Dickes Ding

Ein Künstlerlexikon so ganz ohne Bilder – sieht man vom Umschlag ab -, das überrascht. Klar wird diese Abstinenz aber durch die im Einführungstext des Autors Dietmar Eisold erläuterte Intention des Buches: „Es knüpft an die verdienstvolle Arbeit Hans Vollmers an, dessen Künstlerlexikon des 20. Jahrhunderts hier für einen ausgewiesenen Teil Deutschlands – die SBZ bzw. die DDR – fortgesetzt wird.“ Vollmer selbst verstand sein Werk als Ergänzung des umfassenden Künstlerlexikons von Thieme und Becker und ist ebenso wie jenes eine reine Faktensammlung ohne Wertungen und eben auch ohne Abbildungen. Allerdings stimmt es nicht, wenn Eisold behauptet, seit dem Ende der 1950er Jahre abgeschlossenem Nachschlagewerk Vollmers sei nichts Vergleichbares erschienen. Das Allgemeine Künstlerlexikon, nach dem Verlag, der es begonnen hat, auch nur als Saur bezeichnet, ist zwar derzeit alphabetisch erst beim Namen Hahs angelangt, dabei aber schon auf 67 Bände angewachsen. Insofern kann Eisolds Buch nur als Zuarbeit zum Saur verstanden werden. Doch auch in dieser Hinsicht ist der Nutzwert beschränkt. So erscheint es verwirrend, wenn da beispielsweise steht: „lebte vor 1990 in Leipzig“, und allgemein bekannt ist, dass der betreffende Künstler dies nach wie vor tut.

Bei den Stichproben habe ich mich auf Künstler konzentriert, deren Biografie ich einigermaßen gut kenne, und auch da finden sich außer dem (beinahe) abrupten Abbruch 1990 manche Merkwürdigkeiten. So wird etwa Rüdiger Bruhn als Textilgestalter vorgestellt. Das hat er tatsächlich studiert, aber seit mehr als zwanzig Jahren ist er fast ausschließlich als Maler und Grafiker tätig. Noch seltsamer ist die Berufsbezeichnung Schriftgrafiker bei Armin Forbrig, der auch zu DDR-Zeiten schon vor allem Steinbildhauer war. Osmar Osten suche ich ganz vergebens, allerdings ist er unter seinem Klarnamen Bodo Münzner verzeichnet, ohne dass auf das Pseudonym, unter dem er bekannt ist, auch nur verwiesen wird. Bei Karl Clauss Dietel geht die Auflistung von Daten und Quellen ausnahmsweise mal über 1990 hinaus, doch die 2002 erschienene umfassende Monografie über ihn wird verschwiegen. Beim Blättern stieß ich schließlich auf den mir unbekannten Jan Wawrzyniak, der zur Wende erst 18 Jahre alt war und folglich nur mit Fakten nach 1990 erscheint. Was hat den Autor zu solchen Abweichungen vom Prinzip erwogen?

Das Lexikon als Schnellschuss zu bezeichnen, ist angesichts der fast 1100 dichtbedruckten Seiten sicherlich unangemessen. Viel Fleiß steckt ja unübersehbar drin. Doch ein Rätsel bleibt, warum solch renommierte Wissenschaftler wie Lothar Lang, Wolfgang Hütt oder Peter H. Feist, die im Impressum als Berater und Gutachter benannt werden, so etwas Halbgewalktes dem Verlag nicht ausgeredet haben. Statt jede Menge Papier zu verbrauchen, hätte eine Online-Veröffentlichung der Daten, eventuell mit kostenpflichtigem Zugriff wie bei der Netzversion des Saur, zweifellos mehr Nutzen gehabt. Vor allem dann, wenn Ergänzungen und Korrekturen eingebracht werden können.

Dietmar Eisold

Lexikon Künstler der DDR

Verlag neues leben, Berlin 2010

ISBN 978-3-355-01761-9

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