Geliftet

Anfang Oktober hat Edit mit zwei Veranstaltungen die 50. Ausgabe gefeiert. Nun habe ich es endlich auch geschafft, sie zu lesen. Auffällig ist zunächst das neue Layout, gestaltet von David Voss. Mit 50 scheint eine Straffung der Haut unvermeidlich zu werden. Der Titel ähnelt nun eher einem theorielastigen Journal für Philosophen, was ja einer der gegenwärtigen Chefredakteure tatsächlich ist. Alledings zeigen sich auch kleine Grenzüberschreitungen. Das gleich auf dem Cover abgedruckte Inhaltsverzeichnis bleibt nicht brav im blassblauen Rechteck. Auch im Inneren des 92 starken Heftes wird der Satzspiegel bei allem minimalistischen Understatement immer wieder „verrückt“. Edle Zugabe der neuen Aufmachung ist die sichtbare Klebebindung in leuchtender Farbe.

Fast entschuldigend hebt die Redaktion im Editorial hervor, dass man die Texte nicht als „schwierig“ abtuen solle, Verständlichkeit sei angestrebt. Woher kommt diese Vorsicht? So ganz einfach oder gar trivial sind die Erzählungen und Gedichte allerdings im Endeffekt trotz streckenweise ziemlich tradierter Machart auch nicht. Es fällt vielmehr eine düstere Grundstimmung auf. Bei der im belagerten Sarajevo spielenden Erzhlung (oder Reportage?) bringt es das reale Sujet mit sich. Beklemmend sind aber trotz der überwiegenden Fiktionalität auch die Texte von Lilith Katz, Thomas Podhostnikoder Constantin Göttfert, auch wenn es gar nicht um Finanzkrise oder Klimawandel geht. Hinzu kommen ebenfalls nicht gerade freudestrahlende Geschichte des Inders Uma Varatharajan in der Rubrik Expedition sowie ein Manuskript Pasolinis, das aus dem Friulanischen der besseren Lesbarkeit wegen ins Mittelhochdeutsche übertragen wurde.

Vorbei ist es mit der leichten Konsumierbarkeit endgültig, wie fast immer in der Gegenwartslyrik, bei den Gedichten. Karla Reimert geht aber zumindest erfrischend respektlos mit so einer Ikone wie Paul Celan um.

Programmatisch an der neuen Edit ist die Ausweitung des Essay-Teiles, der nun drei Autor(inn)en Platz bietet. Etwas Diskurs ist also doch erwünscht, auch wenn die so bezeichneten Essays sehr literarisch bleiben.

Da die Zeitschrift im Kontast zum Untertitel Papier für neue Texte auch ein Kunstjournal sein möchte, hat diesmal der Leipziger Maix Mayer zwei Fotostrecken mit Nahansichten behelmter Asiaten beigesteuert.

Etit hat sich also verjüngt und verändert. Leichte Kost ist es deswegen nicht geworden.

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Eine Antwort auf Geliftet

  1. Bakowski sagt:

    Dear Jens, I’m an Australian poet from Melbourne. I’m interested in contemporary literary journals in the German-speaking world, especially those which would consider poetry submissions with accompanying German translations.
    Every good wish, Peter pbakowski54@gmail.com

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