Dathenfehler

Weshalb mir der Name Dietmar Dath in positiver Erinnerung geblieben ist, kann ich nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls habe ich ohne langes Überlegen zugegriffen, als ich in der Buchhandlung „Sämmtliche Gedichte“ dieses Autors sah. Wäre es wirklich ein Lyrikband mit fast 300 Seiten, hätte ich den Fehler des Kaufs nicht gemacht. Doch das Taschenbuch ist ausdrücklich als Roman gekennzeichnet.

Die trotzdem recht üppig eingestreuten Gedichte des Romanhelden Adam Sladek hielt ich anfangs für Parodien auf die verbreitete Mittelmäßigkeit des heutigen Literaturbetriebes. Doch nachdem ich mal nach Dietmar Dath im Netz gesucht hatte und da auch auf Dichtungen stieß, die er unter eigenem Namen veröffentlicht hat, merkte ich: Er kann es nicht besser.

Außerdem hatte ich gehofft, die gedrechselte Sprache der Prosapassagen möge sich normalisieren. Doch das passiert nicht, das Geraspel geht bis zum Schluss so durch. Beim Googeln habe ich dann auch festgestellt, dass Dath unter anderem als „Lenin 2.0“ bezeichnet wird. Außer einer beiläufigen Erwähnung der „UZ“, also des Blattes der DKP, ist allerdings keine plakativ politische Handlung zu finden, auch wenn der Fiesling des Romans ein neureicher Emporkömmling ist.

Sladek wird in die Villa ebenjenes Milliardärs entführt, der sein Geld mit Entwicklungen in der Genetik gemacht hat. Die „Sämmtlichen Gedichte“ (der gewollte Schreibfehler soll auf das 18. Jahrhundert verweisen, warum auch immer), die Sladek in der Gefangenschaft mit Freigang zu schreiben hat, sind ein Experiment des Wissenschaftler-Unternehmers. Dessen Sinn erschließt sich nur Dath selbst, der tatsächlich eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat. Und er taucht unter seinem Klarnamen auch im Roman auf. Nicht als Ich-Erzähler, sondern in der dritten Person. Als Gehilfe des Entführers spielt er eine zunehmend miese Rolle. Sich selbst in einem Text als Verbrecher zu bezeichnen, ist eine ausgesprochen widerliche Art von Koketterie.

Das Ganze endet in einer blutigen Run-and-jump-Szenerie. Die Verschränkung von Trash und versuchter Erhabenheit bezeichnet man heute in der Literatur zumeist als postmodern. Doch für Bücher mit diesem Etikett habe ich mich sehr selten begeistern können. Den Fehler, einen Dath zu kaufen, werde ich jedenfalls nicht mehr machen.

Dieser Beitrag wurde unter kritik, literatur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.