay im Band „Nazivorwurf“), aber Sie müssen mir schon vorher mit Ihren Fragen beweisen, daß Sie an meiner inhaltlichen Arbeit auch wirklich interessiert sind und sich damit beschäftigt haben.

Die üblichen – mit diffamierender Absicht vorgetragenen – Fragen  zu Nazis, Volk und Nation haben mir schon genug Journalisten gestellt. Da habe ich kein Interesse daran, dieses unsinnige Spielchen fortzusetzen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag,
Felix Menzel

Man kann es sich einfach machen. Weil Nazi und Faschismus ungeachtet der historischen Realität (die manche zurückwünschen) nur Schlagworte ohne Inhalt sind, muss man sie nicht definieren. So entgeht man jeder Gefahr, dazugezählt zu werden. Die arme Hannah Arendt, die sich nicht mehr wehren kann, muss als Autoritätsbeleg dafür herhalten, dass die politischen Ansichten von Menzel und seinen Kumpels nichts mit Ideologie zu tun haben. Jesse lässt grüßen.

Noch verwunderlicher finde ich die Behauptung, dass Volk und Nation für Felix Menzel und die Autoren der BN unwichtig sind, wo doch immer wieder von einem ethnopluralistischen Europa mit völkisch säuberlich sortierten Nationalstaaten die Rede ist.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass man sich genauere Begriffsbestimmungen ungern einlässt. Der in neurechten Kreisen so beliebte Jargon des dunklen Raunens ist bequemer. Man kann ja was ganz Anderes damit gemeint haben.

Und: Können Fragen schon diffamierend sein? Ich dachte, das ist nur bei Behauptungen möglich. Man gibt ja dem Gegenüber die Gelegenheit, sich zu erklären.

Das findet hier nicht statt. Eine Antwort ist immerhin gekommen, aber eine ohne Gebrauchswert. Darum ging es so schnell.

 

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