(K)ein Manifest

Die Ähnlichkeit ist kein Zufall: Vernetzt euch! von Lina ben Mhenni hat die gleiche Umschlaggestaltung wie Hessels Empört euch! und auch der Gleichklang der Titel ist gewollt. Doch die beiden Büchlein – der bescheidene Umfang ist eine weitere Gemeinsamkeit – sind ganz anders angelegt. Da das Manifest eines sehr alt gewordenen Veteranen der Résistance mit dem Anspruch, die heutige träge Jugend anzustacheln. Hier der sehr persönliche Erfahrungsbericht einer jungen Frau aus Tunesien, die als Bloggerin den Sturz Ben Alis mit voran getrieben hat. Theoretische Grundlagen oder auch nur Exkurse finden sich nicht. Manchmal erscheint der Glaube an Facebook und Twitter sogar naiv zu sein. Es ist eine Reportage über das eigene Tun, ganz wie es eben in Blogs üblich ist. Das macht dann aber auch die Stärke aus. Tatsächlich ist diese Vernetzung über die gerade am besten funktionierenden Internet-Kanäle in Tunesien und Ägypten maßgeblich gewesen für den Sturz der Autokraten. Das ist eine ganz neue Erfahrung, die sehr wichtig ist und auch bei den ach so ganz und gar freien Demokraten im Norden zu Sorgenfalten führt.

Dass es nicht reicht, nur zu bloggen und sich per Twitter zu Demos zu verabreden, zeigen Lybien und Syrien. Verallgemeinerungen sind also wieder einmal gefährlich. Der Titel von Lina ben Mhennis Broschüre erscheint deshalb wohl von europäischen Marketingstategen erfunden worden zu sein. Es ist ein guter, starker und berührender Bericht von einer noch ganz frischen Erfahrung. Nicht mehr.

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