Aristoteles als Carpaccio

Entgegen aller Prognosen zum Sterben der Printmedien sind doch immmer wieder mal neue Zeitschrften – so richtig altmodisch auf Papier gedruckt – zu finden. Als mich vorige Woche im entsprechenden Ständer bei Edeka zwischen Super-Illu und Computer-Bild ein Blatt namens Philosophie anstrahlte, griff ich jenseits jedes Rationalismus zu und erwarb das Printprodukt. Erare humanum est.

Schon die auf dem Cover angepriesene Themenstrecke Warum haben wir Kinder? hätte mich doch vom Kauf abhalten sollen. Meine Tochter ist gerade 28 geworden, was gibt es für mich da jetzt noch gründlich darüber nachzudenken?

Doch dann wird eben auch mit einem Interview mit Julian Assange geworben sowie einem Gespräch mit Axel Honneth unter der gerade vermarktungsträchtigen Überschrift Das Finanzkapital entmachten. Das sind auch die beiden interessantesten Beiträge des Heftes. Doch sie könnten genau so im Feuilleton von Die Zeit oder auch im Spiegel oder Stern nachzulesen sein.

Die Zeitschrift kommt im Layout eines Journals für gesundes Kochen oder Einkaufen mit der Zielgruppe Mittelschicht daher. Als Gimmick ist ein Heft im Heft als sogenannte Sammelbeilage eingeheftet, ein Auszug aus der Nikomachischen Ethik des Aristoteles Über die Freundschaft. Da Aristoteles seit etwas mehr als siebzig Jahren tot ist, kann man sich eigentlich sein Gesamtwerk, soweit überliefert, irgendwo im Internet herunterladen. Doch 14 Seiten Sammelheft mit Pop-art-Cover machen natürlich mehr her. Vielleicht sollte man trotzdem der nächsten Ausgabe ein Foucaultsches Pendel oder eine LED-Taschenlampe zum Nachspielen  des Höhlengleichnisses beilegen?

Wen wollen die Macher von Philosophie eigentlich erreichen? Hausfrauen, die sich von ihren Spezialblättern unterfordert fühlen? Manager, die in den kurzen Pausen zwischen feindlichen Übernahmen etwas über Freundschaft wissen wollen? Garantiert keine Leute, die zumindest dann und wann sich ohnehin philosophischer Denktraditionen bedienen.

Bezüglich der Überlebenschancen dieses Journals würde ich die Schule des Skeptizismus empfehlen.

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