Nivellierung muss nicht Kunst sein

Dass mein LVZ-Artikel zur Ausstellung von Artur Zalewski in der Galerie ASPN nicht unbedingt auf Zustimmung stößt, war mir klar. Kunstkritik muss subjektiv sein, andere Meinungen zum gleichen Gegenstand sind unvermeidlich. Dass die Galeristin selbst solch eine andere Meinung hat, ist auch ganz logisch. Auseinandersetzung ist gut, auch wenn sie nicht zwangsläufig zur Überzeugung des Gesprächspartners führt. Solch eine Diskussion hatte ich nun gestern mit Arne Linde.Zalewskis Fotos sind technisch bewusst nach unten geschraubt, dank automatisierter Digitalkameras können heute viele Amateure Fotos produzieren, die nach formalen Kriterien „besser“ sind. Die Reduzierung ist also künstlerische Absicht. Muss solch eine Absicht aber auch tatsächlich zu professioneller Kunst führen? Es kann auch eine Legitimierung für Beliebigkeit sein. In meinem Bildarchiv finden sich eine Menge Dateien, die ich schon längst hätte löschen sollen,  die aber an der Wand einer kommerziellen Galerie – also in den Kunstkontext transportiert – solch eine Aura des Widersetzlichen bekämen. Eine tiefschürfende Analyse und Interpretation könnte ich unter anderem Namen gleich mitliefern. Das erscheint mir zu einfach.

Der Verweis darauf, dass sich ein Künstler genau wegen der technischen Professionalisierung der Laien heute durch absichtsvolles Stümpertum beweisen müsse, überzeugt mich nicht. Entgegen zur geglätteten, netten, schönen Fotografie nicht nur der Zeitschriften, sondern immer mehr auch der Urlaubsalben vieler Familien gibt es doch sogar in der nichtkünstlerischen Sphäre ernsthafte Anti-Strömungen. Abgesehen von den visuellen Müllhalden bei Flickr (von manchen Künstlern, etwa Björn Siebert, als Quelle geschätzt!) sind da beispielsweise die seit Jahren anhaltende Begeisterung für Lomografie zu nennen oder, ganz aktuell, der sagenhaft teure Ankauf von Instagram durch Facebook, einer Application also, die aus brauchbaren Aufnahmen per Mausclick verblichene Polaroids herstellt.

Andererseits gibt es eine Masse von heutigen Fotokünstlern, die genau den entgegengesetzten Weg gehen, also der Vermassung von guter Qualität eine noch viel höhere Qualität entgegensetzen. Extremer technischer Aufwand wie bei Erasmus Schröter oder Peter Bialobrzeski ist die eine Variante, neoklassische Kompositionen in Perfektion wie bei Steffen Junghans eine weitere. Es ist aber auch einfach durch die Motivwahl möglich, sich abzusetzen. Das ist vielleicht die größte Kunst. Die adaptierte Dame mit dem (nicht-) Hermelin von Carina Linge fällt mir da ein oder die Fotos von Paula Mur von ihrer alten Großmutter in Unterwäsche. Die Liste könnte sich beliebig fortsetzen lassen. Vorsätzlich schlecht zu fotografieren erscheint mir im Gegensatz dazu als der Weg des geringsten Widerstandes, der in Natur sinnvoll ist, in der Kunst nicht unbedingt.

Auch das Argument der Demontage ist im konkreten Fall nicht ganz stichhaltig. Die Motive – Vasen vom Trödelmarkt und überregional nicht bekannte Persönlichkeiten – haben nicht solch einen Grad an Erhabenheit, dass die ästhetischen Störmanöver ausreichend Kontrast schaffen würden. Um beim breiten Volk der Rezipienten heute, hundert Jahre nach Malewitsch und Duchamp, noch Verunsicherung zu schaffen, die sich in die Hirnwindungen eingräbt, braucht es deutlich stärkere Pharmaka. Das Level der Gewöhnung ist schon extrem hoch, da muss die Dosis noch höher sein oder die Zusammensetzung wirklich neu.

Zudem: Dass heute nur Kunst, und eventuell noch Publizistik der unbestechlichen Art, das einzige Medium sei, das hinterfragt, erschüttert, weiterdenkt, ist in der Praxis kaum nachweisbar. Da haben wahrscheinlich digitale Kanäle schon mehr Wirksamkeit, wie etwa im Umbruch der arabischen Länder. Und vielleicht auch die Leute, die auch im kühlen Norden das Medium des öffentlichen Raumes wiedererobern wie Occupy. Zum Glück gibt es immer mehr Künstler, die das merken. Und nicht alles was in der neuen politischen Kunst passiert, ist flach und plakativ.

Es gibt immer noch Wege, in Zeiten einer edrückenden Überproduktion von Kunst und Nichtkunst auf sich aufmerksam zu machen. Tut mit leid – die Bilder von Artur Zalewki haben bei diesen Effekt nicht hinterlassen können.

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