Endlich Barbour kennen

Kurz bevor die Leipziger Stadtbibliothek für drei Monate in den Untergrund geht, um dann im Städtischen Kaufhaus wieder aufzutauchen, habe ich mich noch mit einem Bücherstapel eingedeckt. In den schon ziemlich schütter bestückten Regalen stieß ich zufällig auf „Faserland“ von Christian Kracht und erinnerte mich, dass dies als ein Schüsselroman der Pop-Literatur der neunziger Jahre gehandelt wird. So schlüsselig, dass er gar in der Buchedition der Welt auftaucht.

Nun habe ich das dünne Büchlein gelesen und ein fader Geschmack verbleibt. Der Ich-Erzähler torkelt ziellos durch das Land von Sylt bis in die Schweiz hinein, nur um sich an verschiedenen Orten mit unterschiedlichsten Getränken zu bedröhnen. Solche (Nicht-)Handlung findet sich zuhauf auch bei Bukowsky und Kollegen. Dort sind es aber Underdogs, denen kaum was anderes übrigbleibt.

Hier wird hingegen auf hohem Niveau gekotzt und eingekackt. Auch die Frauen , mit denen der Antiheld nur in der Vorstellung Sex hat, sind mindestens Models. Woher der Schnösel das Geld für den Lebensstil hat, bleibt offen. Alle, die nicht zu seinem Kreis gehören, sind Nazis oder Proleten oder beides zugleich, darunter manchmal auch tatsächliche Nazis. Während sein Kumpel Rollo, ebenso reich und hohl, schließlich im Bodensee ertrinkt, fährt der Erzähler weiter. Irgendwo hin. So öde wie sein Leben ist aber auch das Buch. Das einzige, was es mir gegeben hat ist, nun zu wissen, was eine Barbour-Jacke ist. Das Wort taucht auf 160 Seiten gefühlte 100 Mal auf. Was mache ich mit diesem Wissen?

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3 Antworten auf Endlich Barbour kennen

  1. Rosie sagt:

    Genau….
    …aufgrund der überschwänglichen Rezensionen kaufte ich mir damals dieses Buch.
    Meine gespannte Neugierde machte ziemlich schnell großer Enttäuschung Platz und ich musste mich zwingen, das „Faserland“ überhaupt bis zu Ende zu lesen.
    Es steht auch nicht mehr in meinem Bücherregal, sondern wurde gleich anschließend zum Antiquariat gebracht.
    Gruß von Rosie

  2. Liebe Freunde, als Germanist muss ich Euch doch daran erinnern, dass man den Erzähler eines Romans nicht ohne Weiteres mit seinem Autor gleichsetzen sollte. Hattet ihr während des Lesens nicht das Gefühl, dass der Autor die innere Leere und unbestimmte Furchtsamkeit seines Helden geradezu vorführt? Ich bin kein großer Kenner des sonstigen Werkes von Herrn Kracht, glaube aber doch, dass ihm hier ein nicht unzutreffendes Porträt einer bestimmten Gesellschaftsschicht und einer bestimmten Zeit gelungen ist.

  3. admin sagt:

    Lieber Germanist,dass Ich-Erzähler und Autor höchst selten mal zusammen fallen, weiß sogar ich. Aber gerade bei Schreibern dieser Welle, wie u.a. Stuckrad-Barre, gilt doch „Authentizität“ meist sehr viel. Wie viel ironische Distanz da am Ende drin ist, kann ich nicht einschätzen. Jedenfalls hat mich das Buch angeödet. Allerdings geht mir das bei manchen Werken, die gemeinhin zur Weltliteratur gezählt werden, nicht anders. Als Nicht-Germanist kann ich mir es eben leisten, ganz geschmäcklerisch zu urteilen, völlig egal, ob der Autor da irgendwas ganz treffend eingefangen hat oder nicht.

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