Federn gelassen

Der Adler – da klingt Stolz mit, Höhenflug, auch ein bisschen Größenwahn. Der Adler in Kleinzschocher sieht mehr nach Bauchlandung aus – eine Straßenkreuzung, deren Randbebauung aus Relikten verschiedener Epochen zusammengewürfelt ist. „Versuch es mal mit Schönheit!“ wirbt eine Baumarktkette großflächig an der Brandmauer eines zweigeschossigen Häuschens, das wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert übrig geblieben ist. An der Holzbude davor nutzen Leute die Wartezeit auf die nächste Linie 3, um schnell was zu essen. „Bockie“ gibt es, „Cheesie“ und „Bullie“, oder auch XL-Bratwurst ohne Kosenamen. Gegenüber preist ein China-Imbiss gebratene Hähnchen an, einst als Gummiadler bekannt. Passt ja. Die Kaufhalle der Supermarkt dahinter passt aber gar nicht. Konsumismus brutal, auch wenn die Hülle noch aus der realsozialistischen Mangelwirtschaft stammt. Mit krakeliger Schrift, doch straffem Willen zur Kreativität hat jemand den Namen der Kette ausgenutzt: „Für eine soziale REWElution!“

On the wings of an eagle.

On the wings of an eagle.

Den Namen Schauburg darf man sich nicht allzu gründlich durchdenken. Verwaschen türkisgrün gluckt das Kino aus der Glanzzeit des Mediums an der Antonienstraße. Der Klinkerkasten auf der anderen Seite hat eher etwas von einer Burg. Erziehung ist eine ernste Aufgabe. „Knaben“ steht am Eingang. Die Mädchen müssen hintenrum rein. Mussten. Noch ein Imbiss mit Werbung für ein Boulevardblatt. Und Geschäfte nach Zufallsprinzip. „Textilien am Adler“ klingt nach fremden Federn, ist aber nur vietnamesische Kleidung nebst ebenso gewohnt anspruchsvollen Geschenkartikeln.

Wo aber ist nun das Federvieh? Fünfhundert Meter weiter Richtung Stadt. Doppelkopf. Wie in Russland, wie in Österreich. Und ein bisschen preußisch. Bloß nicht sächsisch. Die haben wieder mal auf der falschen Seite gekämpft, im Oktober 1813. Der Adler ist ein Völkerschlachtdenkmal in Miniatur. Die Bäume im umgebenden Volkspark sind stramm auf Linie gebracht. Eichen natürlich.

Dieser Beitrag wurde unter leipzig veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Federn gelassen

  1. GH sagt:

    Der Original-Adler ist weg – er war im Giebel eines Hauses, das direkt an der Kreuzung stand (nach 1990 abgerissen).

    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/24428313

    GvH

Schreibe einen Kommentar zu GH Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.