Belting wiedergelesen

Es müssen etwa 15 Jahre vergangen sein, seit ich Hans Beltings Buch Das Ende der Kunstgeschichte gelesen habe, das seinerseits die Revision seines 1985 geschriebenen Essays mit dem gleichen Titel (damals noch mit einem Fragezeichen versehen) darstellt. Eigenartig ist, dass es offenbar kaum an Aktualität verloren hat.

Wenn Belting vom Ende der Kunstgeschichte spricht, meint er nicht das Ende der Kunst(produktion) und irgendwelcher Entwicklungen, sondern ausschließlich den Glaube an eine lineare Folgerichtigkeit innerhalb dieser. Solch eine vom allgemeinen Fortschrittsgedanken der Moderne ausgehende Erzählung war schon immer eine Fiktion, seit den frühen 1960er Jahren aber vollends obsolet geworden. Um so erstaunlicher ist es, dass es heute noch – ein halbes Jahrhundert danach – Künstler, Galeristen, Kritiker gibt, die in Bezug auf die Gegenwartskunst von Avantgarde reden und Progress für machbar und anstrebbar halten.

Belting zeigt auch, dass Innovation durchaus möglich sind, wenn neue Medien eingesetzt werden, aber nicht zwangsläufig, weil es keineswegs erwiesen ist, daß es genügt, das Pferd zu wechseln und neue Medien zu benutzen, um Neues zu sagen und eine neue Zeit zu besitzen. Auch stellt er fest, dass Mediengeschichte und Kunstgeschichte nicht identisch sind: Es zeugt von einem naiven Kult der Technik und der Aktualität, daß sich Medientheorie und Mediengeschichte heute allein zu den technischen Medien (Foto, Film, Video) äußern, während sie die alten Medien als „Kunst“ beiseite schieben. Damit spalten sie die Einheit der Bilder in die Pole der Medien und der Kunst, als ob alle Wege dazwischen abgebrochen seien. Auf dem Gebiet der Videokunst scheint es in den 17 Jahren seit Erscheinen des Buches sogar einen Rückschritt gegeben zu haben. Belting schreibt, dass die Videokünstler sich in der Demontage zeitlicher Abläufe von Filmen in TV und Kino abheben. Heute ist es aber zu einer Normalität geworden, in Kunstausstellungen Videos zu zeigen, die genau so auch im Fernsehn laufen könnten und  es zuweilen tun.

Netter Nebeneffekt der erneuten Lektüre ist der Hinweis, dass die gegenwärtig so hitzige Debatte über Urheberrecht und Kopieren uralt ist. Er verweist auf die Ausstellung Art about Art, die 1978 im Whitney Museum stattfand. Das Begleitbuch wird mit einem Essay von Leo Steinberg eröffnet, der, wie nicht anders zu erwarten, den Spieß umdreht und das Thema in die alte Kunst zurückverfolgt, wo man schon immer kopiert, überboten und korrigiert hatte. Die einschlägigen Beispiele waren bequem in einem Buch von K.E. Maison versammelt, der 1960 „Themes and Variations“ aus fünf Jahrhunderten Kunstgeschichte in prachtvollen Abbildungen vorgelegt hatte, in welchen die alten Vorbilder und die alten Nachbilder einander gegenüberstanden.

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