Den Grünflächen misstrauen

Dass LVZ und L-Iz am gleichen Tag zum gleichen Thema berichten, ist normal. Dass sie aber unisono Investorengelüste loben, erscheint eher als Ausnahme. So heute geschehen. KLM-Architekten entwerfen Perspektiven für Leipzigs City-Brachen titelt Jens Rometsch im Lokalteil der LVZ. Der Leipziger Architekt Thomas Hille will wieder Leben an die Jablonowskistraße bringen überschreibt Ralf Julke seinen Beitrag in der L-Iz. An beide Autoren habe ich ähnlich gehaltene Leserbriefe geschickt. Mal sehen, wer reagiert und wie.
Es geht darum, dass Thomas Hille vom Büro KLM Architekten auf der Fläche zwischen Brüder-, Leplay- und Jablonowskistraße, also in bester City-Randlage, ein Karree mit Wohnungen und Geschäften errichten möchte und angeblich dafür auch schon einen Investor hat. Rometsch wie Julke sind begeistert davon. Da sich aber die L-Iz als kritisches Medium versteht, kritisiert sie. Nicht den Architekten oder den namenlosen Investor, sondern die Stadt. Die Trantuten im Rathaus merken einfach nicht, wie viel Fläche noch zugebaut werden kann! Da braucht es schon den Blick des Architekten, um zu sehen, was die Stadt Leipzig hier einfach liegen lässt, obwohl es ihr gehört. Und weiter philosophiert Julke: Misstraut den Grünflächen. Sie waren nicht immer da. Das ist sachlich richtig. Auch der Parkring zwischen Schillerstraße, Schwanenteich und Goerdelerring war nicht immer da. Wie wäre es, den mit höchst renditeträchtigen Gated Areas für betuchte (Neu-)Leipziger zuzubauen? Die Stadt wächst ja so rasant, da ist jeder Freiraum wertvoll.

Ausriss aus der L-Iz

Ausriss aus der L-Iz

Ich kenne diese Fläche, in Hilles Entwurf vorauseilend Leplayplatz benannt, da ich direkt nebenan wohne, Turnerstraße 5. Nach Lesart der L-Iz schlafe ich im Freien. Die Turnerstraße existiert heute nur noch als Fußweg neben der Sporthalle Brüderstraße. Gerade darum aber muss ich mich dagegen wehren, dass mir die Wiese unter dem Kopfkissen weggezogen wird. Wir haben auf dieser Grünanlage (die regelmäßig gemäht und gesäubert wird), schon etliche Würstchen gegrillt, mehrere Flaschen geleert, Fußball gespielt, zur Gitarre gegrölt, Bücher gelesen oder einfach nur in der Sonne gedöst. Und mit uns jede Menge Anwohner, Studenten aus dem Wohnheim Nürnberger Straße und zufällige Passanten. Die Wohnblöcke der Umgebung haben keine begrünten Höfe wie in manchen anderen Stadtvierteln, die Leute brauchen diese Oase und nutzen sie so intensiv wie vielfältig. Damit zu argumentieren, dass die Bebauung vor dem Krieg noch dichter war, und im Hinterhof Gewerbeanlagen qualmten und lärmten, ist eine zynische Art von Nostalgie.
Ok, im Moment ist auf dem Platz die Querverbindung Richtung Windmühlenstraße ziemlich schlammig. Ein ausgebautes Wegekreuz wäre nett. Doch dass Ende vorigen Jahres 27 junge Bäume gesetzt wurden, habe ich eigentlich als Signal der Kommune verstanden, diese Grünfläche nicht nur zu erhalten, sondern aufzuwerten. In der Darstellung des Architeken aber liest es sich so: Trampelpfade, Spontanvegetation und die wellblechverkleidete Wand der Turnhalle tragen allerdings dazu bei, dass das Potential dieses Ortes verborgen bleibt. Der “Leplayplatz” wird zum Durchgangsraum ohne Verweilqualitäten weil er in Restflächen ausfranst. Wie viel ich dort schon qualitätvoll verweilt habe, interessiert den Verwertungsstrategen kein bisschen. Und diese Wellblech-Turnhalle wird gerade vollständig umgebaut. Als sie noch in Betrieb war, haben auch viele Sportler und Spielbesucher in Pausen oder nach dem Fight auf der Wiese gerne verweilt, einen Energy-Drink geschlürft oder Aufwärm-Runden gedreht.
Die veröffentlichten Bilder des Entwurfes von Thomas Hille sind ernüchternd. Wieder einmal eine stupide Rasterfassade. Die Begründung dafür ist auch immer die Gleiche: Dieses Gebäude muss sich dem Stadtgarten unterordnen und ist deshalb in seiner Erscheinung klassisch zurückhaltend, unterliegt keiner modischen Kurzlebigkeit. Ach ja, nicht nur die Gestaltung stammt aus Vorgaben eines CAD-Programms, auch die Vermarktung folgt Versatzstücken der PR-Branche. An der Gestaltung könnte natürlich noch gearbeitet werden. Hille weiß ja noch gar nicht, ob es eine Schule, ein Hotel oder ein Wohnblock wird. Ein Entwurf passt für alles, das nennt man Neoklassizismus.

Ausriss aus der LVZ

Ausriss aus der LVZ

Hauptsache, erst einmal die Potenziale aufzeigen. Die Frage steht, wie Brachen so entwickelt werden können, dass Bürger der Stadt daraus den optimalen Nutzen ziehen können, wird Hille im LVZ-Artikel zitiert. Das würde, konsequent weiter gedacht, heißen, dass die Grünfläche bleibt. Dass es der Gentrifizierer so natürlich nicht meint, wird in der L-Iz unterstrichen: Die 6.700 Quadratmeter große Brache zwischen Brüderstraße/Leplaystraße und Jablonowskistraße hat eine echte Perspektive. Wenn denn die Stadtplaner hier wirklich einmal tätig werden. Hoffentlich tun sie das nicht.
Steckt euch die Betonpumpe in beliebige Körperöffnungen. Ich will den Grünflächen nicht misstrauen, sondern sie nutzen. So bleibt das Leben an der Jablonowskistraße wie es ist. Lebenswert.

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7 Antworten auf Den Grünflächen misstrauen

  1. Marcel Happich sagt:

    Die Brachen haben für mich auch immer zu Leipzig gehört, das war irgendwie auch der Charm dieser Stadt. Alle diese nun zu bebauen, bedeutet auch das Leipzig eine Stadt wie viele andere Städte auch wird.

  2. neqe sagt:

    Ich kenne keinen der beiden Artikel und mir liegt prinzipiell fern, L-IZ verteidigen zu wollen, unterm Strich praktizieren die meiner Ansicht nach schlechten Journalismus.

    Die vielen kleinen Leipziger Grünflächen dort, wo man ein Haus vermuten würde, haben jedoch sehr oft den Hintergrund, dass da in der Regel tatsächlich ein Haus stand, das die Stadt durch bewusstes Wegschauen, durch aktives Abreißen, durch Feuer oder sonst wie verloren hat. Diese Form des Schicksal gegebenen Rückbaus war viele Jahre hochwillkommen und die Lösung immer die gleiche: Grünflächenbrache.

    Wir wissen heute längst, dass Leipzig diese aufgegebenen Häuser gut brauchen könnte. Insofern ist Kritik an den Grünflächen als Kritik an einer kurzsichtigen, fehllaufenden Stadtplanung sicher angemessen. Falls Julke sein „Misstraut den Grünflächen. Sie waren nicht immer da.“ in diesem Sinne meint, kann man ihm nur zustimmen. Ihr Vergleich zwischen aus dem Versagen der Verwaltung erwachsenem Brachengrün und dem klassischen Promenadengrün geht an der Sache vorbei. Zumal der Stadtgarten Brüder-Leplay-Straße einen funktionierenden Abschluss gebrauchen könnte.

    Einige Brachen sind längst in neuer Nutzung etabliert, prominent etwa die Nachbarschaftsgärten in der Josephstraße. Die sind auch bedroht – und verdienen bürgerliche Unterstützung, denn der Stadt ist nicht zu trauen. Auch die wundervolle Wagenplatzszene sollte ernster genommen werden und Flächen erhalten. Hier lohnt Öffentlichkeitsarbeit.

    Die Eröffnung von Hildebrands Kunstkammer Ende März wäre übrigens ein guter Termin, über das Versagen der Stadtverwaltung nachzudenken. Das Immobilienglücksrittertum der 90er und nuller Jahre hatte klare politische Ursachen. Es war nicht harte, ehrenwerte Arbeit, die das Spielgeld abwarf, eine Kunsthalle über dem Ring zu eröffnen, sondern politisches Versagen, gepaart mit gewisser Skrupellosigkeit. „Lychener 64“ ist ein netter Dokumentarfilm, der sich bei Youtube findet, und ernüchternd zeigt, wie Stadtplaner die Menschen als das eigentliche Kapital der Stadt bezeichnen und sie dann doch aus dem Weg räumen für das harte Kapital. Was „Hildebrand & Jürgens“ damit zu tun haben, wird der aufmerksame Zuschauer herausfinden.

    Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es eine großartige, kritische Architektenszene aus dem HTWK-Dunstkreis, die versuchte, Leipzig mitzugestalten und Denkprozesse anzuregen. L21, Archleague Leipzig, Karo Architekten … Projekte wie Brühlbrowser, Raumerweiterungshalle, l’Office … Es scheint, die haben resigniert. Angesichts der Spinnereien Leipzigs?

    Heute gebaren sich die (höchst ehrenwerten) Hausprojekte so, als wären sie die Pioniere. Dabei sind sie die spät, aber gerade rechtzeitig Gekommenen. Heute haben einzelne Gurus wie, lokal, Dieter Rink und, überregional, Andrej Holm die nahezu alleinige Deutungshoheit, bleiben jedoch in der Theorieblase. Das war alles mal bunter, lebendiger, offener.

    Ich mach mal einen Punkt. Es bringt wenig, über eine charmefreie Hundewiese an der Jablonowskistraße zu diskutieren, sie gar auf eine Ebene mit dem Promenadengrün zu hieven. Das Thema ist viel allgemeiner.

  3. admin sagt:

    Die Grünfläche ist nicht durch „bewusstes Wegschauen“ entstanden, sondern durch die Bomben des 2. Weltkrieges. Und es ist auch nicht ausschließlich Wildwuchs, wie man an der geraden Baumreihe entlang des Parkplatzes erkennen kann.
    Selbst wenn es nur eine „charmfreie Hundewiese“ wäre (was ich als täglicher Beobachter ganz anders sehe), hätte sie eine Berechtigung. Auf dem vorderen Teil des Parks an der Grünewaldstraße können keine Hunde rumtollen, man kann auch nicht mit dem Ball bolzen. Aber das sind eben Tätigkeiten, die manche Leute in der Innenstadt nicht haben wollen. Eine lebendige Stadt gewinnt ihren Reiz durch das Disparate, Unperfekte. Thomas Hille hat viele Jahre in FfM gelebt. Dort kann man beobachten, wie so eine durchgestylte City aussieht, wo nach Büroschluss tote Hose ist. Das soll offensichtlich auch in der neuen Hipsterstadt Leipzig erreicht werden.
    Mir erschließt sich nicht die Logik, weshalb ein Immobilienunternehmer (dessen größtes Vergehen offenbar darin besteht, seine Kunstsammlung öffentlich zugänglich zu machen) ein schlimmer Gentrifizierer ist, ein anderer, der jede Freifläche in der Innenstadt zubetonieren möchte, aber verantwortungsvolle Stadtentwicklung betreibt. Das ist mir zu hoch.

  4. neqe sagt:

    Ich weiß echt nicht, warum ich mir das antue, ihre Kommentarfunktion zu nutzen. Ein Impuls ist freilich: Sie sind recht neu hier, mischen sich ein, das finde ich gut. Doch auf der anderen Seite steht eine unerträgliche Rechthaberei, Unwille, Zusammenhänge zu erkennen, und ein monströses Sendungsbewusstsein, das Denkpausen nicht zulässt. Zumindest wenn Sie mich zitieren, bitte ich dennoch, keine Tippfehler reinzubringen. Bei vier Wörtern muss das doch möglich sein?

    Um meinem Gedankengang zu folgen, spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Kriegslücke, eine Lücke aus DDR-Zeit oder um eine Nachwendelücke handelt. Es ging einzig um den Hinweis, dass diese Diskussionen seit Jahrzehnten auf ungleich höherem Niveau und mit viel erheblicherer Relevanz geführt wurden und werden.

    Dass manche Brache gar keine Brache ist, mag stimmen. Für Anwohner kann es blöd sein, wenn dort gebaut wird. Schlimmstenfalls beeinträchtigt es die Sicht, die Parkplatzsituation verschärft sich, die Baustellenzeit ist die Hölle. Das sind gute Gründe, gegen eine Bebauung zu sein, zumal etliche Anwohner gewiss lieber neue Parkplätze statt neuer Nachbarn wünschen. Doch das alles ist nicht ihre Argumentation, möglicherweise jedoch Teil ihrer Motivation.

    Sie argumentieren mit Lob den Freiflächen und suchen sich dafür just eine der unbedeutendsten raus – offenbar einzig aus persönlicher Betroffenheit. Leipzig hat viele solcher Lücken, manchmal haben sie sich einigermaßen vorteilhaft verwandelt – etwa der Grünstreifen am Martin Luther Ring, der zum Johannapark führt und auf dem beinah das MdbK gebaut worden wäre -, manchmal blieben sie Brache, wie das Jahrtausendfeld, das Karl-Krause-Gelände oder die Fläche vor Ihrer Haustür. Ich bin großer Fan dieser perforierten Stadt und ich fand die ASW-Strategie „Wegschauen bis zum Einsturz – dann Brache – dann Stadthaus“ immer widerlich. Aber speziell in dem von Ihnen beklagten Fall sehe ich das Empörungspotential nicht.

    Es gab in dieser Stadt schon wunderbare, ausgearbeitete Bürgerpläne für gemeinschaftliche Brachennutzung, auf die Burkhard Jung keine andere Antwort wusste als: Ich bau auf jede verfügbare Freifläche eine Kita. Absage.

    Was mich wirklich an ihrem Verstand zweifeln lässt, sind folgende Worte:

    „Mir erschließt sich nicht die Logik, weshalb ein Immobilienunternehmer (dessen größtes Vergehen offenbar darin besteht, seine Kunstsammlung öffentlich zugänglich zu machen) ein schlimmer Gentrifizierer ist, ein anderer, der jede Freifläche in der Innenstadt zubetonieren möchte, aber verantwortungsvolle Stadtentwicklung betreibt. Das ist mir zu hoch.“

    Sie sehen also keinen Unterschied zwischen einem Investor, der eine Freifläche dem Umfeld entsprechend bebauen möchte, und einem Investor, der bewohnten, funktionierenden Altbau aufkauft, die Bewohner rausdrängt, unter Mitnahme der Abschreibungsmöglichkeiten Luxus-saniert, und dann kleine Einheiten zu heftigen Preisen an neue, zahlungskräftige Mieter bringt? Ersteres ist allenfalls der Lauf der Dinge, letzteres ist „schlimme“ Gentrifizierung, die sich nebenbei auf den Mietspiegel auswirkt und so ganze Viertel vergiftet.

    Das Öffentlichmachen einer Kunstsammlung hingegen ist kein Vergehen. Woher nehmen Sie diesen Unsinn?

    Gönnen Sie sich Denkzeit, hören Sie zu, verstehen Sie. Dann lohnt vielleicht irgendwann auch das Schreiben. Bislang zeugen Ihre Texte eher davon, was Sie alles nicht verstanden haben. Darin, im Nichtverstehen, bin ich selber gut. Das bringt keinem was.

  5. admin sagt:

    Werte Tante Netiquette,
    zwar weiß ich wegen der anonymen Postings ihr Geschlecht nicht, klingt auch alles eher onkelhaft, doch um nichts falsch zu machen, benutze ich besser die weibliche Anrede. Eigentlich gehe ich mit Arne Linde in diesem Punkt ganz konform, dass anonyme Kommentare einfach feige sind. Dennoch habe ich ihre Äußerung noch einmal zugelassen. Um zu verdeutlichen, wass ich meine: Seit ich vor anderthalb Jahren in diesem Blog eine heftige Auseinandersetzung mit einem sich Rol nennenden Kommentator oder auch einer Kommentatorin hatte, der oder die ebenso wie Sie fundiertes Hintergrundwissen als Autoritätsbeweis durchbitzen lässt, muss ich hinter jedem/r Kollegen/Kollegin, mit dem ich vielleicht bei Vernissagen oder Pressekonferenzen ein freundliches Wort wechsele, vermuten, dass er oder sie das sei. Anonymes Kommentieren vergiftet einfach die realen zwischenmenschlichen Kontakte, sorgt nur für Misstrauen. Ich kommentiere nur dort anonym, wo ich schon gesperrt bin, wie auf der FB-Seite von Legida. Da leiste ich mir dann die knapp 10 Eure, um mir eine Fake-Identität zuzulegen.
    Nun zu ihrem vorigen Kommentar, Tante Netiquette (hübsches Pseudonym, kennen Sie eigentlich dessen ehemalige Bedeutung?). Nach manchmal sachbezogener, auf die Inhalte tatsächlich eingehender Kritik von Ihnen wird es nun persönlich und pauschal. Das hasse ich. Und es ist so wie die Anonymität ein Zeichen von Schwäche. Sie werfen mir „unerträgliche Rechthaberei, Unwille, Zusammenhänge zu erkennen, und ein monströses Sendungsbewusstsein“ vor. Merken Sie irgendwie, dass Sie damit sich selbst beschreiben? Denn Sie betonen, dass Sie die zwei Artikel nicht gelesen haben. Wie man sie aber richtig auslegt, wissen Sie. Das kenne ich von Jürgen Henne, der zwar nicht in bestimmte Ausstellungen geht, dann aber meinen Artikel dazu in Grund und Boden stampft. Auch Volly Tanner handelt ähnlich.
    „Bislang zeugen Ihre Texte eher davon, was Sie alles nicht verstanden haben.“ Danke für die Benotung. Woher nehmen Sie eigentlich die Oberlehrer-Attitüde? Ich bin kein Student im Praktikum, sondern 53 Jahre alt und habe etwa 20 Bücher veröffentlicht und mehrere Hundert Artikel in Zeitungen und Zeitschriften. Ja, ich mache Fehler, irre mich, bereue manche Äußerung schon kurz nach der Veröffentlichung. Und ich werde anders interpretiert, als ich es eigentlich gemeint habe. Das gehört zum Job. Wer sich an Öffentlichkeit wagt, muss damit leben, anders anzukommen als vorgesehen. Primitiv sind allerdings verallgemeinernde Urteile wie von Ihnen.
    Sie möchten auf konkrete Argumente gar nicht eingehen. Einige Beispiele:
    – Wann die sogenannte Brache an der Leplaystraße entstand, ist für Sie plötzlich unwichtig. Schuld ist sowieso Burkhard Jung, der Häuser einstürzen lässt um Brachen zu schaffen.
    – Dass der Platz nicht das von Hille beschriebene Ödland ist, interessiert auch nicht, Die frisch gepflanzten Bäume (einige davon mit Schildern für Baumpatenschaften) kann man ja auch wieder entsorgen. Charmefrei. Und die angemahnte Platzkante ist nach der Sanierung der Turnhalle zweifellos vorhanden.
    – Auf die architektonischen Qualitäten des Entwurfs muss nicht eingegangen werden. Eine Einheitsfassade für Schule, Wohnblock oder Altersheim muss doch reichen. Sie berufen sich auf ach so hoch über meiner Kritik stehende Diskurse vergangener Jahre. Mich würde interessieren, was die genannten Büros zu diesem tristen Entwurf sagen. Für Sie ist das ein Investor, “ der eine Freifläche dem Umfeld entsprechend bebauen möchte“. Das sagt viel über Ihr Urteilsvermögen in puncto Architektur aus.
    – „Sie argumentieren mit Lob den Freiflächen und suchen sich dafür just eine der unbedeutendsten raus – offenbar einzig aus persönlicher Betroffenheit.“ (Grammatikfehler au dem Original übernomnmen) Die persönliche Betroffenheit ist da, aber nicht wegen des sagenhaft primitiven Arguments der Parkplätze vor dem Haus. Ich habe kein Auto, bin zufriedener Teilauto-Nutzer. Ich war aber auch gegen das Zubauen der Freifläche an der Gohliser Straße, wo jetzt ein Flachbau von auserwählter Hässlichkeit steht. Eine tatsächlich unbedeutende Freifläche ist nur wenige Schritte von der Leplaystraße entfernt. Der Schotterplatz an der Nürnberger/Sternwartenstraße bedarf tatsächlich einer Umnutzung. Aber der Platz wurde ja schon verpachtet, jemand vermietet Stellplätze für Autos. Da muss nicht mehr interveniert werden durch Thomas Hille, der Verwertungskreislauf funktioniert ja schon. Wie schön. Wie hässlich.
    Wegen der Kunsthalle G2: Sie schreiben mir ja jetzt schon zum zweiten Mal auf zwei verschiedenen Internetseiten (wohlwissend, dass ich einen Artikel zum Thema verfassen werde) ins Stammbuch, dass ich das Scheiße finden muss. Noch im vorherigen Kommentar meinten Sie: „Die Eröffnung von Hildebrands Kunstkammer Ende März wäre übrigens ein guter Termin, über das Versagen der Stadtverwaltung nachzudenken.“ Das hat zwar mit meinem Artikel hier absolut keinen Zusammenhang, musste aber noch einmal betont werden. Jetzt aber sagen Sie: „Das Öffentlichmachen einer Kunstsammlung hingegen ist kein Vergehen. Woher nehmen Sie diesen Unsinn?“ Vorsorglich wollen Sie verhindern, dass ich die Kunsthalle gut finden könnte. Ich kündige darum jetzt schon mal an, dass ich unabhängig von der Qualität der Werke und der Präsentation ein absolutes Loblied auf die Ausstellung schreiben werde, nur damit Sie sich auf die Schuhe kotzen können!
    Vor einem reichlichen Jahr hat es Ihr Geistesverwandter Jürgen Henne (der sich allerdings wesentlich schlechter ausdrücken kann, muss ich zugeben) geschafft, dass ich Kommentare in meinen Blogs nicht mehr ungesehen freigebe. Nun bin ich ernsthaft am Überlegen, ob ich anonyme Kommentare generell blocke. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Erfolg bezüglich der Einschränkung der Meinungsfreiheit. Durch Trolle wie Sie, Frau Netiquette, wird das ehemals so freie Internet zunehmend zu einem gated area. Schade eigentlich.
    „Gönnen Sie sich Denkzeit, hören Sie zu, verstehen Sie. Dann lohnt vielleicht irgendwann auch das Schreiben.“ Schreiben Sie als Vielversteherin und Vielwisserin eigentlich selbst mehr als nur Kommentare? Ich würde diese Texte gern lesen. Und kommentieren. Unter Klarnamen.

  6. Thomas Hille sagt:

    Herr Kassner, schön zu erfahren, dass Sie sich dem gleichen Thema gegenüber verpflichtet fühlen wie ich und sich ausführlichste Gedanken machen über die Entwicklungspotentiale dieser einzigartigen Stadt, sich eine subjektiv geprägte Meinung bilden und diese in den Dialog bringen möchten. Sachlich sollte der Gedankenaustausch sein und fachlich fundiert. Im Gemütszustand Ihrer Wut und Erregung verlassen Sie jedoch die Sachebene, werden persönlich gegenüber den Redakteuren und haben wildeste Fantasien bei den Gedanken an Betonmischmaschinen. Den Parkring mit einer zufällig entstandenen Wiese zu vergleichen, verrät die nicht erfolgte Auseinandersetzung mit den vorhandenen und nicht vorhandenen Qualitäten von Freiräumen Leipzigs. Weil Leipzig – wie Sie selbst erkannten – so rasant wächst, ist es von großer Wichtigkeit und unausweichlich über jede Möglichkeit nachzudenken, wie eine städtische Verdichtung ohne einen Nachteil für Freiräume zu realisieren ist. Eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Verdichtung hätte Ihnen aufgezeigt, dass in Städten mit einer Größenordnung wie Leipzig mit permanent steigenden Einwohnerzahlen verdichtet werden muss, da sonst eine Zersiedlung in den Randbereichen erfolgen würde. Damit gingen Natur – und landwirtschaftliche Flächen, „wertvoller Freiraum“ verloren und gewonnene Erkenntnisse aus vergangenen Stadtplanungsmaximen belegen: ins Umland verzweigte Städte haben einen enormen Energieaufwand für Mobilität, ein hohes Verkehrsaufkommen mit allen bekannten Nachteilen und eine Suburbanisierung ist das Resultat. Ich werde es beim kleinen Ausflug in diese Anonymität eines Meinungsaustausches belassen, bin aber jeder Zeit bereit Gespräche und Diskussionen zu führen, am Tisch – von Angesicht zu Angesicht. In diesem Sinn. Guten Abend.
    „Wer die Perspektive ändert, sieht die Dinge in einem ganz anderen Licht.“ Karl Friedrich Schinkel

    • admin sagt:

      Was mich an der Berichterstattung der zwei Journalisten durchaus wütend macht ist, dass sie schicken Schautafeln vertrauen und sich kein Bild vor Ort machen. Dort müssten sie dann merken, dass mit falschen Behauptungen gearbeitet wird. Und wenn ich auf diese Unstimmigkeiten hinweise, ist das für den anonymen Schwätzer unerträgliche Rechthaberei. Nein, es gibt keine wellblechverkleidete Sporthalle. Und es gibt nicht nur Wildwuchs, sondern zwei große Gruppen frisch gepflanzter Bäume. Vor allem aber trifft die Bezeichnung Brache hier nicht zu, da die Wiese mehr als das halbe Jahr wirklich intensiv genutzt wird, und das auf eine Weise, die der gärtnerisch gestaltete Stadtgarten davor nicht zulässt.
      Es gibt tatsächliche Brachen, auch in der Nähe. So die Schotterfläche zwischen Sternwarten- und Seeburgstraße, wenige Schritte weiter der Platz an der Ecke zur Goldschmidtstraße. Und so weiter. Natürlich muss auch der riesige Wilhelm-Leuschner-Platz umgestaltet werden. Freifläche ist nicht gleich Freifläche. Dass aber in Leipzig der Druck, jede verfügbare Lücke zuzubauen, noch nicht so hoch, zeigt das vorläufige Scheitern des Projektes „Am alten Zoll“, wo der Investor nicht genügend Interessenten finden konnte.

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