Verlag kommt von Vorlegen

Ein klassischer Publikumsverlag zahlt den Autoren Vorschüsse. Das ist einer der Schlüsselsätze im Artikel Gigant ohne Geist von Maximilian Probst und Kilian Trotier in der aktuellen Ausgabe der ZEIT. Ach so?

In dem Artikel geht es um die zunehmende Marktmacht von Amazon, zunächst in den USA, dann aber auch in Europa. Hauptanklagepunkt: Nun verlegt der bisherige Händler auch noch selbst Bücher, zumeist als E-Book. Ja und, darf er das nicht? Nächster Anklagepunkt: Er verschafft den Autoren, darunter viele Amateure, auch noch das Gefühl, ernst genommen zu werden. Das ist ja wirklich verwerflich. Welcher traditionelle (deutsche) Verlag macht denn das noch? Und wer zahlt Vorschüsse?

Wirklich beängstigend an der Darstellung des Expansionskurses von Amazon ist nur ein Fakt: die Monopolisierung. Der könnte aber durch eine intelligente Kopie des Geschäftsmodells entgegengewirkt werden. Total unglaubwürdig wirkt allerdings die Behauptung, dass Amazon das herkömmliche Modell kaputt mache, nach dem ein Verlag seine Autoren als wichtigstes Kapital versteht, ihnen Vorschüsse zahlt, damit sie in Ruhe am nächsten Roman arbeiten können. Wann dieses Modell genau untergegangen ist, kann ich nicht exakt bestimmen. Untergegangen ist es ohne Zweifel. Daran mag eventuell die Gewinnsucht mancher Verleger einen Anteil haben. Aber viel entscheidender sind Gründe ohne moralische Keule. Heute kann man seine Texte ganz einfach im Internet veröffentlichen, man kann sie auch als Book on Demand günstig drucken lassen. Oder noch günstiger als E-Book herausgeben.

Die Qualität leidet darunter, keine Frage. War die in den Blütezeiten des klassischen Verlagswesens immer ganz oben? Der vermutlich weltweit meistverlegte deutschsprachige Schriftsteller ist Karl May. Sic!

Wozu ein Verlag, wenn er nichts tut? Das ist der andere Schlüsselsatz des Artikels. Was kann ein herkömmlicher Verlag denn besser als es das Self-Publishing kann? Zwei Dinge: Erstens gründlich lektorieren. Zweitens die Vermarktung intensiv vorantreiben. Bei gedruckten Büchern käme dann noch das Bemühen um eine ansprechende Gestaltung des auch haptischen Produkts hinzu. Wie viele Verlage geben sich in diesen Punkten noch viel Mühe?

Was soll das Gejammer? Statt irgend welche verlegerischen Tugenden zu beschwören, die schon lange nicht mehr die Norm sind, sollte besser den Monopolstellungen von Unternehmen entgegengewirkt werden, die ganz im Sinne der neuen technologischen Möglichkeiten arbeiten. Wie eben Amazon. Um Che Guevarra zu adaptieren: Lasst uns ein, zwei, viele Amazons schaffen! Das Modell ist ganz zeitgemäß, gefährlich ist allein die Vormachtstellung.

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