Zug- und Druckfehler

Kurz nachdem ich in den etwa fünf Minuten verspäteten Zug Chemnitz-Leipzig eingestiegen bin, schlage ich „Schmidt liest Proust“ auf, um weiter zu lesen. Da ertönt eine weibliche Stimme aus den Lautsprechern im Waggon, die nicht nur darauf hinweist, dass der Zug auch einige Minuten später abfahren werde, sondern erläuternd hinzufügt: „Es handelt sich um eine sogenannte Wendeverspätung.“ Über solch ein Wort hätte sich Erich Honecker sicherlich diebisch gefreut.

Andere Freuden habe ich beim Schmidt-Lesen. Er selbst gibt zu, in fremden Büchern nach Druckfehlern (die fast immer Setzfehler sind) zu suchen. Erst auf Seite 811 ist er in der DDR-Ausgabe von Proust fündig geworden. „Kleine Fehler, die das Regime am Ende die Macht gekostet haben könnten.“

Ich kenne das Scheißgefühl, in selbst verzapften Druckwerken Fehler zu finden. Noch schlimmer ist, von anderen darauf hingewiesen zu werden. Um so mehr Vergnügen bereitet der Rollentausch. Lieber Jochen Schmidt, lieber Verlag Voland & Quist: Exakt auf der nächsten Seite des Buches schlägt das Unheil zu: „Ist der kampf um EU-Fördermittel noch ein dramatischer Stoff … “ Auch wenn es nicht um „Mein Kampf“ geht, wird das Substantiv immer noch groß geschrieben. Das Wort „ungfähr“ auf Seite 122 könnte man vielleicht als bayrischen Dialekt durchgehen lassen. Aber Jochen Schmidt ist doch kein Süddeutscher? Wen werden wohl diese kleinen Fehler die Macht kosten?

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2 Antworten auf Zug- und Druckfehler

  1. Sebastian sagt:

    lieber jens, soviel gehässigkeit hätte ich dir gar nicht zu getraut ;-).

    der satz mit dem „kampf“ wurde kurz vor drucklegung eingefügt, ist also tatsächlich ein setzfehler und beim letzten korrekturdurchgang leider durchgerutscht. s. 122 ist beim normalen lektorat übersehen worden, beides wird aber in der nächsten auflage korrigiert werden.

    ansonsten hoffe ich, du findest auch am text selbst gefallen, nicht nur am finden von fehlern? 😉

  2. admin sagt:

    Dass Zugeständnis, dass da am Text noch bis zuletzt rumgefeilt wurde, nimmt mir jetzt aber den Glauben, es sei ein authentisches Tagebuch mit frischen Impressionen. Alles gefälscht!
    Nun erst recht werde ich nach Fehlern suchen.

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