Kommentar zu 2,5 Artikeln

Leider ist meine Seite Kunstszene Leipzig aus Zeitgründen wieder mal eingeschlafen, auch das Archivieren von PDFs meiner Artikel in der LVZ habe ich aufgegeben. Da ich vor einer reichlichen Stunde einen Anruf bekam, bei dem mir eine Bekannte erzählte, wie bei der Eröffnung der Ausstellung Lüpertz/Klinger der große Meister („one of the most overrated“, um es mit Genossen Trump auszudrücken) über diesen Schreiberling der LVZ geschimpft habe, gebe ich die zwei Artikel hier wieder. Dass sich dieser zu den Big 5 der deutschen Künstlerschaft (am Einkommen gemessen) gehörende Markus Lüpertz überhaupt über einen Lokaljournalisten aufregt, zeugt von einer gewissen Dünnhäutigkeit. Ist er sich seiner Sache selbst gar nicht so sicher?

Der erste Artikel erschien am Freitag, dem 27. Januar in der LVZ. Die Knappheit ist dem späten Pressetermin am Vortag geschuldet. Am folgenden Sonnabend erschien dann der Hauptartikel. Leider war die Zeilanzahl vorgegeben, in diesem Fall hätte ich gern etwas mehr Platz gehabt.

Warum steht nun in der Überschrift etwas von 2,5 Artikeln? Noch ist mir nichts bekannt geworden, doch ich halte es für denkbar, dass manche der 12 Aufrechten, die den Offenen Brief gegen das Beethoven-Denkmal von Lüpertz schrieben, und ihre Unterstützer nun vielleicht behaupten, ich wäre eingeknickt. Der weltberühmte Schriftsteller Jendryschik hatte ja in einer Podudiumsdiskussion in Bezug auf meinen damaligen Blog-Artikel behauptet, ich hätte angeblich geschrieben: „Wer sich gegen Lüpertz wendet, ist eigentlich ein Idiot …“ Schade, dass ein Schriftsteller so mies im verstehenden Lesen ist. Aber wahrscheinlich hat der alte Herr gar kein Internet, hat sich da nur was zutragen lassen.

Auf Schultern sitzen

Markus Lüpertz und Max Klinger werden im Museum der bildenden Künste konfrontiert

Er beherrscht den großen Auftritt. Im weiten Mantel, mit schwarzem Hut und Knaufstock betritt der Meister den Saal. So könnte er in einem Historienfilm mitspielen, doch es geht nur um den Pressetermin einer Ausstellung mit dem so bezeichnenden wie verwirrenden Titel „zeitgenössische Kunst“.

Schon Ausstellung ist nicht ganz der treffende Terminus. Von einer großen Installation spricht Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt. Tatsächlich sind Werke von Markus Lüpertz auf die drei über Sichtachsen verbundenen inneren Plattformen des Bauwerkes – für den Künstler eine an Piranesi gemahnende Raumverschränkung – verteilt. Außerdem greift er in zwei Säle der Dauerausstellung ein. Schließlich gibt es noch eine ganz normale Kabinettschau, die aus konservatorischen Gründen auf zwei Monate beschränkt ist, während man die Interventionen bis zum Herbst sehen kann.

So gekonnt die Erscheinung des Malers und Bildhauers ist, so bescheiden gibt er sich vor den Medienvertretern. Schmidt unterstreicht dies noch: Lüpertz sei mehrfach im Museum gesichtet worden, ohne an die Tür des Direktorenzimmers geklopft zu haben. Es verwundert also nicht, dass der Künstler ganz zurückhaltend sagt, er sitze nur auf den Schultern von Max Klinger. Klinger, der lokale Säulenheilige, ist zweiter Akteur des Spektakels. Er kann sich nicht mehr dazu äußern, muss ganz durch seine Arbeiten wirken, Bezugspunkt, Projektionsfläche und Pendant bilden. Mit seinem effektvoll ins richtige Licht gesetzten Beethoven tut er das auf überragende Weise. In diesen Saal einzugreifen, hat sich nicht einmal Lüpertz gewagt. „Das wäre zu plump gewesen.“ Doch in den zwei folgenden Räumen stellt er eigene Plastiken neben die Klingers. Im Kabinett hängen Zeichnungen und Grafiken beider gleichberechtigt. Außergewöhnlich selbst für langjährige Museumsmitarbeiter ist aber die Bespielung der Terrassen. Großformatige Gemälde zehn Meter über Bodenniveau zu hängen hat es hier noch nie gegeben.

Markus Lüpertz´ Beethoven-Plastik, seit Dezember 2015 vor dem Eingang des MdbK stehend, hat heftige Diskussionen ausgelöst. Nun können die Besucher sich in großem Maßstab einen Eindruck davon verschaffen, ob er dem fast ein Jahrhundert Älteren auf den Schultern sitzt, in die Augen schaut oder ans Bein pinkelt.

 

Worüber aufregen?

Markus Lüpertz stellt sich im MdbK dem Vergleich mit Max Klinger

Sanft wird man nicht gerade begrüßt. Zwar steht das Beethoven-Denkmal von Markus Lüpertz – eine Interpretation zu Max Klingers bekanntester Skulptur – schon seit einem reichlichen Jahr vor dem Eingang des Museums, doch im Kontext der aktuellen Ausstellung wird es zu deren Bestandteil. Die Auseinandersetzung dazu fand ihren Höhepunkt mit einem Brief von zwölf Leipziger Intellektuellen, in dem von Dilletantismus und Unzumutbarem die Rede ist.

Nun gibt der scheidende Direktor Hans-Werner Schmidt Lüpertz in großem Maßstab die Gelegenheit, seine Kräfte mit Klinger zu messen. 1970 hatte Lüpertz ein Stipendium in der Florentiner Villa Romana bekommen, seitdem beschäftigt er sich intensiv mit diesem Künstler. Die einst von Max Klinger initiierte Nachwuchsförderung im traditionsgesättigtem Italien gilt als ältester deutscher Kunstpreis.

Dialoge über Generationen und Epochen hinweg sind nichts Ungewöhnliches, wohl aber die Form der Präsentation in diesem Falle. Es gibt eine Kabinettausstellung im herkömmlichen Rahmen. Dafür hat Lüpertz aus dem umfangreichen Klingerbestand des Museums Zeichnungen und Grafiken des Vorbildes ausgewählt und mit eigenen konfrontiert. In zwei weiteren Sälen sind seine Plastiken unter die von Klinger gemischt. Schließlich – und das ist der auffälligste Teil – wurden Gemälde und plastische Werke von Lüpertz auf den drei inneren Plattformen des Bauwerkes platziert.

Wie ist die Ausgangssituation des Kräftemessens? Für Lüpertz findet Klinger immer noch nicht die Achtung seitens der Kunsthistoriker, die ihm eigentlich zusteht. In Leipzig mag das nicht gelten, im Museum ist er umfassend präsent. Sein Beethoven bekommt sogar einen Auftritt wie kaum ein anderes Exponat des Hauses. Dennoch muss man sich die Rahmenbedingungen verdeutlichen. Im frühen 20. Jahrhundert hatte Klinger in Leipzig eine Ausnahmestellung, daneben gab es kaum Nennenswertes. Anderswo hingegen lösten sich die Ismen in schneller Folge ab, wurde die Kunst wirklich umgewälzt. Falls Klinger Anstoß hervorrief, dann wegen seltsamer Bildfindungen wie seinem Christus auf dem Olymp. Kritiker, die der Moderne gegenüber aufgeschlossen waren, bemängelten hingegen seine kunstgewerbliche Betulichkeit. Ansonsten war er begehrt – bei Sammlern und Auftraggebern, denen die Entwicklungen rundherum zu heftig waren. So ließ Kommerzienrat Vogel für den Chemnitzer Ratssaal ein Monumentalgemälde anfertigen, das die Industriestadt zu einem mediterranen Tanzboden der Musen macht.

Begehrt ist auch Lüpertz, im Kunstpreisindex steht er unter den deutschen Namen weit oben. Zwei Jahrzehnte leitete er die Düsseldorfer Akademie. Wie Klinger gehört er nicht zu den Erneuerern, eckt dennoch an. Dass in Bayern ein Jesus mit enthülltem Penis zu Erregungen führte, kann man vernachlässigen. Er wolle nie provozieren, sagt Lüpertz. Und er verstehe nicht die gelegentliche Aufregung, da er doch immer sein Bestes gebe.

Wie gut dieses Beste ist, kann nun die Ausstellung beweisen. Bei den Zeichnungen ist das am einfachsten. Es sind solide Skizzen für kommende Projekte oder eigenständige Arbeiten, manchmal seriell angelegt wie das “Melonenmahl”. Von Klinger wurden überwiegend Blätter genommen, die auf angenehme Weise nicht so durchgearbeitet sind wie seine bekannten Grafikzyklen.

Schwieriger wird es bei den Gemälden und Plastiken. Mag man den kleinen Arbeiten noch den Charakter eines work in progress zugestehen, kann das für die großen nicht gelten. Der Verzicht auf korrekte Anatomie und Details hat schon Tradition, der Hang zum Unvollendeten noch viel mehr. Darüber ist nicht mehr zu streiten, sofern es gewollt ist. Doch Lüpertz liefert selbst ein Kriterium zur Beurteilung – man müsse die Werke an der Absicht des Künstlers messen. Und er selbst habe nie die Absicht, Karikaturen zu schaffen. Darin liegt das Problem. Lässt man die Preisliste und die Biografie des Künstlers links liegen, kommt man kaum darum herum, in den Darstellungen antiker Heroen etwas Lächerliches zu sehen. Das ist zulässig, nur will es Lüpertz nicht.

Er ist zeitgenössisch, Klinger war es zu seiner Zeit. Der Titel “zeitgenössische Kunst” ist ein Trick, Zeitlosigkeit vorzugeben. Schnittmenge beider Künstler ist, in ihrer Epoche jeweils zu den Konservativen zu gehören. Klinger provozierte die Modernisten mit seinem Festhalten an handwerklicher Perfektion, Lüpertz provoziert die extrem Konservativen durch die Zurschaustellung von mangelndem Vermögen zur Perfektion, die er angeblich anstrebt. Darüber kann man sich aufregen. Oder es gelassen sehn. Viel Aufregendes gibt es eigentlich nicht in dieser Ausstellung.

Merken

Dieser Beitrag wurde unter kunst, leipzig veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.