Aus meinem Tagebuch der Moderne I

Wenige Stunden bevor gegen 1.30 Uhr der Anruf von meiner Frau aus Nowosibirsk kam, dass sie gut gelandet ist, habe ich mir nach mehr als zwanzig Jahren noch mal Elem Klimows bitteren Film „Abschied von Matjora“ angesehen. Da geht es um die Räumung eines sibirischen Dorfes, das in den Fluten eines Stausees verschwinden wird. Eigentlich geht es aber um die Fragwürdigkeit des sogenannten Fortschritts. „Wir verwandeln Matjora in Elektrizität!“ ruft der versoffene Dorfnarr aus.

Zugleich lese ich mit fast gleichem zeitlichen Abstand nochmals „Die Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno. Kein Zufall. Als ich im Oktober einen Vortrag über die „Stadt der Moderne“ an der Chemnitzer TU halten sollte, wollte ich mir in der Bibliothek Überblicksliteratur zum Moderne-Begriff holen und staunte, dass es da nichts gibt. Wo Moderne oder auch Postmoderne betrachtet werden, dann immer aus einem ganz spezifischen Blickwinkel heraus. Nun lese ich schon seit Monaten dutzende Werke, um mir meine eigene Moderne-Definition zu basteln. Demnächst mehr in diesem Filmtheater.

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2 Antworten auf Aus meinem Tagebuch der Moderne I

  1. hilfsfilosoph-neisse sagt:

    mensch jens, halt ein! wann beginnt denn die moderne, mitte 16.jh oder mit dem bauhaus? oder vor christus? (mein persönl. tip) wie ich hörte, hat die deutsche post sogar eine eigene moderne… (uuuhhaaahhh, entschuldigung) was ist das wesen einer möglichen moderne, unabhängig vom begriff?

  2. admin sagt:

    Gleich eine der Kernfragen getroffen, wann denn eigentlich die M. beginnt. Ganz eng gesehen im frühen 20. Jahrhundert (für die Ästheten), etwas weiter im Wechselspiel von Aufklärung und Industrialisierung im 18. Jahrhundert, noch etwas weiter betrachtet zwar nicht vor Christus aber am Ausgang des christlichen Mittelalters. Das hängt dann eben wirklich davon ab, was man als ihr Wesen ansieht. Wenn es die beginnende Durchsetzung der zur unablässigen Eigendynamik verurteilten Kapitalbeziehung ist („Wachstumsbeschleunigungsgesetz“), wozu ich neige, dann so etwa im 12. Jahrhundert, zumindest in der schönen Toscana.

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