Parallelwelten

Am Sonntag und Montag habe ich zwei Leipziger Literaturveranstaltungen besucht, die eigentlich vieles gemeinsam haben und doch ganz anders erscheinen. Jeden zweiten Sonntag gibt es im FHL-Club an der Eichendorffstraße „Texte an der Theke“, moderiert von Henner Kotte, der Donna Leon Leipzigs. Da kann kommen wer will, und zehn Minuten lang für ein Freibier lesen was er will, eigene Texte oder Auszüge aus der Weltliteratur. Der Kreis der Gesichter, die immer wieder dort zu sehen sind, ist übersichtlich. Und es ist auch nicht so ganz der blutjunge Nachwuchs. Da sich der Zirkel untereinander wohl gut kennt, fiel die Vorstellung der Lesenden etwas karg aus. So weiß ich nur, dass es ein gewisser Uwe war, der nicht unbedingt wie ein typischer Schriftsteller aussieht, aber von dem ich nun zum zweiten Mal Texte gehört habe, die an sprachlicher Kraft und kompositorischer Rafinesse manche DLL-Absolventen blass aussehen lassen. Daneben gibt es natürlich auch manches Flache, so ist das eben bei einem Offenen Mikrofon.

Jede Menge junges Gemüse in überwiegend schwarzer Kleidung hingegen versammelt sich im Schwalbennest der Moritzbastei, wenn unter Regie des kulturell hyperaktiven MC Volly Tanner einmal im Monat die „älteste Literaturreihe Europas“, wie zu betonen er nicht müde wird, der „Durstige Pegasus“ also, abhebt. Diesmal waren auch die drei Lesenden sehr jung. Zu jung vielleicht, um schon genug Lebenserfahrung für starke Texte zu haben. So breitete eine angehende Germanistin ihren Liebeskummer in allzu bekannten Klischees aus. Ein anderer Dichter hatte paar lustige Limericks, das ging noch, doch bei seinen düsteren Poemen kam unfreiwillige Komik ins Spiel. Der dritte Teenager schließlich scheint Talent zu haben. Der Auszug eines noch zu schreibenden Romans war allerdings zu episch ausgebreitet für so eine kurzatmige Live-Lesung. Bei der folgenden, stärker verdichteten Story war deshalb schon etwas die Konzentration weg, bei mir jedenfalls.

Trotzdem ist es immer wieder beeindruckend, wie Jugendliche in Massen zusammenströmen, um unbekannten, und eben ab und zu auch noch unbedarften Schreibern zuzuhören. Davon kann man in Chemnitz (beispielsweise) nur träumen.

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